Seit den 90ern gehören die „H-Blockx“ zu den prägenden Namen des deutschen Rock-Crossover. Nach etlichen Hits, unzähligen Konzerten und einer längeren Veröffentlichungspause steht nun mit „Fillin The Blank“ ab dem kommenden Jahr endlich wieder ein neues Album in den Startlöchern. FRIZZmag hat mit Frontmann Henning Wehland über das Comeback, die Höhen und Tiefen einer über 30-jährigen Bandgeschichte und die Energie der aktuellen Shows gesprochen. FRIZZ: Mit „Fallout“ habt ihr im vergangenen Winter nach langer Zeit erstmals einen neuen Song veröffentlicht, nun folgte mit „Straight Outta Nowhere“ gar der Vorbote für das im Februar erscheinende neue Album „Fillin The Blank“. Wie fühlt es sich an, endlich wieder neue Songs draußen zu haben? Henning: „Fallout“ war gewissermaßen der Abschluss der Suche nach unserer DNA, auf die wir uns seit „Time to Move“ („H-Blockx“-Debütalbum von 1994, Anm. d. Red). begeben. hatten Der Song war nochmal der letzte Versuch, in neue, andere Richtungen zu gehen. Danach sind wir dann ins Studio gegangen und haben vereinbart, dass das Wichtigste sein soll, dass wir Spaß haben. Einfach mal laufen lassen und schauen, was der erste Impuls sein wird, wenn wir uns an unsere Instrumente setzen. Daraus sind dann zwölf Songs entstanden, von deren Gradlinigkeit und Unverkopftheit selbst wir überrascht waren. Ich denke, das ist uns gelungen, weil wir verstanden haben, dass die Band eine eigene Persönlichkeit hat. Das Ganze ist größer als die Summe der Einzelteile. Nach zwei sehr erfolgreichen Jahrzehnten, wurde es nach eurem Album „HBLX“ 2012 ziemlich still um die „H-Blockx“. Warum hat ein Nachfolger von „HBLX“ so lange auf sich warten lassen? Gab es Momente, in denen ihr dachtet: „Vielleicht war’s das mit neuen Songs“? Die Band „H-Blockx“ war zu der Zeit damals wie ein Schlitten, der zwischen uns Vieren stand. Nur sind wir alle in unterschiedliche Richtungen gerannt, um diesen Schlitten nach vorne zu ziehen. Da haben sich unsere Kräfte quasi gegenseitig aufgehoben. Die Band bewegte sich eigentlich nirgendwo mehr hin. Es wäre aber wichtig gewesen, dass wir alle vier uns auf den Schlitten setzen und schauen, wo uns die Reise hinführt. Es ging nicht um ein konkretes Ziel, das wir alle erreichen wollten – da hat jeder sein eigenes Ziel im Auge gehabt- sondern, das wiederzufinden, was die Reise der „H-Blockx“ seit jeher ausgemacht hat. Als wir als Band im Proberaum angefangen haben, gemeinsam Musik zu machen, hat niemand von uns daran gedacht, irgendwann mal einen „European Music Award“ zu gewinnen oder in Amerika auf Tour zu gehen. Uns sind so viele unerwartete Dinge passiert und genau zu dieser Unbeschwertheit wollten wir wieder zurückfinden. Gemeinsam wieder auf den Schlitten oder ins Boot und schauen, wo uns die Strömung hinzieht. Und wenn dafür diese lange Pause sein musste, dann ist das so. Es war gut, denn das fühlt sich alles sehr nach neuem Anfang an, nur mit sehr viel mehr Erfahrung im Rucksack als zu Beginn unserer Karriere.– dadiese Der Titel „Straight Outta Nowhere“ klingt nach der langen Pause fast programmatisch – was steckt für dich dahinter? Im Nachhinein klingt das so, stimmt (lacht). Für mich war immer der Inbegriff für authentischen Rap oder HipHop „Straight Outta Compton“ (legendäres Album der Rapgruppe „N.W.A.“ aus dem Jahre 1988, Anm. d. Red.). Diesen Satz konnte man natürlich nur sagen, wenn man aus Compton kam, und wer von uns war da schon her? Aber dieser Satz hatte für mich schon immer eine große Strahlkraft. Als mir der Begriff „Straight Outta Nowhere“ eingefallen ist, fand ich den ganz cool, weil er zum einen ein Stück weit meinen Minderwertigkeitskomplex beschreibt, denn ich bin ja meilenweit entfernt von dieser „Hood“, die mich allerdings sehr beeinflusst hat. Andererseits drückt er sehr gut wieder dieses Unerwartete aus, das mir so oft im Leben passiert ist. Ich finde, in jedem Menschen stecken so viele Geschichten, die es wert sind, erzählt zu werden und oft begegnen dir diese Geschichten sozusagen aus dem Nichts. Das Album erscheint auf dem Label der „Donots“ mit denen ihr in diesem Jahr auch einige gefeierte Doppelshows gespielt habt. Wie kam's zur Zusammenarbeit? Alex Siedenbiedel („Donots“-Gitarrist, Anm. d. Red.) wohnt Fünfhundertmeter entfernt von mir. Er ist verheiratet mit der Frau, die ungefähr zwanzig Jahre mein Büro geleitet hat. Die beiden haben sich auch tatsächlich hierüber kennengelernt. Hinzu kommt, dass die „Donots“ ihre ersten Demos mit unserem früheren Produzenten aufgenommen haben. Guido (weiterer „Donots“-Gitarrist, Anm. d. Red.) hat auf meinem zweiten Soloalbum die musikalische Leitung innegehabt. Kurz: wir kennen uns alle schon sehr lange und gut, was auch in einer Stadt wie Münster recht einfach ist, denn die Szene ist überschaubar. Als wir dann die Songs für ein neues Album zusammenhatten, waren wir am Überlegen, wie man das heutzutage angeht mit einer neuen Platte. Nochmal zu einem großen Label gehen? Mit Influencern arbeiten? Es war auf jeden Fall klar, dass wir für die Platte eine Heimat brauchten und so waren wir recht schnell bei „Solitary Man“, dem Label der „Donots“. Früher gab’s großes Geld und amtliche Album- und Videoproduktionen wurden bei großen Labels gezahlt, heute geht es vor allem darum, Teil einer Familie zu sein, mit der man sich hundertprozentig identifizieren kann. Eine Familie – das ist es, was ein Label sein sollte. Viele eurer Fans sind mit euch in den 90ern groß geworden. Was bedeutet es euch, dass diese Fans euch immer noch die Treue halten – und zugleich auch eine neue Generation bei den Konzerten auftaucht? Sehr viel! Wir sind absolut dankbar, dass wir immer noch sehr treue Fans haben, die immer wieder Tickets kaufen und zu unseren Konzerten kommen. Das ist nicht unbedingt die Regel und schon gar nicht, wenn man so lange weg gewesen ist, wie wir. Da spielt aber weniger Nostalgie eine Rolle, denke ich, sondern vielmehr die Frage, wer ich bin und was mich geprägt hat. Und das ist bei der neuen Platte sehr ähnlich wie damals bei „Time to move“ – das sind beides Welten, in denen ich mich zuhause fühle. Und ich könnte mir vorstellen, dass es den Fans ähnlich geht. Zumindest den älteren. Die jüngeren Fans sind von ihren Eltern angesteckt worden oder einfach begeistert davon, dass da eine Band ist, die ohne Playback und/oder anderen technischen Schnickschnack in der Lage ist, eine Energie zu entfachen. Diese Energie ist das, was eine Band meiner Meinung nach ausmacht. Und dass sich die genau so auf junge Leute heute bei unseren Shows überträgt wie schon in den 90ern, freut uns natürlich sehr! Ingo (Sänger der „Donots“, Anm. d. Red.) schreibt in der Presseinfo zum Album sogar „Fillin The Blank“ sei euer zweites Album. Wie siehst Du das? Für diesen Satz werde ich Ingo aus ewig dankbar sein, denn er bringt es absolut auf den Punkt. Unser Trommler Steddy, der auch das neue Album produziert hat, meinte, dass das, was „Time to Move“ damals ausgemacht hat, die Unbedarftheit war, mit der wir ins Studio sind. Und mit dieser Herangehensweise sind wir auch das neue Album angegangen und das war dann auch der Moment, als wir auch endlich wieder zusammen auf dem Schlitten gesessen haben und in die gleiche Richtung gefahren sind. Wenn ihr auf eure Karriere zurückblickt: Gibt es Phasen oder Alben, die für euch eine besondere Zäsur darstellen? Definitiv das erste Album. So unbekümmert und vielleicht sogar in Teilen dilettantisch das gewesen sein mag, so überraschender war der Erfolg, den die Platte hatte. Und das lag vor allem daran, weil sich niemand von uns einen Kopf gemacht hat, was wir falsch machen könnten. Aber auch die anderen Alben stellen – jedes auf seine Weise, gewissermaßen eine Zäsur dar, weil sie immer wieder ein Versuch waren, diesem Debüt nahe zu kommen oder sich davon zu entfernen. Beispielsweise das zweite Album, das dann viel bombastischer geraten ist, oder das dritte „Fly Eyes“, das versucht hat, eine eher „classic rockigere“ Schiene zu fahren. Das war aber nie die Suche nach einem konkreten Gefühl, sondern immer der Wunsch, an eine Tür zu kommen, die du öffnest, und dahinter erfährst du, wer du eigentlich bist. Aber neben unserem ersten Album waren die wohl einschneidendsten Erlebnisse die beiden letzten Alben vor der langen Pause – „No Excuses“ und „HBLX“. Ersteres war der letzte Studio-Versuch mit unserem großen Förderer George Glück und „HBLX“ war dann die erste Platte, die wir sehr „DIY“ auf unserem eigenen Label gemacht haben. Beides waren sehr einschneidende Erfahrungen, weil wir beide Male gedacht hatten, wir hätten unsere Identität gefunden und beide Male haben wir dann doch nicht den Nagel so ganz genau getroffen. Das war dann auch noch bei „Fallout“ so. Der magische Moment kam erst, als wir später im Studio die ersten drei Demos für „Fillin The Blank“ fertig hatten. Da wussten wir, dass wir wieder auf einer Spur sind. Das Album war aber auch nur möglich, weil wir uns diese lange Pause davor gelassen haben. Neues Album, gefeierte Shows... aktuell fällt da immer der Begriff „Comeback“. Wie fühlt sich das Ganze für dich gegenwärtig an? Wieder im Fokus zu stehen ist für mich völlig ok, wenn das für Dinge ist, hinter denen ich zu hundert Prozent stehen kann. Insofern ist die Resonanz, die wir momentan erhalten, fantastisch und natürlich genieße ich da jede Sekunde. „Comeback“ ist halt immer eine Sache der Betrachtung. Fans, die nach der zweiten oder dritten Platte enttäuscht waren, weil sie kein „Rising High“ oder „Move“ finden konnten, haben sich damals verabschiedet und danach gar nicht mitbekommen, was wir die nächsten zwanzig Jahre gemacht haben. Für die mag sich das jetzt wie ein Comeback der „H-Blockx“ anfühlen. Für mich bedeutet „Comeback“ aber auch ein Zurückkommen, ein zurück zu den Wurzeln finden, im Sinne von „to come back“. Das Spannende an den „H-Blockx“ damals war ja, dass unser Album wie eine Bombe in eine Zeit geplatzt ist, als sich viele gefreut haben, dass endlich Indie-Musik mit deutschen Texten im großen Stil bei den Leuten Anklang findet. Zwischen 1991-93 war ja Grunge das große Thema und hierzulande vielleicht noch die „Fantas“ und „Selig“ und dann kommt da so eine Band aus Münster, die so einen Sound und auch noch mit englischen Texten abliefert. Das lag natürlich am Lebensgefühl aber auch an der Art, wie wir Musik produziert haben. So etwas wie „Rising High“ war ja wirklich neu damals. HipHop Bands, die Rockanleihen in ihre Musik aufgenommen haben, das gab es schon, aber dass eine Rockband sich am HipHop bedient, war neu. In unserer Szene war das ein Riesenthema, ob wir diesen oder jenen Loop verwenden dürfen. Denn Loops galten als Playback und Playbacks waren Verrat an unserer Musikerehre. Aber der Sound war neu, außergewöhnlich und hat einen Nerv getroffen. Und mit der Zeit haben sich bei uns dann sehr viele Facetten gezeigt. Wir waren im wahrsten Sinne des Wortes „Crossover“, denn wir haben alles ausprobiert. Der Weg ist das Ziel, das beschreibt unsere musikalische Sinnsuche bis heute ganz gut. Und auch in meinem Leben gab es bis dato noch nicht den Punkt, dass ich irgendwann angekommen bin. Ich habe lange geglaubt, dass das wichtig und erstrebenswert ist und das Leben war in den letzten dreißig Jahren deswegen auch nicht immer nur ein Zuckerschlecken. Seit ich für mich weiß, dass ich immer weiter Dinge entdecken möchte, fühlt sich mein Leben sehr befreit an. Ihr habt in eurer Karriere unzählige Konzerte gespielt, von kleinen Clubs bis zu den ganz großen Bühnen. Welche Shows bleiben euch bis heute am meisten im Gedächtnis? Zu erwarten wäre jetzt, dass ich „Roskilde“ sage oder „Rock am Ring“ oder unsere Konzerte während der „WARPED“-Tour in USA. Aber eigentlich beeindrucken mich mehr momentan die Festivals, wo wir ja gebucht werden, weil man darauf vertraut, dass man mit unserem Namen Tickets verkauft. Da denke ich immer wieder mal: „Wer soll denn hierher kommen für eine Band, die fast fünfzehn Jahre nix mehr gemacht hat?!“ Dann erinnere ich mich wieder an unsere Anfänge, als wir noch gar nichts veröffentlicht hatten und viele Leute nur wegen der Mundpropaganda zu unseren Konzerten, meist in kleinen Jugendzentren, gekommen sind. Damals habe ich gelernt, es nicht für selbstverständlich zu nehmen, dass da Leute bei meiner Show vor der Bühne stehen. So ein Konzert ist immer wieder ein unsicheres Kennenlernen. Dann macht man ein Feuer an und spürt diese Energie, zunächst in diesem kleinen Space auf der Bühne, bald lodert das und man fängt an zu tanzen. Und da waren unsere ersten Konzerte außerhalb von Münster in Crailsheim, Nürtingen und ganz besonders im „Café LiBella“ in Altenmarkt im Chiemgau immer absolut legendär! Im Herbst geht ihr auf eure „Fillin‘ The Blank“ Tour mit mehreren Stationen in Deutschland und der Schweiz. Wie sehen die weiteren Pläne für die „H-Blockx“ aus? Wird „Fillin’ The Blank“ ein einmaliges Comeback bleiben oder habt ihr Blut geleckt und plant schon die nächsten Schritte? Zum Älterwerden gehört ja auch dazu, nicht nur in die Vergangenheit zu schauen, sondern auch zu sehen, dass der Blick in die Zukunft endlich ist. Auch wenn ich mich nicht morgen aufs Altenteil zurückziehen möchte, wird mir doch bewusst, dass ich nicht mehr für immer Zeit haben werde. Ich blicke daher jetzt nicht zwanzig Jahre in die Zukunft. Aber so wie dieses Album jetzt entstanden ist und so, wie wir uns im Moment bei unseren Konzerten auf der Bühne fühlen, werden wir das sicher noch machen, bis wir merken, dass wir nichts mehr zu sagen haben. Aber noch stehe ich vor allem auf der Bühne, weil etwas aus mir raus muss. Weil ich merke, dass das, was Besonders ist, das ich mit anderen Menschen teilen möchte. Also wieder genauso wie am Anfang vor dreißig Jahren. Vielen Dank für das Gespräch.
©Danny Kötter
H-Blockx
„H-Blockx“ live:
Fr. 31.10., Stadthalle, Offenbach, 20 Uhr WEBSEITE | FACEBOOK | INSTAGRAM
FRIZZ verlost 3x2 Tickets für das Konzert in Offenbach.
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