© Bleddyn Butcher
Zoom Frankfurt
Robert Forster betreibt ein geradezu literarisches Songwriting. Nicht wenige seiner Konzerte gibt er in Buchhandlungen und Bibliotheken.
Deutlich gealtert wirkt er. Das dandyhafte Gesicht zerfurcht, die Haare kurz und schütter und etwas strubbelig. Auf dem Cover von „Inferno“, seinem siebten Soloalbum, sieht man Robert Forster auf einem Sofa liegen. Er sieht aus wie einer dieser Highschool-Professoren, die vom Genderwahnsinn und von der Political Correctness in den Vorruhestand und in die innere Emigration getrieben wurden. Eine lakonische Geste der linken Hand und ein strenger Blick aber scheint anzudeuten: Passt auf, ich bin noch lange nicht mit euch fertig! So infernalisch die Botschaft, so wenig diabolisch einmal mehr die Hintergründe: Forster, neben Jarvis Cocker der größte Stilist unter den wirklich unabhängigen Songwritern, ist für die Aufnahmen seines neuen Werks nach Berlin gezogen. Eingespielt hat er sie mit Szene-Musikern. Alles entspannt. Erneut also „Good old Germany“. Die alte Wahlheimat.
Die Hauptstadt-Hitze des vergangenen Sommers raubte ihn die Luft zum Atmen. Also schrieb er staubtrockene, maulfaule Lieder. Zu hymnisch scheppernden Gitarren und einem heiter grummelnden Bass singt Forster von seiner Mutter, die die Wäsche aufhängt, und von seinem Vater, dessen viele Jobs man ignorieren sollte. Vom nächsten Wochenende, das genauso langweilig sein wird wie das davor. Und vom Gefühl, zu jeder Zeit von jedem überholt zu werden. Seinen Aufstieg als Abstieg zu zelebrieren, das gehörte von Anbeginn an zum musikalischen Rüstzeug dieses entspannt-cleveren Weltenbummlers, der sogar seine heutige Ehefrau aus einem Dorf bei Regensburg entführen konnte, in dem sie ein paar Jahre lebten. Seitdem spielt Karin die erste Geige, in seinem Leben und in seiner Band. Zwischenzeitlich hielt die Gattin die Familie mit Musiktherapie-Kursen über Wasser, er schrieb derweil Songs und Rezensionen für den Kulturteil der Zeitungen.
Mit „Inferno“ hat der Sänger, Gitarrist und Buchautor zwar zum wiederholten Mal geblufft, aber niemanden mehr verblüfft. Himmelhochjauchzende Popmelodien mit melancholischen Mollakkorden zu grundieren, das gehört seit jeher zum diskreten Charme dieses Pop-Ironikers. Das hat er schon mit den Go-Betweens bewiesen. Seit den späten Siebzigern gehörte die Combo zur popkulturellen DNA in Down Under für all jene, denen Nick Cave zu exaltiert und Kylie Minogue zu streberhaft erschien. Seit dem Tod seines kongenialen Songwriter-Kollegen Grant McLennan im Jahr 2006 ist die Band, die wie eine Kreuzung aus Beatles und Byrds anmutete, Geschichte. Die Legendenbildung und der Hype um die Gruppe verstellte lange das Dilemma, dass sich wirtschaftlich nie wirklich großer Hofstaat mit ihr machen ließ. „No Fame“, ein Song auf dem neuen Soloalbum, scheint diese Situation prototypisch zu reflektieren. Zwar bezieht es sich auf ein frühes Stadium der Go-Betweens, als karrieristisch noch nicht alle Weichen gestellt waren, aber in seinem Tagebuch schrieb Forster erst kürzlich vielsagend auch von einer aktuellen „schlimmen finanziellen Situation“, der bis heute aber die „Freuden des Musikmachens in fremden Städten“ gegenüberstünden. „Wir konnten uns, als wir anfingen, in keiner Weise vorstellen, was mit uns werden würde.“
Die Songs des Exzentrikers klingen, als hätte sich Lou Reeds Geist an einem der vielen Lagerfeuer im australischen Outback niedergelassen.
Als Forster sich erstmalig verstellen konnte, ein Popstar zu sein, waren Leute wie Elvis Costello, Magazine und Blondie in den Charts. Als nach zwei Jahren noch immer keine große Plattenfirma die Go-Betweens unter Vertrag genommen hatte, spülte der Misserfolg sie in den Underground und setzte sie kurzzeitig auf die Post-Punk-Schiene. „Da war absehbar, dass es mit dem Star-Ruhm nichts werden würde“, sagt Forster. Eines der ersten Lieder, die Robert Forster schrieb, hieß „Karen“. Es war der Bibliothekarin gewidmet, die ihm half, zu Brecht, Joyce und Chandler zu finden. Literarischer Ehrgeiz lässt sich auch am Bandnamen The Go-Betweens ablesen, der sich auf einen Roman des Schriftstellers L.P. Hartley bezieht. Alternativ hatte Forster über den Namen „The Hepburns“ nachgedacht, wegen Katharine Hepburn und dem Rock-and-Roll-Klang von „Hep“ und „Burn“. Australien war damals weitgehend abgehängt von den Entwicklungen der Pop-Welt, die damals einflussreichen Musikzeitschriften, wie etwa der „Melody Maker“, erreichten den Kontinent erst mit monatelanger Verspätung. So konnte ein Sound entstehen, der mit seinem Rückgriff auf die Rickenbacker-Gitarrenmusik der Sixties anachronistisch und gleichzeitig erfrischend anders klang.
Früher mag die Klangfarbe an jene der Beatles erinnert haben, heute klingen die Songs des Exzentrikers, als hätte sich der Geist Lou Reeds an einem der vielen Lagerfeuer im australischen Outback niedergelassen. Kantig-melodiöse Lieder, getragen von einer raspelnden Falsett-Stimme, die auf superlässige Weise Lebensklugheit mit Fantasie kombiniert. Forster betreibt ein geradezu literarisches Songwriting. Nicht wenige seiner Konzerte gibt er in Antiquariaten und Bibliotheken, auch viele seiner Lieder spielen in Buchhandlungen, werden zudem aus ungewöhnlichen Perspektiven erzählt. So beschwert sich etwa in dem Lied „My Rock and Roll Friend“ die Freundin eines Rockmusikers über dessen pompösen Life Style und fordert energisch: „Schreib doch mal was über mich!“
Spätestens in solchen kulturhistorischen Passagen wird klar: Prägend bei der musikalischen Exegese waren für Forster auch Glamrock-Größen wie David Bowie und Bryan Ferry von Roxy Music. Ferner reflektiert der nunmehr 61-Jährige als besonnener Indie-Pfau bis heute die Rolle, die Medien wie Bücher, Filme und Popkultur in seinem Leben gespielt haben, und es macht den Folk-Crooner neuerdings sichtlich stolz, dass er zwischen den Protestbarden der ersten Generation wie Bob Dylan und Leonard Cohen und den neuen psychodelischen Folk-Revoluzzern wie Devendra Banhart vermitteln darf.
Robert Forster & Band spielen am Dienstag (7. Mai) im Frankfurter Zoom. Weitere Tour-Stationen sind Bielefeld (4.5.), Bonn (5.5.) und Schorndorf (8.5.). Beim Auftritt in München (9.5.) ist der Australier als Solokünstler zu erleben. Für das Konzert in der Hamburger Kulturfabrik „Knust“ (1.5.) sind noch Restkarten verfügbar.
Infos und Tickets gibt es unter www.robertforster.net, www.zoomfrankfurt.com und www.knusthamburg.de