
©Thea Nivea
Thea Nivea Glosse
Thea Nivea
Hi, ich bin Thea Nivea. Nivea hab ich von meinem Vater. Weil ich als Kind mal Nivea gegessen habe. Erklärt er jedem, ders nicht hörn will. Überhaupt erklärt er reichlich viel. Damit ich durchblicke, sagt er. Dabei blick ich schon durch, sogar bei Politik. Oder bei Fußball. Und erklär ihm auch manchmal was. Oder meine Mutter mischt sich ein. Was dabei raus kommt, na ja, könnt Ihr selbst lesen, jeden Monat. Wenn Ihr mir was erklärn wollt, schreibt mir einfach: t.nivea@frizzmag.de
Jetzt können wir ja, sag ich, wieder zur Tagesordnung übergehen. Ordnung, sagt mein Vater, ich sehe überall nur Chaos und Katastrophen kommen. Dann lass uns über den Darmstädter Doppelhaushalt reden, sag ich. Ich würde schon gerne noch mal über die Bundestagswahl reden, sagt meine Mutter. Aber nur über das Ergebnis, sagt mein Vater, wir müssen nach vorne schauen. Gut, sag ich, was wäre schlimmer für die SPD: Regierung oder Dschungelcamp? Begib dich nicht auf RTL-Niveau, sagt meine Mutter. Im Ernst, sagt mein Vater, wars bei ARD und ZDF besser? Ich fands ein interessantes Experiment, sag ich, alle acht Parteienvertreter das Schlussstatement gleichzeitig sprechen zu lassen. War vielleicht besser so, sagt meine Mutter, dass man nix davon verstehen konnte. Also, frag ich, was meint ihr, wie gehts weiter? Bayern fliegt gegen Bayer raus aus der CL, sagt mein Vater. Wie gesagt, sagt meine Mutter, ich würde schon gerne über das Wahlergebnis reden. Okay, sag ich, geile 82,5 % Wahlbeteiligung und ich wette, alle in unserer Familie haben Die Linke gewählt. Das würde die sensationellen fast 9 % erklären, sagt mein Vater. Also kein Widerspruch, sag ich, oder Mama? Ich habe Zweifel, sagt mein Vater, wegen der finalen Anti-Linke-Kampagne der Grünen. Jedenfalls, sag ich, die Linke ist drin, da lagen wir richtig. Kann man so sehen, sagt mein Vater. Haben wir Merz zu verdanken, sagt meine Mutter, und seinem Tabubruch. Eine Steilvorlage, sagt mein Vater, die Heidi Reichinnek sauber verwandelt hat. Die Linken können halt auch TikTok, sag ich. Merz hats sogar unter die 29 % geschafft, sagt mein Vater, wie von uns erwartet. Mehr hat jemand, sagt meine Mutter, der nicht versteht, warum Darmstadt so links ist, auch nicht verdient. Mit dem Halbieren, sag ich, hats ja auch nicht so geklappt, die AfD hat nicht 5 sondern 20 %. Leider auch das wie erwartet, sagt mein Vater. Kein Wunder, sagt meine Mutter, wenn man das Thema Migration so hoch hängt. Vor zwei Jahren hat das 7 % der Deutschen interessiert, sag ich, kurz vor der Wahl über 50. Hat der CDU aber nix gebracht, sagt mein Vater, gewählt wird eh das Original. Sorry, sag ich, SPD und Grüne unterscheiden sich in ihrem Narrativ auch nur noch knapp vom Original. Kommen wir, sagt mein Vater, mal zu den Abkackern. Tut mir gut, sagt meine Mutter, dass die FDP draußen ist. Und auch diese selbsternannte Populismus-Ikone, sag ich, wenn auch arschknapp. Seitdem die weg ist, sagt meine Mutter, streitet sich die Linke nicht mehr. Bald haben sie wieder, sagt mein Vater, genug Leute für ne Spaltung. Billiger Sprüche-Klau, sag ich, liest du immer noch die Titanic? Heimlich, sagt mein Vater. Offiziell, sagt meine Mutter, freut er sich jeden Samstag über dein F.A.S.-Geschenkabo. Und darüber, sagt mein Vater, dass die SPD deutlich vor den Grünen ist. Womit Papa der Wahltipp-Punktsieger ist, sag ich. Und leider nur Schwarz-Rot geht, sagt meine Mutter. Das allerdings, sag ich, macht nicht so viel Bock auf Zukunft. Die USA marschiert stramm auf eine Autokratie der Milliardäre zu, sagt meine Mutter, das macht auch nicht so viel Bock. Und der Orangenmann, sagt mein Vater, macht nen Deal mit Wladi, verpasst der Ukraine einen Diktatfrieden und Europa steht dumm daneben. Und muss sich jetzt, sag ich, selbst um seine Verteidigungsfähigkeit kümmern. Kriegstüchtigkeit, sagt meine Mutter, würde das der derzeit beliebteste deutsche Politiker nennen. Das treibt die Verteidigungsausgaben in die Höhe, sagt mein Vater. Und deshalb, sag ich, bejubelt so ne Börsentante in der ARD den neuen Konjunktur- und Jobmotor Rüstungsindustrie. Schöne neue Welt, sagt meine Mutter. Das Endstadium des Kapitalismus, sagt mein Vater. Ein Abgrund, sagt meine Mutter, gegen den unsere lokalen Probleme ein Witz sind. Ich verstehe, sag ich, unser Darmstädter Haushaltsloch ist ein Hügel dagegen. Und dass wir keinen direkten Vertreter mehr in Berlin haben, sagt meine Mutter, ist der Gipfel. Gott sei Dank, nun ists vorbei, sagt mein Vater, wird von den Dreien jedenfalls keiner sagen. Genau, wir sind nur, sag ich, der Katastrophe eine Wahl näher gekommen.