Du bist der einzige in unserer Familie, sag ich zu meinem Vater, der das noch verhindern kann. Wieso sollte ich, sagt mein Vater, das Land ist froh, dass das Regierungsvakuum zu Ende geht. Und außerdem hat die SPD personell das Maximum rausgeholt. Aha, mal wieder Posten vor Inhalte, sag ich. Wie das in die Hose gehen kann, hat euer größter Sichselbstdemontierer ja gerade bewiesen. Vor einem Jahr, sagt meine Mutter, habt ihr ihn noch weg. seiner klaren Haltung zum Messias hochgehypt.
Schon ein ordentlicher Vorsitzendenverschleiß, sag ich. Scholz statt Schulz verheißt schon akustisch wenig Neues, sagt meine Mutter. Und bei der neuen ausgeguckten Erneuerin läufts auch nicht gerade wie geschmiert, sag ich, aber die Nahles mags ja, wenns quietscht. Ich hätte vor einem Jahr auch nicht gedacht, sagt mein Vater, dass ich den Gabriel mal gut finde. Er hätte Respekt verdient, sagt meine Mutter, schon alleine wg. der Freilassung von Deniz Yücel. Erledigt doch die Ministerposten gleich mit beim Mitgliederentscheid, sag ich, und die Vorsitzenden-Wahl am besten auch.
Seit der GroKo-Verkündung, sagt meine Mutter, scheint wenigsten wieder öfter die Sonne. Ein wahrlich anachronistischer Zusammenhang, sag ich. Wir hatten einfach nur den sonnenärmsten Winter seit 70 Jahren. Vielleicht hatte die Sonne einfach nur Mitleid, sagt mein Vater. Die Sonne schien, da sie keine Wahl hatte, auf nichts Neues, sag ich. Ah ja, sagt meine Mutter, sehr poetisch. Nicht von mir, sag ich, Samuel Beckett, Murphy. Das ist doch der mit dem Gesetz, fragt meine Mutter.
Was schiefgehen kann, wird auch schiefen, sagt mein Vater. Kurz gesagt: GroKo, sag ich, aber ich meinte eigentlich den Roman. Und aktuell hat das Katja Kipping zitiert. Jaja, sagt meine Mutter, deine Nähe zu den Linken. Sei froh, sag ich, du glaubst nicht, wie viele bei mir an der Uni die FDP gut finden. Irgendwie auch nachvollziehbar, sagt mein Vater. Wie bitte, sag ich, seid ihr Sozen jetzt vollständig orientierungslos?
Zur Neuerfindung der SPD fehlen noch ein paar Ideen, sag ich, ihr solltet mal auf die Jüngeren setzen, auf die Unverbrauchten, die Grünen habens gerade vorgemacht. Im Bund vielleicht, sagt mein Vater, in Darmstadt werden die Etablierten gerade von ihrem eigenen Klientel vorgeführt, der Radentscheid ist ne richtige Ohrfeige. Ich seh das nicht so, sagt meine Mutter, das ist lebendige Demokratie. Warn das jetzt die sieben mageren grün-schwarzen Jahre, sag ich, oder schon die sieben fetten? Verkehrswenderisch hoffentlich die mageren, sagt mein Vater.
Aber wohnungsbaulich gehts voran, sagt meine Mutter. Aha, sagt mein Vater, wo? Marienplatz, Starkenburg-Kaserne, sagt meine Mutter. Realisierbar ist davon nix mehr in dieser Wahlperiode, sagt mein Vater. Immerhin aber sehr gute Vorlagen, sagt meine Mutter. Für den Marienplatz gefühlt der 744ste Plan, sag ich, diesmal also ein Hochhaus. Aber man soll ja auch die Fortschritte würdigen: Stadtwache, Mängelmelder und ein zweiter Streichelzoo im Vivarium, mit Fettschwanzschafen. Yeah, ruft mein Vater, wir wollen Taten sehn! Oh je, sag ich, das klingt wie: Wir wolln euch kämpfen sehn.
Das Thema Lilien lassen wir besser, sagt mein Vater, 1 Punkt im Februar, ich hatte insgeheim auf 15 gehofft. Das nennt man sachgrundlose Hoffnung, sag ich, und der Schuster könnte am Ende zum Schulz der Lilien werden. Wir könnten ja nen Mitgliederentscheid machen, sagt mein Vater, ob die Lilien lieber absteigen sollen oder sich doch noch mal ne Runde an der 2. Liga beteiligen. Verstanden, sag ich, du wirst also der GroKo zustimmen. Ich weiß es noch nicht, sagt mein Vater, das einzige was ich weiß, ist, dass ich will, dass die Lilien nicht absteigen. Und was hat das mit der SPD und der Groko zu tun, frag ich. Nix, sagt mein Vater, außer dass niemand eine Erneuerung in der 3. Liga braucht. F