Seit drei Dekaden begeistern „Frau Doktor“ nun schon mit ihrem kongenialen Ska-Punk-Soul-Sound zahlreiche Fans, haben unzählige Shows gespielt und diverse Alben veröffentlicht. Homebase war und blieb immer: Wiesbaden. Am 5. April ist die Band in ihrem „Wohnzimmer“, dem Wiesbadener „Schlachthof“, live zu Gast und spielt eine fulminante Show zum Bandjubiläum. FRIZZmag hat Sänger Bernhard „Üni“ Erler vorab zum Gespräch getroffen. FRIZZmag: Als ihr vor 30 Jahren mit „Frau Doktor“ angefangen habt, war Ska nicht unbedingt wahnsinnig angesagt – 1995 waren Britpop, Drum'n'Bass und Alternative Rock auf dem Höhepunkt und Bands wie „Oasis“, „Chemical Brothers“ und „The Smashing Pumpkins“ das musikalische Maß der Dinge. Woher kam damals eure Liebe zu Ska, Punk und Soul? Üni: Bei mir hatte das einen ganz pragmatischen Hintergrund. Ich war damals in zwei Punkbands und meine Stimme hat die Schreierei so langsam nicht mehr mitgemacht. Also habe ich mir überlegt, ob’s nicht was anderes Musikalisches für mich gibt. Einige Jahre vorher gab es in Wiesbaden die „Turnaround Turtles“, das waren die Ska-Helden der Stadt und kamen noch aus der „2-tone“-Zeit (hiermit ist die zweite Ska-Welle der frühen 1980er-Jahre gemeint mit Bands wie „The Specials“ und „Madness“, Anm. d. Red.). Die „Turtles“ hatten’s mir immer schon ziemlich angetan. Als Punk war der Mainstream nie interessant für mich, aber Ska hatte was. Also habe ich Sebi, einen meiner Punk-Schlagzeug-Kollegen, gefragt, ob wir nicht gemeinsam eine Ska-Band starten wollen, und kurz darauf war „Frau Doktor“ geboren. Ihr wart damals neben den „Busters“ aus Heidelberg und „Ska Trek“ aus Darmstadt eine der ersten Ska-Bands hierzulande. Mittlerweile ist Ska fester Bestandteil der hiesigen Musiklandschaft, über 250 Ska-Formationen werden alleine auf „bandliste.de“ aufgezählt. Ska-Punk-Bands wie „Broilers“ sind regelmäßig in den Charts und füllen größte Hallen. Freut dich diese Entwicklung? Im Grunde ja. Aber zum Geldverdienen reicht das für die meisten Bands noch lange nicht. Und die großen Bands haben sich musikalisch eher vom Ska wieder weg entwickelt, wie beispielsweise die „Broilers“, die heute mit Ska eigentlich gar nichts mehr am Hut haben. „Sondaschule“ war so auch eine Band, die als Ska-Truppe gestartet ist und inzwischen so etwas wie „Deutschrock“ macht. Nichtsdestotrotz gibt es jede Menge toller neuer Skabands und es kommen auch immer wieder neue dazu. Es ist halt auch ein Genre, das Bands den Einstieg recht leicht macht. Im Grunde funktioniert der Groove schon ab der ersten Probe. Und viele Combos entwickeln sich richtig gut und haben echt was drauf. Im breiten Mainstream ist das Thema aber nach wie vor nicht wirklich angekommen. Die globale Ska- und Rocksteady-Szene war und bleibt sehr aktiv. Es gibt regelmäßige Partys, die „Rude Boys & Girls“ achten auf Authentizität und Dresscodes. Warum hat diese Musik immer noch so eine Wirkung auf die Leute? Schwer zu sagen. Ska bietet eine gute subkulturelle Nische. Eine überschaubare Community, in der man sich sehr wohlfühlen kann. Und es gibt viele tolle Veranstaltungen von der Szene für die Szene, wie beispielsweise das „Freedom Sounds Festival“ in Köln. Das sind wunderbare Leute, die eine „Die Hard“-Community hinter sich haben. Aber Ska ist auch eine eher ältere Szene. Viele sind schon lange dabei und eng mit ihrer Musik verbunden. Ich kenne kaum Teenies, die auf Ska stehen. Ska hatte seine Hochzeit in Europa – und vor allem im UK – in den 1970er- und 1980er-Jahren. Bei aller Verehrung für die Vergangenheit geht die Ska-Szene aber auch durchaus mit der Zeit. Die Bands haben alle Websites, sind auf „Facebook“ und „Instagram“, und die Szene findet viele Infos auf Portalen wie „allksa.de“. Wie wichtig ist das Internet mittlerweile für eine derart global vernetzte Szene wie die eure geworden? Enorm wichtig, keine Frage. Wobei wir auch hier wieder eher „oldschool“ sind, denn für uns ist Facebook noch voll das Ding und viele unserer Fans sind auch eher dort zu finden. „Oldschool-Internet“ mit „FB“ und Website ist schon sehr wichtig für den Austausch mit unseren Leuten und anderen Bands, da findet eine sehr gute Vernetzung statt. Aber auch das gute alte „Plakate kleben“ kommt bei uns nicht aus der Mode. Für unser Jubiläumskonzert war ich gerade in der Stadt und habe wieder ein paar Poster aufgehängt. Ihr seid all die Jahre über eurer Szene und ihrem Sound sehr treu geblieben. Gleiches gilt für eure Heimatstadt. Was allerdings verwundert – ihr verfügt über zahlreiche Vernetzungen in andere, größere Städte. Warum hat die Musik nicht aus Wiesbaden herausgeführt? In Berlin oder Köln, der heimlichen „Ska-Hauptstadt“, wäre es für eine Band wie „Frau Doktor“ unter Umständen einfacher gewesen. Mag sein, aber als das bei uns anfing, besser zu laufen, war für die meisten von uns der Zug in Sachen Musikkarriere einfach schon abgefahren. Die meisten hatten mittlerweile parallel ihre Ausbildung oder ihr Studium abgeschlossen und sind Grundschullehrer und anderes geworden. Ist ja auch logisch, eine Karriere mit der Band war ja nicht abzusehen und es war sehr unwahrscheinlich, irgendwann von der Musik leben zu können. Wie etwa „The Police“ nach Amerika zu gehen, um dort groß zu werden, das ist uns nicht vergönnt gewesen (lacht). Bereits im Dezember wurde ein großes Jubiläum gefeiert: Der „Schlachthof Wiesbaden“ hat ebenfalls sein 30-jähriges Bestehen gefeiert. Welchen Stellenwert hat der „Schlachthof“ für die Band „Frau Doktor“? Der „Schlachthof“ hat eine riesengroße Bedeutung für uns, klar! Da haben wir ja unsere größten Erfolge gefeiert. Schon bevor die Halle zum „Schlachthof“ wurde, hatte ich dort mit meinen Punkbands geprobt. Wir haben dann von Anfang an in der Halle mitgewerkelt und uns eingebracht. Der „Schlachthof“ war schon immer unsere Homebase und sicher auch ein Grund, warum wir in Wiesbaden geblieben sind. 2010 habt ihr euch nach 15 gemeinsamen Jahren erstmals „aus familiären Gründen“ aufgelöst, 2012 habt ihr zur Eröffnung der neuen „Schlachthof“-Halle ein „allerletztes Abschiedskonzert“ gespielt. 2015 gab's dann noch eine Rückkehr auf die Bühne und dann noch mal, bis ihr 2018 augenzwinkernd vermeldet hattet, dass die „Auflösung gescheitert sei“. Scheint so, als sei „Frau Doktor“ mittlerweile für jeden von euch die Zweitfamilie auf Lebenszeit geworden? Das kann man schon so sagen, ja. Trotz Trennungen sind wir ja immer miteinander befreundet geblieben und haben uns nicht in alle Richtungen verstreut. Im Herzen hat die Band für uns eh nie aufgehört zu existieren. Von daher war auch die Frage nach den Abschiedskonzerten, warum wir eigentlich aufgehört haben, wenn das gerade auf der Bühne wieder so geil war, ziemlich schnell beantwortet. Die Veröffentlichung eures letzten Albums „Onkel Punk“ liegt bereits fünf Jahre zurück. Wie sieht es denn mit neuem Material aus? Zum Jubiläum hätte man eigentlich auch mit einem neuen Album oder zumindest einer Retrospektive gerechnet. Ist da was in Planung? Wir haben da leider ein Zeitproblem. Es war schon eine echte Herausforderung, „Onkel Punk“ aufzunehmen. Und das hat nur funktioniert, weil einige von uns die Kernarbeit gemacht, also Songs geschrieben und im Studio die Basics vorbereitet haben. „Onkel Punk“ war also das erste Album von uns, das wir nicht als komplette Band zusammen aufgenommen haben, sondern Stück für Stück. Zum jetzigen Jubiläum wollten wir eigentlich eine Single veröffentlichen, aber wir haben es wie gesagt leider zeitlich nicht hinbekommen. Zeit ist echt ein großer Faktor bei allen Unternehmungen, an unserer Motivation liegt es auf jeden Fall nicht. Aber wir sind halt keine Drei-Mann-Kombo. Zudem war und ist unser Gitarrist Manni schwer erkrankt und wir wissen noch nicht, ob er weiterhin bei „Frau Doktor“ als Songwriter und auf der Bühne wird mitmischen können. Wenn du so an die letzten 30 Jahre Bandgeschichte zurückdenkst – welche Highlights fallen dir spontan ein und welche schlimmen Erinnerungen würdest du lieber gerne vergessen? Besonders großartig war ganz sicher unser Trip vergangenen Oktober nach Barcelona, als vier von uns die Kollegen von „Dr. Calypso“ besucht haben. Die hatten sich ebenfalls wiedervereinigt und zwei riesige Konzerte in ihrer Heimatstadt gespielt. Das war natürlich auch mit einer Menge Nostalgie verbunden, weil der Besuch und die Konzerte mich und die anderen immer wieder an die tollen gemeinsamen Tourneen von „Frau Doktor“ und „Dr. Calypso“ erinnert haben. Das war eine hammergute Zeit immer in Spanien – was waren wir jung und unbeschwert! Bis auf die schwere Erkrankung von Manni fällt mir keine negative Erinnerung in Verbindung mit der Band ein. Aber das war ein ziemlicher Schock, definitiv! Zur großen Jubiläumssause am 5. April habt ihr eure Freunde von „Dr. Calypso“ aus Barcelona und das „Freedom Sounds DJ Team“ aus Köln in den „Schlachthof“ eingeladen. Kannst du mehr über eure Gäste erzählen? Die Idee, „Dr. Calypso“ zu unserem Jubiläum einzuladen, kam uns bei unserem erwähnten Besuch in Barcelona. Das war zunächst nur so eine fixe Idee und wir waren echt baff, als das dann wirklich konkret wurde und schließlich geklappt hat. „Dr. Calypso“ kommen extra für das Konzert rübergeflogen und spielen nur diese eine Show. Das wird grandios! Es gibt da diesen Song von „Dr. Calypso“, „The Power Of The Latin Soul“ – das trifft deren Spirit sehr gut, finde ich. Die haben eine große Unbeschwertheit und feiern Livemusik noch mal ganz anders als wir hier in Deutschland. Und wir freuen uns total, dass „Dr. Calypso“ ihr Latin-Ska-Brett auch bei uns im „Schlachthof“ präsentieren werden. Und die „Freedom Sounds“-Leute dabei zu haben, ist ebenfalls eine echte Herzensangelegenheit! Die machen, wie schon erwähnt, ganz wunderbare Ska-Events in Köln und Umgebung und wenn man irgendwie hierzulande was mit Ska und Party plant, kommt man an denen einfach nicht vorbei. Da geht’s nicht nur um die Mucke, sondern auch um die Community. Vielen Dank für das Gespräch. Benjamin Metz Weitere Infos unter: www.fraudoktor.de www.facebook.com/FrauDoktorSkaPunkSoul www.instagram.com/FrauDoktor.Ska.Punk.Soul FRIZZmag präsentiert: „Frau Doktor“ live Sa., 5.4., 20 Uhr, Schlachthof, Wiesbaden
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Bitte sende eine E-Mail mit deinem vollständigen Namen und Kontakt an verlosung@frizzmag.de. Betreff: Frau Doktor Einsendeschluss: 4.4.2025 Die Gewinnbenachrichtigung erfolgt per E-Mail.
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