Der Darmstädter Tilman Hoppstock ist ein vielseitiger Künstler – Konzertgitarrist, Veranstalter, Verleger, Musikwissenschaftler und Pädagoge. Im FRIZZ-Interview erzählt er von Bühnenerlebnissen, Ritualen und weiteren Leidenschaften neben der Musik.
50 Jahre auf der Bühne – eine beachtliche Leistung! Hast du dich schon immer auf der Bühne wohlgefühlt?
Ja, ich bin ein Bühnenmensch. Schon mit 14 Jahren spielte ich als Preisträger von Jugend musiziert vor 500 Menschen – ich wollte schon immer auftreten.
Begann dein musikalischer Weg mit der Gitarre?
Mein Vater Werner Hoppstock war Konzertpianist und Direktor der Akademie für Tonkunst. Angefangen habe ich mit Cello, aber die Gitarre habe ich für mich entdeckt. Damals gab es an der Akademie noch gar keinen Gitarrenunterricht. 1971 war ich mit 10 Jahren der erste Schüler. Später habe ich Cello und Gitarre studiert.
Mit 22 Jahren warst du bereits in aller Welt unterwegs …
Ja, auf Welttourneen war ich u. a. in London, Paris, New York, Montreal, Tokio, Mexico City und Singapur. In nur zwei Jahren habe ich 200 Konzerte gegeben. Das war anstrengend; ich habe aber viel gelernt, musste mich auf viele neue Situationen einstellen und improvisieren. Anschließend habe ich eine 10-jährige Pause eingelegt, habe viele CDs aufgenommen und ab und zu Kammerkonzerte gegeben. Mit 35 Jahren stand ich dann wieder als Solist auf der Bühne.
Gibt es ein Ritual, wie du dich auf deine Auftritte vorbereitest?
Ja, am Tag des Auftritts spiele ich keine Gitarre, sondern schlafe länger, gehe spazieren oder schaue Fernsehen. Ich teste rechtzeitig die Akustik im Saal, die neben der Beleuchtung eine große Rolle spielt. Seit 1996 spiele ich mit Noten, das ist entspannter. Glücklicherweise habe ich vor dem Gang auf die Bühne sehr wenig Lampenfieber. Doch eine gewisse Grundspannung vor dem Konzert ist enorm wichtig, um das Potenzial abzurufen.
Was empfindest du in den Momenten, auf der Bühne zu stehen?
Ich habe die Motivation, mein Bestes geben zu dürfen. Der Kontakt mit dem Publikum – der gefühlsmäßige Dialog – entsteht sowohl, wenn man zum Publikum spricht, als auch während des Spiels. Das ist etwas Besonderes und manchmal entsteht dann auch ein Moment der Magie. Und wenn alles zusammenkommt – also ein wunderbarer Saal mit toller Akustik und schönem Licht sowie ein offenes, freundliches und aufmerksames Publikum –, dann sind das die optimalen Voraussetzungen für ein gemeinsames, wunderschönes Erlebnis.
Du unterrichtest sehr gerne …
Schon mit 15 Jahren unterrichtete ich – mein Traum war immer, Musiklehrer an einer Musikschule zu werden. Seit 1984 unterrichte ich internationale Meisterklassen, zunächst an der Musikhochschule in Mainz und ab 1988 an der Akademie für Tonkunst.
Was ist dir als Musikpädagoge besonders wichtig und gibt es besonders leichtes Repertoire, das du gerne unterrichtest?
Es gibt in diesem Sinne keine leichten Stücke! Wichtig ist, nicht nur nachzuspielen, sondern eine Klangvorstellung von den Stücken zu entwickeln und den Puls der Musik zu fühlen. Das nenne ich „musikalisches Üben“. Nur mit eigenem Ausdruck kann ich Emotionen auslösen. Mir ist wichtig, die Ausdrucksweise und Persönlichkeit der Künstler:innen zu fördern.
Ist bei deinen Auftritten immer alles glatt gegangen?
Eine lustige Geschichte: Vor einem Auftritt in San Francisco dachte ich, dass ich mal zur Golden Gate Bridge laufen könnte, denn es war ein schöner sonniger Tag. Ich hatte die Entfernung unterschätzt und kam kurz vor knapp an, nachdem ich insgesamt 30 Kilometer gelaufen war … Der Auftritt hat trotzdem geklappt (lacht).
Welche Musik hörst du privat?
Sting, Deep Purple, Paco de Lucia, Miles Davis; ich bin da nicht festgelegt. Aber ich bin auch ein wirklicher Beatles-Fan.
Du bist ja sehr kunstaffin …
Ja, ich liebe Kunst – von romantischen Ölgemälden über Impressionismus bis hin zu abstrakter Kunst. Außerdem bin ich Disney-Fan und habe einige Originalzeichnungen von Donald Duck. Auch bin ich ein Genießer, liebe gutes Essen, guten Wein und Italien!
Erzähle doch mal von deinen Plänen für dieses Jahr.
Ich bin wieder international auf Tournee – u. a. in München, Stuttgart, Warschau, Szeged, Genf, London und Mexiko. Insgesamt stehen 15 Konzerte sowie Meisterkurse an. In Darmstadt trete ich wieder im November bei den Gitarrentagen auf, die ich seit 1998 organisiere. Ich freue mich auf viele besondere Momente auf der Bühne!
info.bio
- Geboren 1961 in Darmstadt
- 1981: Musikstudium Cello und Klavier an der Akademie für Tonkunst
- 1983/84: Welttourneen in vielen Millionenstädten
- 1994: Gründung des PRIM Musikverlags
- 1998: Gründung der Darmstädter Gitarrentage
- 2013: „Darmstädter Musikpreis“ für Lebenswerk
- 2014: Promotion in Musikwissenschaft
- 2016: Ehrung für sein Lebenswerk beim wichtigsten Gitarrenevent der Welt, der GFA (Guitar Foundation of America)
- Seit 2018: Organisator des Deutschen Gitarrenpreises und des European Bach Guitar Awards
- Drei Buchveröffentlichungen über die Lautenwerke Bachs, rund 30 CDs, mehrere internationale Auszeichnungen
- Unterrichtet internationale Meisterklasse an der Akademie für Tonkunst in Darmstadt
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