Mit ihrem illustren Mix aus Indie-Pop und zackigen NDW-Sounds hat sich Paula Carolina in den vergangenen zwei Jahren vom Support Act auf die großen Festivalbühnen und in die Herzen der (vor allem jungen) Musikfans gespielt. Im September erschien endlich das Debütalbum „Extra“, das die Powerfrau mit ihrer Band nun auf großer Tournee präsentiert.
FRIZZmag: Seit gut zwei Jahren startest du ziemlich durch: eine gefeierte EP, Festivalshows, eine ausverkaufte eigene Tour. Konntest du schon einmal innehalten und das alles Revue passieren lassen? Wie fühlen sich diese letzten beiden Jahre im Rückblick betrachtet für dich an?
Paula Carolina: Schnell. Sehr schnell fühlen sich diese letzten Jahre für mich an. Und so richtig verstehen, was da passiert ist, kann ich vielleicht auch gar nicht.
Du bist in Hannover geboren und hast dort die ersten Jahre gelebt, bis du im Alter von 14 Jahren ins Allgäu gezogen bist. Von der niedersächsischen Hauptstadt in die bayerische Kleinstadt – das war ein ziemlicher Kontrast, oder?
Wir haben nicht direkt in Hannover gewohnt, sondern eher am Rand der Stadt, ziemlich naturnah. Daher war das zumindest vom wohnlichen Umfeld nicht so anders. Was auf jeden Fall anders war: In Hannover hatte ich zig Hobbys, von Tanz über Saxophonlernen bis Spielen in Big Bands. Und als wir dann ins Allgäu gezogen sind, war das schon ein Einbruch für mich. Vieles, was ich vorher gemacht hatte, war dort nicht machbar. Deswegen habe ich mich ab diesem Zeitpunkt sehr stark aufs Klavier und aufs Schreiben fokussiert.
Einer deiner Verwandten war Dirigent und du hast bereits als Kind Klavier gelernt. Ab wann wusstest du, dass Musik deine Profession werden könnte?
So richtig gewusst habe ich das ganz lange nicht und, ehrlich gesagt, glaube ich, dass ich mir den Gedanken auch einfach nicht erlaubt habe. In meinem direkten Umfeld gab es niemanden, der professionell Musik gemacht hat und davon leben konnte. Deshalb war das damals auch überhaupt keine Option für mich. Vor ungefähr drei Jahren habe ich mich bei einem Popkurs in Hamburg angemeldet und dort habe ich dann zum ersten Mal Leute getroffen, die alle den gleichen Traum hatten, von ihrer Musik leben zu können. Das hat für mich eine komplett neue Welt geöffnet. Weil ich all die Jahre davor immer gedacht hatte, dass diesen Weg zu gehen für mich nicht möglich ist. Ich habe halt keine großartige Gesangsausbildung und spiele kein Instrument hervorragend. Meine Welt war aber bis dato die der klassischen Musik. Und da hättest du mit acht bei „Jugend musiziert“ gewinnen müssen, um überhaupt in Richtung „von Musik Leben können“ denken zu dürfen. Aber das war auch gar nicht mein Ziel. Bei Popmusik ist der Weg noch viel weniger planbar. Entweder es passiert und du triffst zur richtigen Zeit die richtigen Leute und deine Musik bewegt die Leute oder es passiert eben nicht.
Dass die Neue Deutsche Welle eine starke Inspirationsquelle für dich und deine Band war und ist, hört man sehr deutlich. Was gefällt dir so an der NDW?
Mich hat dieses Mindset in der NDW sehr angesprochen. Dass es nicht so wichtig war, dass du super gut spielen kannst, sondern dass du Spaß an der Sache hast. Es war auch nicht wichtig, dass du den teuersten Synthie hattest, sondern du hast einfach ein Keyboard aus deinem Kinderzimmer genommen und die Sounds waren dann ungewohnt, neu und besonders. Diese unkonventionelle Herangehensweise, gepaart mit dem Mut, auf Deutsch auch gesellschaftskritische Texte auf die Bühne zu bringen, das hat mich immer fasziniert. Und ich mag die Ironie und den Witz sehr, der viele Songs der NDW auszeichnet. Beides fehlt in der heutigen Musik und auch in der Gesellschaft sehr, finde ich.
Deine Texte sind zynisch-pointierte Zeitgeist-Referenzen. Wie entstehen deine Texte? Und: Sind sie autobiografisch?
Ja, allerdings sind sie meist nicht auf den ersten Blick autobiografisch, sondern das Autobiografische ist in Geschichten und komischen Wortkonstellationen versteckt. Aber ich schreibe auf jeden Fall immer über Themen, die mich aktuell beschäftigen. Oft passiert etwas in meinem Umfeld, was ich aber in einem anderen Kontext sehe bzw. mit etwas anderem assoziiere und daraus entstehen dann die Geschichten für meine Songs. Es gibt aber auch Songs, die ich in einem direkt runterschreibe, einfach, weil das Gefühl für das Stück direkt da und stark ist.
Du äußerst dich auch politisch: In „Angst Frisst Demokratie“ rufst du zu Solidarität gegen den Rechtsruck auf. „Denn wir halten mit Liebe dagegen“ singst du im Refrain. Denkst du, dass Liebe reichen wird?
Ich glaube, dass Liebe unsere einzige Option ist, wirklich etwas zu verändern. Ich weiß aber auch, dass es kompliziert ist. Liebe sollte aber der Antrieb für alles sein, für alles, was wir ändern müssen. Das bezieht sich aber nicht nur auf die Liebe zwischen Menschen, sondern auch auf den Respekt vor der Natur beispielweise. Ein wichtiges Wort in diesem Zusammenhang ist auch „Mäßigung“, denn das ist etwas, was in unserer Gesellschaft mittlerweile ziemlich verloren gegangen ist.
Nach deiner vielbeachteten „Heiß/Kalt“ EP von 2022 und einigen Single-Veröffentlichungen erschien vor Kurzem dein lange erwartetes Debütalbum „Extra“. Da ihr in den vergangenen Jahren fast ausschließlich unterwegs wart, haben dein Gitarrist Nikolaus Winkelhausen und du die Songs größtenteils auf Tour geschrieben. Ist „Extra“ eine Art Tourtagebuch?
Ja, das ist das Tagebuch meiner letzten zwei Jahre, stimmt. Und der erste Song auf dem Album, „Extra“, ist auch ziemlich genau vor zwei Jahren geschrieben worden. Da fing alles gerade an und vieles war total neu. Das Album fasst diese vielen ersten Male, die ich gemeinsam mit der Band erlebt habe, sehr gut zusammen. Deswegen wird dieses Album auch immer etwas ganz Besonderes für mich sein. Das erste Album macht man halt nur einmal.
Wie sehr hat das Schreiben auf Tour die Songs beeinflusst?
Ich schreibe auf Tour auf jeden Fall anders. Wir sind auch mittlerweile an einem Punkt, an dem wir immer auch mit dem Hintergedanken an die Konzerte Songs schreiben. Deswegen klingt auch die zweite EP anders als die erste und das Album wieder anders als die zweite EP. Einfach, weil wir von den ganzen Liveshows geformt wurden und sich das sehr auf unseren Sound und die Art, wie wir Songs schreiben, ausgewirkt hat. Wenn ich jetzt mit meinem Gitarristen im Studio sitze, merken wir sofort, welcher Part live sehr gut funktionieren wird und welcher weniger. Und mir war es immer schon sehr wichtig, dass meine Songs live etwas bewegen und in den Leuten etwas auslösen.
Ihr habt auf zahlreichen großen Festivals wie dem „Southside“ gespielt, aber auch in sehr kleinen Clubs – was liegt dir mehr?
Ich mag beides und finde beides wichtig. Es gibt Momente in kleinen Clubs, wo du merkst, dass du jede einzelne Person abholen konntest und alle voll mit dir in deinem Element sind. Das ist ein sehr krasses Gefühl! Dann gibt es aber auch diese Momente, wie dieses Jahr in Karlsruhe, wo wir vor 35.000 Leuten gespielt haben und alle deine Songs mitsingen. Da fällt einem nur noch die Kinnlade runter. Das ist unbeschreiblich. Ich liebe es aber vor allem, mit dem Publikum zu interagieren, und das geht einfacher, wenn du alle Leute im Publikum direkt sehen kannst.
Ein Thema, das endlich auch immer mehr in der Musikwelt ankommt, ist Gender-Equality. Doch wenn man sich die Line-ups der großen Festivals anschaut, sind da in der Regel nach wie vor mindestens 80 % der Bands männlich besetzt. Warum ist das so, deiner Meinung nach?
Ich bin da etwas vorsichtig, zu diesem Thema eine endgültige Aussage zu treffen. Beispiel „Rock am Ring“: Versuche mal eine weibliche Künstlerin aus Deutschland zu buchen, die auch gut ins sehr rockige Line-up passt, ordentlich Tickets verkauft und im vergangenen Jahr nicht schon bei deinem Festival gespielt hat. Ich glaube, es ist gar nicht so einfach, da Künstlerinnen zu finden, die schon groß genug sind, damit du sie buchen kannst. Natürlich ist es nicht nur die Aufgabe von Booker:innen, zu schauen, dass der Ticketverkauf super läuft, aber sie müssen natürlich auch schon darauf achten, dass ihr Programm wirtschaftlich gut läuft. Aber es wäre die Aufgabe verschiedener Institutionen, junge Künstlerinnen zu fördern, damit sie ein Level erreichen, um für diese großen Festivals auch wirtschaftlich interessant zu sein, sprich: genug Zugkraft zu besitzen. Und da dürfen wir uns auch alle ein bisschen an die eigene Nase fassen und sollten uns die Frage stellen, ob wir denn genug Künstlerinnen unterstützen. Gehen wir auf deren Konzerte? Kaufen wir Merch und Alben von ihnen? Denn dann bringen wir diese Künstlerinnen an einen Punkt, an dem man an ihnen nicht mehr vorbei kann. Und so geht’s uns gerade. Wir sind so viel dieses Jahr auf Festivals gebucht worden wie nie zuvor. Wir sollten einfach mehr weibliche Musik konsumieren, damit wir mehr Künstlerinnen in diese Position bringen. Deshalb suche ich auch die ganze Zeit immer nach neuen weiblichen Bands, die ich als Support für unsere Konzerte einladen kann.
Ihr seid gerade auf großer Tour und präsentiert „Extra“ live. Die ersten Termine sind bereits ausverkauft. Wie geht’s danach weiter, wie sehen deine Pläne aus?
Ich bin kein Fan von Pausen. Vielleicht ändert sich das mal in fünf Jahren oder so, aber im Moment will ich einfach immer weitermachen. Wir haben schon die ersten Bookings für nächstes Jahr auf dem Zettel und ich denke, dass uns die kommende Tour so viel guten Input und Energie gibt, dass wir direkt ans zweite Album gehen können. Inspirierter werden wir wohl nicht mehr sein.
Nach dem Abi hast du zunächst ein Lehramtsstudium begonnen, das du aber abgebrochen hast, um dich voll auf die Musik konzentrieren zu können. Was wäre geworden, wenn es nicht mit der Musik geklappt hätte? Würde Paula heute morgens vor einer Schar Schüler:innen stehen? Hast du immer noch einen „Plan B“ in der Tasche?
Ich habe ganz viele Pläne und habe schon alles Mögliche gemacht: als Pilates-Trainerin gearbeitet, in einer Buchhandlung gejobbt, eine Zeitlang habe ich mal gedacht, dass ich lieber nur Songs für andere schreiben wollte. Langfristig könnte ich mir vorstellen, irgendwas mit Moderation zu machen, denn da könnte ich alle meine bisherigen Erfahrungen gut miteinander verbinden. Und ich möchte gerne noch ein Buch irgendwann schreiben. Ich bin eine Person, die immer gerne in Projekten denkt, und bin sehr froh, dass ich mittlerweile meine Kreativität in ganz verschiedene Richtungen ausleben kann. Ich kann einfach alles machen.
Vielen Dank für das Gespräch.
Paula Carolina live:
Di., 22.10., Zoom, Frankfurt, 20 Uhr
Weitere Infos unter:
www.paulacarolinamusik.de
www.instagram.com/paulacarolinamusik | www.facebook.com/ paulacarolinamusik
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