
©Thea Nivea
Thea Nivea Glosse
Thea Nivea
Hi, ich bin Thea Nivea. Nivea hab ich von meinem Vater. Weil ich als Kind mal Nivea gegessen habe. Erklärt er jedem, ders nicht hörn will. Überhaupt erklärt er reichlich viel. Damit ich durchblicke, sagt er. Dabei blick ich schon durch, sogar bei Politik. Oder bei Fußball. Und erklär ihm auch manchmal was. Oder meine Mutter mischt sich ein. Was dabei raus kommt, na ja, könnt Ihr selbst lesen, jeden Monat. Wenn Ihr mir was erklärn wollt, schreibt mir einfach: t.nivea@frizzmag.de
Hast du eigentlich, frag ich meinen Vater, dem Koalitionsvertrag zugestimmt? Was hättest du mir denn empfohlen, fragt mein Vater. Rein machtreorganisatorisch, sag ich, kann man den ja nicht ablehnen. Merz macht alles, sagt meine Mutter, um in seinem Leben noch mal Kanzler zu werden. Wenn auch nur kurz, sag ich, diese Koalition wird nicht lange gut gehen. Sie muss, sagt mein Vater, alle sind sich der Verantwortung bewusst. Das Sein bestimmt das Bewusstsein, sag ich, du selbst hast mir immer erklärt, dass die materiellen Grundlagen das gesellschaftliche Leben bestimmen. Dein Vater, sagt meine Mutter, stand in seiner Jugend auf den zwei großen Karls. Ich weiß, Marx und May, sag ich, aber im Ernst, was heißt Finanzierungsvorbehalt denn anderes als: Ihr könnt euch eure Ideologien schenken, wenn die Kohle fehlt? Trotz riesiger Schulden, sagt meine Mutter. Sondervermögen, sagt mein Vater. Egal wie mans nennt, sag ich, entscheidend ist, wofür. Für den Klimaschutz, sagt meine Mutter, und für die Verteidigungsfähigkeit. Und die gesamte marode Infrastruktur, sagt mein Vater. Ja, alles klar, sag ich, aber der Rest ist eben nicht klar. Was genau meinst du, fragt meine Mutter. Mütterrente, Agrardiesel, Gastro-Mehrwertsteuer, sag ich, Pendlerpauschale, Elterngeld, Mindestlohn, Einkommensteuer, nix davon ist schon entschieden. Doch, sagt meine Mutter, die Forderungen der CSU, die sind safe. Man muss in einer Koalition Kompromisse eingehen, sagt mein Vater. Ein Finanzierungsvorbehalt, sag ich, ist eine vertagte Entscheidung, kein Kompromiss, viele sind doch genauso faul, wie sie es bei der Ampel waren. Da ist was dran, sagt meine Mutter. Die Konflikte, sag ich, gehen doch schon los, dem Merz ist was anderes wichtiger als Saskia Esken. Und Merz ist so dumm, sagt mein Vater, er sondert seine Vorbehalte schon vor der Wahl zum Kanzler ab. Das wird, sag ich, einige SPD-MdBs davon abhalten, ihn zu wählen. Dumm würde ich nicht sagen, sagt meine Mutter, Merz ist unklug. Politisch dumm ist, sagt mein Vater, wenn man zu jedem Zeitpunkt sagt, was man denkt oder weiß. Prinzipiell betrachtet, sag ich, wäre das aber ein schöneres Scheitern, als zum falschen Zeitpunkt zu lachen oder mit 97 durch die Stadt zu brettern. Wie lange gibst du dieser Koalition, fragt mein Vater. Falls sie, sag ich, zustande kommt. Für die Kanzlermehrheit, sagt meine Mutter, wirds schon irgendwann reichen. Darmstädter, sagt mein Vater, werden damit jedenfalls nix zu tun haben. Von drei MdBs auf null, sagt meine Mutter, das ist schon tragisch. Einen Mann hätten wir haben können, sag ich, Frau Mannes hätte eben nicht gewinnen dürfen. Erklär das mal CDU-Wählern, sagt mein Vater. In Hessen, sagt meine Mutter, sind wir jetzt aber mit fünf statt drei MdLs vertreten. Ich weiß, sag ich, euer famoser Ewald ist nachgerückt und für die CDU Hartwig Jourdan. Dem gönn ichs sogar, sagt mein Vater. Na dann, sag ich, wie war eigentlich euer Urlaub in Hamburg? Sehr cool, sagt meine Mutter, lauter freundliche, entspannte Menschen. Du weißt, fragt mein Vater, warum deine Mutter nach Hamburg wollte? Weil, sag ich, weil halt Hamburg, in Berlin wart ihr ja gerade. Sie hat Stadt und Quartier nach dem Wahlergebnis ausgewählt, sagt mein Vater. Ottensen, Altona, St.Pauli, sagt meine Mutter, 80 % Grün-Rot-Rot. Würd ich auch bundesweit nehmen, sag ich. Dann, sagt meine Mutter, wär ich zuversichtlicher. Schwarz-Rot, sag ich, ist auch zuversichtlich, ich zitiere: Die Politik der kommenden Jahre wird maßgeblich darüber entscheiden, ob wir auch in Zukunft in einem freien, sicheren, gerechten und wohlhabenden Deutschland leben. Was ist daran zuversichtlich, fragt mein Vater. Geht ja noch weiter, sag ich: Wir wissen um diese Verantwortung und richten unser Handeln und unsere Politik daran aus. Das, sagt meine Mutter, macht mich eher skeptisch. Moment, sag ich, und lese weiter: Wir tun dies im Wissen um die Stärke unseres Landes und unserer Demokratie. Genau daran zweifle ich gerade, sagt meine Mutter, das löst bei mir eher Weltuntergangsstimmung aus. Dann schaun wir mal, sag ich, was am 30. Mai passiert.