© Klaus Mai
Alle zwei Jahre wird Darmstadt zum klingenden Zentrum für Neue Musik. Dann kommen Musiker*innen aus aller Welt zu den Darmstädter Ferienkursen, organisiert vom Internationalen Musikinstitut Darmstadt. Das Programm ist anspruchsvoll. Zum einen reizt der akademische Austausch in der Community, zum anderen nimmt das öffentliche Festival-Programm an vielen Veranstaltungsorten für 14 Tage die Stadt in Besitz.
Zeitgenössische Musik? Nicht jedermanns Sache. Gewöhnungsbedürftig? Im wahrsten Sinne des Wortes. „Es ist eine Frage der Hörgewohnheiten, die über viele Jahre geprägt werden“, erklärt Dr. Thomas Schäfer, seit 2009 Direktor des Internationalen Musikinstituts Darmstadt (IMD). „Man kann sich daran gewöhnen, dazu bedarf es keiner wissenschaftlichen Auseinandersetzung.“ Der Zugang zur Neuen Musik fordert die Bereitschaft, sich mit offenen Ohren auf Neues, anderes einzulassen, um das Rezeptionsvermögen über den Kanon der klassischen Musik hinaus zu erweitern.
Der studierte Musikwissenschaftler hat die Neue Musik zu seinem Thema gemacht. Seine Vita gibt die Richtung vor. Für die 1990er-Jahre noch unüblich, bot die Hamburger Universität schon Studienschwerpunkte im Bereich der Musik des 20. Jahrhunderts. Die Promotion an der Humboldt-Universität zu Berlin mit einer Arbeit zur produktiven Mahler-Rezeption der zeitgenössischen Musik, weitere wissenschaftliche Etappen und einschlägige Tätigkeiten als Programmkurator waren bestimmende Meilensteine.
Schäfer ist nicht nur Direktor des IMD, das die Musik nach 1945 thematisiert, sondern auch künstlerischer Leiter der „Internationalen Ferienkurse für Neue Musik“ (kurz: Darmstädter Ferienkurse). Das IMD gehört zu den drei Kulturinstituten Stadt, die der Musik gewidmet sind.
„Die Teilnehmer kommen in diesem Jahr aus 50 Nationen“ so Schäfer. „Es ist nicht nur die einmalige Plattform, die ihnen geboten wird, um aktuelle Strömungen der Neuen Musik zu diskutieren, sie zu vermitteln oder das öffentliche Festival-Programm mitzugestalten. Nicht zuletzt hat auch die bedeutende Geschichte des Instituts und der Ferienkurse ihre Anziehungskraft.“ Der Kranichsteiner Musikpreis für Nachwuchs-Interpreten (seit 1952) und für Komponisten (seit 1972) ist eine begehrte Auszeichnung.
Die „Internationalen Ferienkurse für Neue Musik“, 1946 vom damaligen Darmstädter Kulturreferenten und Leiter des Kulturamts Wolfgang Steinecke initiiert, haben Darmstadt sukzessive zu einer festen Größe im internationalen Musikgeschehen gemacht. Erster Veranstaltungsort war das Schloss Kranichstein, seit 1949 werden öffentliche Gebäude in Darmstadt bespielt.
Es war nach dem Zweiten Weltkrieg zunächst der Nachholbedarf, der die Ferienkurse bestimmte. Während des nationalsozialistischen Regimes war Deutschland von der internationalen Entwicklung abgeschnitten. Viele Werke von Komponisten wie Arnold Schönberg, Anton Webern, Igor Strawinsky, Béla Bartók und anderen wurden mit jahrzehntelanger Verspätung in Darmstadt erstmals deutschlandweit uraufgeführt. Die Ferienkurse waren von Anfang an jedoch auch ein Forum für zeitgenössische Musik. Avanciertes Komponieren und die kritische Auseinandersetzung damit standen auf dem Programm. Der Besuch namhafter internationaler Dozenten, Komponisten und Interpreten der Neuen Musik gab dem Institut Weltrang.
Schlüsselfiguren wie die Komponisten Karlheinz Stockhausen, Pierre Boulez oder Luigi Nono prägten in den 1950er-Jahren die Ferienkurse nachhaltig. Ihre Themen waren die Weiterentwicklung zeitgemäßen Komponierens und die Diskussion um die Avantgarde in der Neuen Musik.
Ein Blick in das Gesamtprogramm des Festivals zeigt, dass die Musiker*innen von heute sich auch mit den prägenden Figuren der frühen Jahre auseinandersetzen. Das Programm bietet Karlheinz Stockhausens Vokalstück „Stimmung“. Vielleicht ein Anfang, sich mit der Neuen Musik anzufreunden?
Weitere Informationen:
Karten im Vorverkauf (online oder an allen ztixVorverkaufsstellen, www.ztix.de) oder an der Tages- und Abendkasse.
Gesamtprogramm und Details: www.darmstaedter-ferienkurse.de