©Annika Weinthal
Dota
Seit zwei Jahrzehnten steht Dota Kehr für kluge Texte, poetischen Pop und künstlerische Eigenständigkeit. Nach ihren erfolgreichen Mascha Kaléko-Vertonungen schlägt sie mit ihrer Band auf „Springbrunnen“ wieder persönlichere Töne an – nachdenklich, aber mit ungebrochener Leichtigkeit. Im Interview spricht die Berliner Musikerin über ihr neues Album, warum sie Social Media kritisch sieht und weshalb sie die Dinge am liebsten selbst in der Hand behält. FRIZZmag: „Springbrunnen“ klingt wie ein Neustart mit vertrauter Handschrift. Was war der allererste Impuls für diese Platte – ein Bild, ein Satz, ein Gefühl? Dota: Der Wunsch, wieder etwas Bewegteres zu machen. Mir hat es sehr viel Freude bereitet, mit den Mascha Kaléko-Liedern auf der Bühne zu stehen, aber ich hatte einfach wieder Lust auf Clubkonzerte und auf eine eher etwas „punkigere“ Art, mit meinen Texten auf die Gegenwart einzugehen. Ich wollte es wieder etwas ungezähmter angehen. Und ein weiterer, wichtiger Impuls für das Album war die Frage: „Woher Hoffnung nehmen?“ Zum Beispiel im Hinblick auf die Klimabewegung. Es wurde sicher viel erreicht, und trotzdem fällt es schwer, die Hoffnung aufrechtzuhalten, dass es noch gelingen kann, den Klimawandel abzuwenden. „Alles glänzt“, einer der Songs des neuen Albums, geht darauf ein. Musstest du dir nach der „Dichtersprache“ der zwei Kaléko-Alben erst deine eigene Stimme zurückerobern – oder war sie immer da und hat nur gewartet? Ich habe die Stücke von „Springbrunnen“ alle bereits während der Zeit unserer Kaléko-Konzerte geschrieben. Diese Stimme war also die ganze Zeit da. Ich habe bei unseren Konzerten auch immer wieder mal eines der neuen Stücke gespielt. Aber diese Lieder mussten warten, bis wir sie veröffentlichen konnten. Bei einem Stück, „Wenn dir das reicht“, bedaure ich das auch etwas, denn das würde ich wohl so heute nicht schreiben. In dem Song geht es darum, dass man sich gerne einfach nur mit Symbolpolitik zufriedengibt und dadurch echte Forderungen auf der Strecke bleiben. Diesen Text hatte ich allerdings vor der zweiten Trump-Präsidentschaft geschrieben. Inzwischen ist man ja fast schon froh, wenn wenigstens Symbole übrig bleiben. Welche Themen oder Stimmungen ziehen sich für dich durch „Springbrunnen“? Du hast die neuen Lieder ja in sehr bewegten Zeiten geschrieben. Gibt es einen roten Faden, der die Songs verbindet? Das Phänomen, welchen großen Platz Social Media mittlerweile in den Köpfen einnimmt, hat sich mir geradezu aufgedrängt. So viele Leute informieren sich politisch fast nur über die sozialen Medien, und darin liegt eine riesige Gefahr, weil das Level an Desinformation einfach sehr groß und nicht kontrollierbar ist. Im Presserecht gibt es ja Obergrenzen für die Marktanteile, die meinungsbildende Medien haben dürfen. Auch für Social Media müsste das längst greifen, wenn diese denn dem Presserecht unterstellt wären. Ich habe deshalb auch bei der Aktion „Save Social“ mitgemacht, die es zur Aufgabe gemacht hat, Social Media als demokratische Kraft zu retten. Es gibt einige Stücke auf dem Album, die sich mit dem Thema „Social Media und Manipulation“ auseinandersetzen – in humorvoller und Ernster Form. Deine Texte wirken oft leicht, obwohl sie ernste Themen tragen. Wie gelingt dir dieser Balanceakt zwischen Poesie und Haltung, ohne belehrend zu wirken? Das ist mir auch sehr wichtig, denn es liegt mir fern, andere Leute zu belehren. Bei meinen Texten ist es mir zunächst wichtig, dass sie gut klingen, dass eine Musikalität zu hören ist. Und zum anderen möchte ich diese Leichtigkeit. „Springbrunnen“ fasst sicher einige ernste Themen an, aber es gibt durchaus auch lustige Lieder auf dem Album. Wie mir diese Balance konkret gelingt, kann ich gar nicht genau sagen. Vielleicht liegt es daran, dass ich die ganz düsteren Lieder immer schon vorab aussortiere. Die schreibe ich nämlich auch. Es muss halt einiges miteinander beim Songschreiben harmonieren. Gerade bei den politischen Liedern gilt: Nur weil man ein wichtiges Thema hat und weiß, was man dazu sagen möchte, hat man noch lange kein gutes Lied. „Kleingeldprinzessin Records“ steht auch diesmal auf der Albumhülle – DIY im besten Sinn. Was ist heute der größte Vorteil, ohne große Plattenfirma zu arbeiten, und an welcher Stelle wünschst du dir manchmal die „große Maschinerie“? Ich kenne es ja gar nicht anders als mit meinem eigenen Label, weil ich das von Anfang an so gemacht habe. Der große Vorteil liegt hier sicher in der sehr einfachen Kommunikation. Bei meinen Veröffentlichungen habe ich alle Fäden in der Hand und weiß, wann ich wo ziehen muss. Ich fände es eher nervig, wenn ich mich hierbei dauernd mit anderen Abteilungen abstimmen und warten müsste, wie das bei großen Labels eher der Fall ist. Ich habe die Dinge gerne selbst in der Hand. Vieles machen wir aber auch innerhalb der Band und haben uns die Aufgaben als Team gut aufgeteilt. Was hingegen bei dem neuen Album etwas frustrierend war: Wir haben keine einzige Playlist bekommen. Hier bei „Spotify“ und Co. reinzukommen, ist mit einem großen Partner einfacher, könnte ich mir vorstellen. Und das Festivalbooking könnte mit einer größeren Agentur einfacher laufen, denke ich. Wir machen ja auch unser Booking selbst, und für die Clubtourneen läuft das auch sehr gut, aber auf Festivals sind wir eher weniger vertreten. Viele kennen dich durch die Kaléko-Programme. Wie stark färbt diese Erfahrung jetzt auf deine eigenen Texte ab? Gibt es Stellen auf „Springbrunnen“, die ohne Mascha Kaléko so nicht entstanden wären? Ja, würde ich schon sagen. Was ich auf jeden Fall von Mascha Kaléko gelernt habe, ist, meine Texte noch mehr zu verdichten. Ihre Texte sind sehr knapp, ganz wenige Zeilen. Da habe ich bei mir öfter den Rotstift angesetzt. Zum Beispiel das Stück „Der Frühling“, das das Album eröffnet, hätte es wohl ohne die umfassende Lektüre der Kaléko-Texte nicht gegeben. Ich sehe in dem Stück etwas von ihrer Art, die Dinge zu beobachten. Bevor das Album erschien, habt ihr neue Stücke live angetestet. Was hat die Bühne an den Songs verändert – Tempo, Dynamik, Textzeilen? Und welcher „Springbrunnen“-Titel hat live die größte Eigendynamik entwickelt? „Das wogende Meer“ ist zum Beispiel ein Song, auf den ich live zunächst gar nicht so gesetzt hätte. Das ist live ein sehr berührender Moment in den Konzerten. Und wir arbeiten bei einem Stück das allererste Mal in unserer Bandgeschichte mit einer Choreografie. Es gibt da ein paar Takte nur Keyboardsolo, weswegen Bassist und Gitarrist die Hände frei haben. Den Moment haben wir genutzt und uns gemeinsam mit einer Freundin von mir, die Choreografin ist, etwas Schönes einfallen lassen. So etwas haben wir bis dato noch nie gemacht, und das ist ziemlich lustig geworden. Hinter dir steht seit Jahren eine feste Band. Was macht die aktuelle Besetzung – Rohrbach, Reising, Görlich, Binder – für dein Songwriting unverzichtbar? Gibt es Beispiele, wo ein Band-Einfall Songs auf den Weg gebracht hat? Auf jeden Fall! Es gibt auf „Springbrunnen“ sogar zwei Stücke, die von anderen Bandmitgliedern geschrieben worden sind. Bei „Das wogende Meer“ kommt die Musik von Alex Binder, und ich habe den Text geschrieben, und „Alles glänzt“ stammt aus der Feder unseres Schlagzeugers Janis Görlich mit einem Text von mir. Wobei ich diese Musik, zum Beispiel bei „Das wogende Meer“, eine ganze Weile mit mir rumtrage, bis ein Text dazu entsteht. Auf Abruf funktioniert das nicht. Ich habe aber Skizzenbücher, in die ich über die Jahre immer schreibe. Dort schaue ich immer wieder sporadisch rein, und manchmal springt mich dann eine Zeile an. Und wenn diese Zeile gut ist, dann transportiert sie das ganze Gefühl, das ich in dem Moment hatte, als ich sie aufgeschrieben habe. Und dann verwende ich sie. Du hast zahlreiche Platten in ganz unterschiedlichen Konstellationen aufgenommen. Wenn du auf deine bisherigen Stationen zurückblickst: Welche Platte markiert für dich die größte Zäsur? Und warum? Ganz einschneidend war „Keine Gefahr“ von 2016. Das war das erste Mal, dass wir so richtig Radio-Airplay hatten. Und auf dem Album gibt es den Song „Grenzen“, der bis heute sehr viel Beachtung findet und viel in Schulen oder bei Theaterstücken verwendet wird. Und „Mittelinselurlaub“ von 2003 fällt mir ein. Das war die erste Begegnung mit Danilo Guilherme, einem Komponisten aus Fortaleza, von dem ich sehr viel gelernt habe. Ich habe seine Stücke arrangiert und er meine, das war eine wirklich schöne Zusammenarbeit. Wir haben im Anschluss immer den Kontakt gehalten und vor zwei Jahren dann endlich ein weiteres gemeinsames Album, „De repente Fortaleza“, aufgenommen. Du bist generell mit Brasilien sehr verbunden. Du hast dort ein Auslandsstudium absolviert, sprichst fließend Portugiesisch und hast nach deiner Zusammenarbeit mit Dan auch das Album „Schall und Schatten“ mit verschiedenen brasilianischen Musikern aufgenommen. Gibt es da weitere Ideen für Kooperationen? Vielleicht. Ich kann aktuell schwer sagen, was die Zukunft bringt. Was neue Projekte anbelangt, ist gerade alles offen. Was mich sehr freut, ist, dass sich gerade die Gelegenheit abzeichnet, mit den brasilianischen Musikern noch einmal einige Konzerte zu spielen – aber diesmal in Brasilien. Das letzte gemeinsame Album mit Dan wurde nämlich auch in Brasilien durchaus gut rezipiert, aber es gab leider keine Konzerte dazu. Und aktuell sieht es so aus, dass wir das im kommenden Jahr nachholen, und vielleicht ergibt sich dann auch noch einmal die Gelegenheit, etwas gemeinsam aufzunehmen. Zum Schluss eine DIY-Frage für junge Acts: Welche konkreten Learnings aus „Springbrunnen“ – von Finanzierung bis Release-Timing – kannst du jungen, unabhängigen Bands mitgeben? Eine wichtige Empfehlung: sich immer um einen großen Verteiler für den E-Mail-Newsletter zu kümmern! Man sollte sich nicht nur auf den Algorithmus verlassen oder darauf, dass Veranstalter auch wirklich Plakate aufhängen oder Werbung schalten. Ein guter E-Mail-Verteiler ist eine echte Stärke, und deshalb habe ich mich immer intensiv darum gekümmert. Ein anderer Punkt ist Social Media. Ist natürlich wichtig, klar. Aber das Thema kann fast unbegrenzt Zeit und Energie fressen. Da sollte man sich sehr feste Grenzen setzen, damit genügend freie Zeit und Freiheit im Kopf bleibt, um an seiner Musik zu arbeiten und originelle Sachen zu entwickeln. Ich kämpfe da selbst jeden Tag mit mir. Aber ich halte da ein gesundes Verhältnis für sehr wichtig, um eine nachhaltige künstlerische Existenz aufbauen zu können. Vielen Dank für das Gespräch.
Dota & Band live: So. 23.11., Centralstation, Darmstadt, 20 Uhr Weitere Infos unter: WEBSEITE | FACEBOOK | INSTAGRAM
FRIZZ verlost 3x2 Tickets für das Konzert in der „Centralstation“.
Bitte sende eine E-Mail mit deinem vollständigen Namen und Kontakt an verlosung@frizzmag.de. Betreff: „DOTA“ Einsendeschluss: 18.11.2025 Die Gewinnbenachrichtigung erfolgt per E-Mail
