„Wenn dein Kopf fit ist, stimmt auch dein Körper."

Aytac Sulu im Gespräch mit Mitsch Schulz

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© Mitsch Schulz

Aytac Sulu, gebürtiger Heidelberger, 28 Jahre alt, Spielführer der Lilien, hat nach seiner Jugend und Stationen in Hoffenheim und Aalen auch in der Türkei und Österreich gespielt. Vor eineinhalb Jahren kam er zum SV 98. Kurz vor seiner schweren Verletzung im Spiel gegen Ingolstadt redeten wir über seine Lebenseinstellung, seine Zukunftspläne, über Familie und kulturelle Unterschiede zwischen der Türkei und Deutschland.

FRIZZ: Was ist für dich neben dem Fußball wichtig? 

Aytac Sulu: Abschalten mit der Familie und nicht über Fußball reden. Wenn ich frei habe, bin ich bei meiner Familie. Zuhause kann ich einfach am besten abschalten. Wenn ich bei meiner Tochter und meiner Frau bin, fühle ich mich einfach wohl und kann am besten relaxen. Ich bin seit 4 Jahren mit meiner Jugendliebe verheiratet, wir haben uns kennenglernt, als sie 14 und ich 16 Jahre alt war. Zum Glück wohnen aber auch fast alle anderen Familienmitglieder in der Nähe. Ich mag es, wenn am Wochenende der ganze Familienclan da ist. Dann geht es mir gut und es ist gut, über andere Dinge als über Fußball zu reden. Nach meinen Stationen im Ausland hat die Anfrage von Darmstadt vor eineinhalb Jahren ge- nau gepasst. Wir wohnen wieder daheim, ich hab einen guten Verein erwischt, der zwar nicht auf Rosen gebettet ist, wie wir alle wissen, aber auch hier geht es sehr familiär zu und das gefällt mir. Wenn es einem im Verein gut geht, spielen dann auch andere Faktoren eine große Rolle. In Österreich habe ich mich nicht so wohl gefühlt, das war zwar sportlich ok, aber irgend- wie hat es uns dort nicht gefallen. In der Türkei war das Leben schön, aber sportlich hat es nicht gepasst. Jetzt ist es genau richtig.

FRIZZ: Spürst Du auch in der Familie kulturelle Unterschiede, gibt es deswegen Probleme? 

Aytac Sulu: Ich bin mir eigentlich immer sehr sicher bei dem, was ich mache. Meine Eltern sind coole Türken, sie haben uns (meinen Geschwistern und mir) nie etwas vorgeschrieben, was wir machen müssen. Sie haben uns immer an der langen Leine gelassen, aber die Leine noch in der Hand gehalten. Das hat uns sehr geprägt. Sie haben uns alle Freiheiten gegeben, aber wir ha- ben sie nicht ausgenutzt. Uns wurde nie etwas aufgezwungen. Meine Eltern haben immer alles akzeptiert, was ich gemacht habe. Im Endeffekt muss ich ja damit klar kommen und nicht sie. Ihnen war auch immer egal, ob ich eine türkische oder deutsche Frau habe. Wichtig war für sie, ob ich mich wohlfühle. Meine Frau hat, glaube ich, zu meinen Eltern noch ein besseres Verhältnis als ich. Alleine daran sieht man, dass die Nationalität keine Rolle spielt. Insgesamt ist das Leben in der Türkei besser, die Leute sind relaxter und verstehen besser zu leben. Wenn bei uns abends um 20 Uhr alles dicht gemacht wird und die Leute darauf warten ins Bett zu gehen, geht in der Türkei das Leben erst richtig los. In der Türkei ist zu viel unorganisiert und in Deutschland ist zu viel organisiert, eine Mischung würde beiden Ländern gut tun. 

FRIZZ: Wie sieht es bei Dir mit Religion aus... 

Aytac Sulu: Klar, der Glaube ist da, ich bin aber nicht der Moscheegänger. Einer meiner Freunde betet viel, aber wir waren immer in einer Clique mit völlig verschiedenen Leuten, zwei Türken, ansonsten Deutsche, Russen und so. Ich bin sehr Multikulti aufgewachsen. Man hat ja seinen eige- nen Kopf. Ich habe eine Konfession, das ist gut, aber ich gehe nicht dauernd in die Moschee oder spreche 5 Gebete am Tag. Das ist ein schwieriges Thema. Unabhängig vom Glauben ist es letztend- lich entscheidend, ob Du ein guter oder schlechter Mensch bist. 

FRIZZ: ...und Politik ? 

Aytac Sulu: Ich bin zwar kein politischer Mensch und habe nicht das Gefühl, etwas verändern zu können, aber es nervt, was da z.B. im Gazastreifen abgeht. Es muss doch nicht sein, dass Zivilisten, Frauen, Kinder getötet werden... dann sollen sie halt Leute finden, die gerne töten wollen und die sich auf einem Feld treffen wie früher und sich die Köpfe einschlagen. Dann ist alles ok und es werden keine Zivilisten betroffen. Klar, am besten wäre kein Krieg! Ich kriege auch mit, was in der Türkei passiert mit Erdogan oder der Frage nach dem EU Beitritt, aber ich bin hier aufgewachsen und bin eher Deutsch orientiert. Mich interessiert das schon, aber ich habe jetzt keine Pro oder Contra-Haltung. 

FRIZZ: Du hast eine 2-jährige Tochter, was ist für dich in der Erziehung wichtig? 

Aytac Sulu: Wichtig ist, dass man weiß, wo man herkommt, dass man den Respekt nicht verlieren darf vor den Eltern, vor den Älteren, dass man ehrlich zu sich sein sollte und zu seiner Familie. Wenn man ehrlich zu sich ist, ist man auf dem richtigen Weg und kann das Leben angehen. Mei- ne Tochter ist jetzt zwei Jahre. Es ist eine große Aufgabe, Kinder zu erziehen und das sollte man so gut wie möglich machen. Ich kann mir auch noch mehr Kinder vorstellen, 2,3 oder 4. Da redet meine Frau aber auch noch ein Wörtchen mit (lacht). 

FRIZZ: Was sind deine Ziele, hast Du Träume? 

Aytac Sulu: Ich will so lange spielen wie möglich, auch auf höchstem Niveau, vielleicht bis 34. Ich bin jetzt nicht gerade der Langsamste. Von daher denke ich nicht, dass ich innerhalb von 2-3 Jahren auf diesem Level verlieren werde. Deswegen will ich noch ein paar Jährchen aktiv spielen. Natürlich träumt man auch in ganz weiter Ferne von der Bundesliga. Wir haben ja jetzt auch bewiesen, wie schnell etwas gehen kann. Man muss sich immer Ziele setzte. Es geht immer noch ein bisschen mehr und höher, wenn man seine Leistung bringt. Natürlich spielt Glück dann auch eine große Rolle. Dann kann man träumen und Träume können auch wahr werden, das habe ich auch damals in der dritten Liga gesagt. Es steht nirgendwo geschrieben, dass Träume niemals wahr werden. Aber primäres Ziel ist ge- sund bleiben und möglichst von größeren Verletzungen verschont zu bleiben. Aktuell studiere ich nebenbei Sportmanagement, ein Fernstudium, da bin ich im Januar 2015 fertig. Vielleicht fange ich dann irgendwann mit dem Trainerschein an, aber das weiß ich noch nicht genau. Außerdem habe ich eine Ausbildung als Automobilkaufmann. Ich kann mir auch vor- stellen, wieder in einem Autohaus zu arbeiten, der Kontakt zu anderen Menschen und zu kommunizieren ist ja auch etwas Schönes. Aber jetzt will ich erst mal noch ein paar Jährchen Fußball spielen. 

FRIZZ: Sind Freunde wichtig? 

Aytac Sulu: Das Thema Freunde ist immer schwierig für einen Fußballer. Man hat ja seine Freunde in der Heimatstadt. Ich war sechs Jahre weg, da ist der Kontakt nicht mehr so da. Wenn Du irgendwo spielst und dann wechselst, nimmst Du in der Regel eins, zwei oder maximal drei Freunde mit, mit denen du später noch Kontakt hast oder mit denen Du dich regelmäßig triffst. Für mich ist es jetzt schön, dass ich in Darmstadt bin und wieder zuhause wohne und so der Kontakt zu den früheren Freunden wieder intensiver wird. 

FRIZZ: Seid Ihr wirklich so ein eingeschworenes Team? 

Aytac Sulu: Wir hatten letztes Jahr hier einen zusammengewürfelten Haufen, der nicht einfach so funktioniert hätte, wenn wir nicht ein verschworener Haufen wären. Es ist einfach, so was zu sagen und viele Vereine sagen das von sich, aber wir haben das wirklich gelebt und auch gefühlt und sind jetzt auch wieder auf einem guten Weg. Wir haben ja einen Großteil der Mannschaft zusammengehalten. Die Leute, die neu dazugekommen sind, bekommen das, was diesen SV Darmstadt 98 - das, was uns ausmacht - immer mehr eingepflanzt. Das läuft auf Hochtouren. Es gab auch schon ein paar Aktionen, wo man ge- merkt hat, dass die Spieler dieses „Darmstadt 98 Feeling“ langsam begriffen haben. Ein Beispiel dafür ist, dass, wenn ein Spieler auf dem Platz ein Problem mit einem Gegenspieler hat, die anderen nicht weggucken, sondern dazukommen und helfen. Das ist ein gutes Zeichen. 

FRIZZ: Du machst immer einen sehr positiven und gut gelaunten Eindruck, was regt Dich eigentlich auf? 

Aytac Sulu: Eigentlich regt mich kaum etwas auf. Dinge, bei denen ich sowieso nichts tun kann, kümmern mich weniger. Was ich nicht leiden ist, wenn Leute lügen und Ungerechtigkeiten. Was mich wirklich aufregt, das z.B. Kinderschänder zwei Jahre Haft kriegen und einer, der z.B. Steuern hinterzieht, vier Jahre. Da könnte ich ausflippen. Das verstehe ich nicht... 

FRIZZ: Was sind deine wichtigsten Eigenschaften? 

Aytac Sulu: Ich würde von mir behaupten, dass ich ehrlich bin, direkt, ich bin eigentlich recht freundlich und auf jeden Fall hilfsbereit... 

FRIZZ: Vielen Dank Aytac und gute Besserung!

www.sv98.de

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