„Tu nicht so erwachsen.“

Jerôme Gondorf im Gespräch mit Mitsch Schulz

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© Mitsch Schulz

Jerôme Gondorf spielt seit 2013 eine zentrale Rolle bei den Lilien. Der gebürtige Karlsruher ist einer der Aufstiegshelden beim SV 98. Aber nicht nur wegen des Aufstiegs war das Jahr 2014 für ihn das perfekte Jahr. Bei einem Frühstück in einem Darmstädter Café reden wir über Familie, Jegos Werdegang, seine politischen Ansichten und Bielefeld.

FRIZZ: Wie sind Deine Familienverhältnisse?

Jerôme Gondorf: Ich habe einen älteren Bruder, drei jüngere Brüder und einen kleine Schwester. Wir sind 6 Kinder — alle Fußballer. Meine 4 Brüder kicken jetzt sogar alle in einem Verein, bei der Spvgg Durlach Aue in der Verbandsliga. Meine Eltern sind total sportgeprägt, Handball und Fußball. Meine Mutter war sogar erfolgreicher als mein Vater und hat es fast in die deutsche Fußballnationalmannschaft geschafft. Dann hat sie sich aber irgendwann für Familie entschieden und das hat ja auch geklappt! Obwohl mein Vater anfangs eigentlich keine Kinder wollte. Bei uns ist nie jemand zu kurz gekommen. Meine Eltern waren auf allen Sportplätzen in der Gegend. Meine Mutter als Jugendleiterin und mein Vater auch als Trainer.

Ich bin seit über einem halben Jahr verheiratet. Meine Frau und ich haben kurz nach dem Aufstieg geheiratet und sind dann auch in unser Haus gezogen. Nach dem Bielefeld-Spiel standen also schon die nächsten großen Projekte an. Da hab ich kaum den Aufstieg feiern können. Das Jahr 2014 war das perfekte Jahr, das werde ich nie vergessen.

Unsere ganze Familie wohnt relativ nah zusammen und das ist auch gut so, weil wir einfach viel zusammen sind. Das ist auch privat so, ich verbringe am liebsten meine Zeit mit meiner Familie.

FRIZZ: Wie erklärst Du den aktuellen Erfolg?

Jerôme Gondorf: Wir haben wirklich ein gutes Klima innerhalb der Mannschaft. Was bei uns ziemlich ausgeprägt ist, sind die Freundschaften in der Mannschaft. Unsere Fahrgemeinschaft mit Aytac, Benny und vorher auch mit Aaron ist schon toll, man lernt sich besser kennen und es entwickeln sich  Freundschaften. Da verzeiht man einem Mitspieler eher mal ein Fehler und man gönnt auch seinen Mitspielern mehr. Auch die Jungs, die in Darmstadt leben, machen viel zusammen. Und wenn es im Training mal rauer zugeht und richtig scheppert, dann ist es in der Kabine schon wieder vergessen. Das finde ich immer sehr  wichtig. Was auf dem Platz ist, muss auf dem Platz bleiben. Und danach ist es vergessen und es darf nie persönlich werden. Das ist eine Frage des Respekts und der ist bei uns ziemlich groß. Ich glaube, dass es jeder Mannschaft gut tut, wenn das Verhältnis im Team eher innig ist. Bestimmt haben wir nicht nur die einfachsten Typen in der Mannschaft, jeder Spieler hat irgendwelche Macken, aber jeder wird akzeptiert und das ist optimal. Da muss man aber auch dem Trainerteam und dem Management ein Kompliment machen. Welche Leute verpflichtet werden und wie die Mannschaft zusammengestellt wird, das ist eine hervorragende Arbeit. Aber auch das euphorisierte Umfeld hier in Darmstadt hab ich so noch nicht erlebt und die vielen tollen Fans, die sind schon richtig gigantisch. All das sind Teile des Erfolgs.

FRIZZ: Bielefeld ...

Jerôme Gondorf: Ja, das werde ich nie vergessen, so was passiert alle hundert Jahre. Ein Spiel, in dem alles drin war. Ein Spiel, in dem für uns alles gepasst hat. Ich hab ja ganz gut gespielt und hatte das Gefühl, ich mache heute vielleicht noch was. Dann bin ich kurz vor Schluss für Elton ausgewechselt worden und war erst sauer, weil ich dachte, es wäre besser gewesen, einen Abwehrspieler auszuwechseln. Elton machte das Tor und ich bin zu Sascha und habe gesagt: „Glückwunsch, alles richtig gemacht.“

Ich hab nach dem Abpfiff in Bielefeld erst mal geweint. Es war so unfassbar, was in diesem Spiel alles gepasst hat. Da waren Emotionen im Spiel, die kaum zu verarbeiten waren. Ich hab da echt ein paar Tage gebraucht, um das wirklich zu realisieren. Ok, man weiß dann, dass man nächste Saison 2. Liga spielt, aber so richtig verstehen konnte  ich das nicht. Schließlich war ja auch mein Lebenstraum auf einmal real. Ich wollte immer Fußballprofi werden und in den Top-Ligen Deutschlands spielen. 

FRIZZ: Wie ist Dein fußballerischer Werdegang?

Jerôme Gondorf: Ich hatte ja auch Rückschläge in meiner Karriere und habe jede Liga durchgemacht. Ich hab beim KSC nach der A-Jugend gedacht, dass ich übernommen werde, aber das hat nicht geklappt. Dann bin ich in die Verbandsliga und habe dann mein Abitur gemacht. Da dachte ich nicht wirklich, dass es mit meinem Profiwunsch noch was wird. Dann habe ich jede Liga nach oben durchgemacht, bin auch zweimal aufgestiegen. Irgendwie habe ich mir das alles erarbeitet. Aber ich hatte auch meinen Förderer in Dirk Schuster. Ich war damals in Durlach und Dirk Schuster hatte die Stuttgarter Kickers nach ihrem Abstieg in der Regionalliga übernommen. Irgendwann hat er mich mal gesehen und wollte mich holen. Mit 18-19 Jahren war ich nicht der Jerôme Gondorf der ich jetzt bin, ich war ein 10er wie man ihn von früher kennt, mit zwei Abräumern hintendran. Ich war schon so divenhaft und für die schönen Bälle zuständig. Da habe ich nicht vom Läuferischen gelebt wie heute, sondern ab und zu mal einen schönen Ball gespielt, ein schönes Tor geschossen und dafür habe ich mich feiern lassen. Das war so mein Problem, ich war noch nicht reif, sondern auch im Training zickig, hab ein gutes Spiel gemacht und dann wieder zwei schlechte.  Ja und dann kam zum Glück irgendwann der Anruf und ich hab mich entschieden, es nochmal zu probieren. Schritt für Schritt wurde ich dann gefestigter. Dirk Schuster hat mich von der Diva zu dem Spieler gemacht, der ich heute bin. Ich glaube, ich kann von mir sagen, dass ich niemals aufgebe und heute eher ein Läufer und Kämpfer bin. Und da bin ich Dirk Schuster brutal dankbar und versuche auch immer, noch das mit Leistung zurück zu zahlen.

FRIZZ: Was ist für Deine Persönlichkeit wichtig? 

Jerôme Gondorf: Ein schöner Spruch ist „tu nicht so erwachsen“ Ich finde es sehr wichtig, dass man immer noch ein bisschen Kind in sich trägt. Sonst wird es zu langweilig. Wir könnten uns sonst alle ein Plan ins Wohnzimmer hängen, wie man als Erwachsener zu leben hat und dann alle gleich werden. Ich bin froh, dass noch ein Stück Kind in mir ist. Das will ich immer beibehalten. Ich mache gerne Faxen. Mein Vater hat immer gesagt, dass ich, falls es mit dem Fußball nicht klappt, Comedian oder Schauspieler werden soll. Er meinte wirklich, dass ich auf eine Schauspielschule gehen sollte. Obwohl ich das sehr gerne daheim mache oder im

Jugendverein auf Feiern gemacht habe, bin ich aber unsicher und glaube, dass es sehr schwierig ist, davon zu leben. Es gibt jede Menge Schauspieler oder Comedians, die nicht von ihrem Job leben können. Natürlich denkt man immer, Schauspieler haben ein tolles Leben, aber das gilt wohl nur für wenige. 

FRIZZ: Hast du ein Lebensmotto?

Jerôme Gondorf: Alles ist für etwas gut.  Das heißt auch Dinge, die scheinbar nicht funktionieren oder negativ erscheinen, bringen dich weiter. Na klar, bin ich damals beim KSC nicht genommen worden. Aber dann hab ich Abi gemacht, das nächste Ziel in Angriff genommen und durchgezogen. Und das ist heute gut so. Wahrscheinlich wäre ich nicht hier, wenn das nicht so gekommen wäre. Ganz allgemein: Wenn etwas misslingt, versuche es wieder zu verändern. Wenn sich eine Tür verschließt, öffnen sich auch andere. Man muss aber derjenige sein, der den nächsten Schritt durch die Tür macht, sonst bleibt man ewig an der gleichen Stelle hängen.

FRIZZ: Glaubst Du im religiösen Sinne?

Jerôme Gondorf: Ich glaube, aber ich muss nicht jeden Sonntag in die Kirche gehen. Ich glaube, dass Teile auf der Welt zufällig sind, aber das auch vieles gegeben ist. Wir gehen mit der Familie immer an Weihnachten in die Kirche, das ist ein schönes Ritual, weil man auch immer viele Leute von früher trifft. Ich hätte auch kirchlich geheiratet, aber meine Frau ist nicht mehr in der Kirche und ich dachte, dass es dann auch scheinheilig wäre, kirchlich zu heiraten. Ich finde übrigens, dass der Glaube nicht immer etwas mit der Kirche zu tun haben muss. Ich mag das Zeremonielle und so haben wir dann unsere Hochzeit auch sehr zeremoniell aufgezogen.

FRIZZ: Bist du ein politischer Mensch? Wenn du etwas auf der Welt verändern könntest, was wäre wichtig für dich? 

Jerôme Gondorf: Ganz wichtig wäre für mich, dass alle Reichen 50 % von ihrem Reichtum abgeben müssten und das alles in die dritten Welt Länder investiert wird. Die Schere von Armut und Reichtum klafft immer weiter auf. Das ist viel zu extrem. Ich habe Abi in Gemeinschaftskunde gemacht und mich intensiv mit dem Thema beschäftigt. Ich glaube, dass wir heutzutage  die Möglichkeit hätten, das zu verändern. Ich weiß, dass bei uns in der westlichen Welt z.B. in Amerika auch viel gejammert wird, die Staaten bei uns sind verschuldet, aber man sieht, wie die Menschen leben. Da gibt es keine Demut, für das was man hat. Wenn man sieht, dass die Menschen in Nicaragua von einem Schälchen Reis am Tag leben und sich auf der anderen Seite z.B. ein Abramovic eine Yacht für fast eine Milliarde kauft, dann wird’s schwierig. Viele Promis haben eine Stiftung und viele reden davon, sozial zu sein. Ich weiß nicht, ob da wirklich viel passiert. Ich glaube, es gibt genug Reichtum auf der Welt, die Verteilung ist das Problem. Es könnte allen gut gehen, es muss ja nicht jeder reich sein. Aber zumindest für ein angenehmes Leben könnte es reichen.

FRIZZ: Vielen Dank für das Gespräch!

www.sv98.de

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