Ein Ball aus Einsen und Nullen

Der SV Darmstadt 98 geht mit virtuellem Fußball auf Tuchfühlung

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©SV Darmstadt 98 e.V.


Es ist die erste Saison, an der das E-Sport Team des SV 98 teilnimmt. Noch steckt das Phänomen in den sprichwörtlichen Kinderschuhen, doch die Szene birgt Potenzial. Wir haben uns mal einen Spieltag der Videospiel-Lilien angesehen.

W  Es ist die erste Saison, an der das E-Sport Team des SV 98 teilnimmt. Noch steckt das Phänomen in den sprichwörtlichen Kinderschuhen, doch die Szene birgt Potenzial. Wir haben uns mal einen Spieltag der Videospiel-Lilien angesehen.

Es riecht nach Spätzle, Pilzrahm-Soße und Energydrinks – Gerüche, die wir so aus dem Stadion nicht kennen. Das mag daran liegen, dass es auch kein Stadion, sondern dieKOKE GmbH ist. Gekickt wird hier trotzdem. Das Software-Unternehmen im Pfungstädter Industriegebiet ist nebenbei noch Sponsor des E-Sport Teams von Darmstadt 98 und es ist der 10. Spieltag der Virtuellen Bundesliga, kurz VBL. Für Publikum und Spieler wurde ein kleines Buffet aufgebaut, überall stehen große Monitore, auf denen die Spiele übertragen werden.

In der sogenannten „E-Sport Area“ ist Tumult ausgebrochen, die Technik versagt. Adrian Starkbaum alias „MittelTuer017“, einer der beiden E-Sportler an diesem Abend, ist unzufrieden. „Ich habe eben noch zu Hause gespielt und als ich herkam, hab ich einen Unterschied bemerkt“, erklärt der Spieler. Wenn er den Stick an seinem Controller bewegt, reagiert der Spieler auf dem Bildschirm minimal zeitversetzt, doch das reicht aus, um ein Spiel zu entscheiden. Schnell wird ein HDMI-Kabel angebracht, das die Funkübertragung ablöst, und alles ist wieder im Lot.

Gespielt wird FIFA 19 auf der PlayStation 4, entweder eins gegen eins oder auch als Doppel. Adrians Teamkollege heißt Luca Bernhard alias „Luca_B3rn“. Kurz bevor das Match beginnt, stellt Adrian seine Mannschaft zusammen, alles „analoge” Spieler, die die Lilien aktuell verpflichtet haben. Dann wird die Aufstellung angepasst, die Controller-Einstellungen überprüft und … Anpfiff. Die Fans sitzen gebannt hinter dem Sportler auf original Stadionsitzplätzen und beobachten das Geschehen auf einem zweiten Bildschirm. Der erste Gegner an diesem Abend heißt Wolfsburg.

Insgesamt vier Jungs kicken für die Lilien an der Konsole. Sie stehen bei dem Verein für eine Spielsaison, die von Januar bis März andauert, unter Vertrag und wurden bei einem Auswahlturnier rekrutiert. Momentan befinden sich 22 Teams aus der realen 1. und 2. Bundesliga in der VBL. In 231 Spielen entscheidet sich, wer am Ende German Club Champion wird. Nicht nur der Ruhm und die Aufmerksamkeit locken, das Preisgeld für den Sieger beträgt 25.000 Euro.

E-Sport, kurz für Electronic-Sport, ist schon lange kein Nischenphänomen mehr. Mit Preisgeldern im zweistelligen Millionenbetrag und bis zu 20.000 Menschen Live-Publikum hat sich die Videospielwelt in nur wenigen Jahren rasant verändert. Diese Zahlen beziehen sich jedoch auf Spiele wie Dota 2, League of Legends oder Counter Strike, Fußball ist - anders als im realen Leben - nur eine Randdisziplin. „Ich glaube, kein Verein hat mehr als 100 Zuschauer. Wolfsburg streamt das Spiel nicht mal“, erklärt Fabian Ortkamp. Er trägt die Verantwortung für die E-Sport Mannschaft der Lilien, kümmert sich um die Spieler und plant die Events.

Auf besonders großen Widerstand stößt Fabian bei den eigenen Fans. „Sie behaupten, dass E-Sport zu kommerziell ist. Als Argument ist oft zu hören, dass der E-Sport für den Kommerz gegründet wurde, der Fußball sich andererseits nur dahin entwickelt hat“, erklärt er. Auch deshalb schauen sich an diesem Abend gerade mal 50 Zuschauer*innen das Spiel auf der Streaming-Plattform Twitch an.

Doch die Hoffnung ist groß, dass die Szene wächst und sich mehr Leute für die Spiele interessieren. „Ich sehe keinen Unterschied, ob sich die Leute ein echtes Spiel im Fernsehen oder ein E-Sport Spiel anschauen“, meint Ortkamp. Es gibt sogar einen echten Kommentator für die Darmstadt-Spiele in der VBL. 

Den virtuellen Lilien würden ein paar mehr Fans guttun. „Bei dem Spiel gegen Bochum war es richtig krass. Da sind so viele Tore gefallen, es gab Spielwendungen und die Zuschauer sind sogar aufgesprungen. Das pusht natürlich“, erzählt Adrian Starkbaum. An diesem Spieltag bleibt es dann bei zwei Niederlagen und einem Unentschieden, doch bis Ende März sind noch einige Spiele offen. „Das Ziel ist es, unter die Top 16 zu kommen“, so Fabian Ortkamp. Momentan steht der SV 98 auf Platz 21, aber zu Platz 16 fehlen nur acht Punkte – an einem Spieltag können neun Punkte gemacht werden. Nicht einfach, aber auch nicht unmöglich – wir drücken dieDaumen!

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