Stimmen zum Stadion-Neubau

des SV Darmstadt 98 e.V.

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Kerstin Lau

Fanbündnis Bölle

Besonders wichtig in unserem Stadionentwurf ist, dass es viele Stehplätze gibt, zum einen wegen der besonderen Böllekultur und natürlich, dass möglichst viele Menschen sich einen Stadionbesuch leisten können. Wir wollen auf drei Seiten im unteren Bereich Stehplätze, im oberen Bereich Sitzplätze. Die Verteilung der Fangruppen im Stadion sorgt für die besondere Böllekultur mit ihren Wechselgesängen und der sehr emotionalen Stimmung. Als wir den Entwurf der Stadt gesehen haben, mit allen Stehplätzen in der Südkurve waren wir wirklich schockiert.

Wir hoffen noch, dass die Stadt sich nicht gegen die Interessen und Bedürfnisse von Verein und  Fans stellt und unsere Wünsche ins Lastenheft aufgenommen werden. Ich wüßte auch ehrlich nicht, was dagegen spricht.

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Michael Weilguny

Geschäftsführer des SV Darmstadt 1898 e.V. 

Wir sind mit allen Beteiligten, sowohl der Stadt als Stadioneigentümerin und Bauherrin, als auch mit den Fans seit Monaten in sehr engem Austausch. Wir begrüßen es ausdrücklich, dass es diese Initiative der Fans gibt, die sich diesem Thema Stadionbau schon länger sehr intensiv und kompetent annimmt. In vielen Bereichen herrscht mittlerweile Konsens, bei einzelnen Punkten ergeben sich naturgemäß auch differenzierte Betrachtungsweisen, weil die Stadt als Eigentümerin und der Verein als Hauptnutzer sehr viele Sachverhalte im Blick haben und viele Zielgruppen (z.B.: DFL, Sicherheitsbehörden, Nachbarn, Anrainer, Sponsoren, VIPs etc.) parallel bedienen müssen. Dazu gilt es natürlich, die Wirtschaftlichkeit des Projekts im Auge zu behalten und die Besonderheiten des Traditionsstandorts Böllenfalltor zu beachten. Unabdingbar für eine weitere positive Entwicklung der Lilien – und dies gilt es, bei allen Detaildiskussionen nicht zu vergessen – ist eine zeitnahe Umsetzung des Vorhabens.

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Rainer Burhenne

Wissenschaftsstadt Darmstadt

Ich kann nachvollziehen, dass die Fans — gerade die Steher — ihre Tradition auf irgendeine Weise erhalten wollen. Ich kann aber auch die Stadt und die DSG (Darmstädter Sportstätten GmbH & Co. KG) nachvollziehen, deswegen haben wir auch gesagt, wir wollen mit beiden Varianten ins Rennen gehen. Einmal die klassische, so wie die Stadien heute eben gebaut werden und einmal diese eher englische Variante der Fans; unten Stehen und oben Sitzen. Die Architektur wird uns ja vom Wettbewerber angeboten, wir legen einen Preis fest und dann müssen wir sehen, was uns gefällt und was nicht. Architektur ist ja auch Geschmackssache. Dann müssen wir am Ende schauen, was uns die Wettbewerber anbieten, denn das Budget ist ja festgelegt. Ich halte es für wichtiger, dass ein Stadion funktional ist und sich alle Fangruppen, die wir in Darmstadt haben, wohlfühlen und dann schauen wir aufs

Äußere, auf die Architektur.

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Markus Sotirianos

Fan- und Förderabteilung SV Darmstadt 1898 e.V.

Das Fanbündnis hat eine ziemliche eindeutige Vision, wie das Stadion aussehen könnte, der Verein hat dem ja auch schon ziemlich stark zugestimmt. Wenn man die Stadt hört, kommt zwar verständlicherweise immer wieder das Argument des Finanzierbaren. Ganz klar, das steht im Vordergrund und ist nachvollziebar: es geht um Steuergelder und Kosten, damit wirft man nicht um sich. Aber eine Stadt wie Darmstadt, eine Architekturstadt, eine Kulturstadt, sollte wenigstens eine Vision haben, wie so ein Stadion aussehen könnte. Es geht hier um einen Bau, der für etliche Jahrzehnte gebaut wird und wie die Stadt selbst betont, sind die Lilien ja bundesweites Aushängeschild für die Stadt. Da sollte man das Selbstbewußtsein haben und sagen, dass man eine Vorstellung oder eben eine Vision von einem Stadion hat. Da ist es sehr schade, dass man von der Stadt immer wieder nur von der Frage der Finanzierbarkeit hört.

Klaus Drach

Geschäftsführer der Darmstädter Sportstätten GmbH und Co. KG

„Das Schöne am bevorstehenden Vollumbau am ‚Bölle‘ wird sein, dass sich infrastrukturell nahezu ALLES verbessern wird. Gleichermaßen werden aber alle Beteiligten sehr sensibel darauf achten, dass der spezielle Charme und Charakter des Stadionareals soweit wie möglich erhalten bleibt“, so Klaus Drach. 

Klaus Drach ist seit dem 1. Mai neuer Geschäftsführer der Darmstädter Sportstätten GmbH und Co. KG (DSG). Drachs wichtigste Aufgabe ist die Organisation und Planung des Umbaus des Merck-Stadions am Böllenfalltor. Der studierte Diplom-Sportlehrer und ausgebildete Werbekaufmann bringt viel Erfahrung im Bereich des professionellen Sportmanagements mit. Der 46-Jährige war u.a. jahrelang Leiter Marketing und Vertrieb beim 1. FSV Mainz 05 e.V. und dem Vfl Wolfsburg und hat viele Erfahrungen im Bereich Sportmarketing und Sponsoring. In seiner Zeit in Mainz wurde das damalige Bruchwegstadion in der Anfangsphase umgebaut, erweitert und zum ersten Mal mit Businessbereichen und VIP-Logen ausgestattet. Drach war damals auch in die ersten konzeptionellen Planungsphasen des neuen Stadions, der COFACE ARENA, involviert. Zuletzt war er nach diversen Projekten als Selbstständiger als Leiter der Kommunikation & Öffentlichkeitsarbeit bei der Sparkasse Mainz tätig.

Kommentar von Mitsch Schulz

Die Diskussion um den Stadionumbau am Standort Böllenfalltor ist in vollem Gange. Alle Beteiligten, die Stadt Darmstadt als Eigentümer und Bauherr, der Verein SV Darmstadt 98 als Hauptnutzer des Stadions und das „Fanbündnis Bölle – Tradition hat Zukunft“, ein Zusammenschluss verschiedener Fangruppen der Lilien als Sammelbecken von Fan- und Zuschauerinteressen arbeiten mit unterschiedlichen Schwerpunkten fleißig an der Umsetzung.

Den schwierigsten Teil hat sicherlich die Stadt Darmstadt zu managen, die neben der Finanzplanung auch schwierige Verkehrsplanungen und die Einigung mit Anwohnern und Nachbarn zu meistern hat und gleichzeitig das Gesamtinteresse von Stadt und Bürgern beachten muss.

Für den Verein wiederum, der mehr als je zuvor Aushängeschild der Stadt ist und sich auf einem unglaublich sympathischen, sportlichen Höhenflug befindet, ist es dringend erforderlich, nach Jahrzehnten der Improvisation,endlich in einem leistungssport- und zuschauertauglichem Stadion Fußball zu spielen und Fußball anzubieten. Schon weil der Verein die Miete zahlen muss, besteht auch hier kein Interesse, ein teures Prunkstadion zu bauen. Die Funktionalität sowie die Wirtschaftlichkeit stehen auch bei den Überlegungen des Vereins an erster Stelle.

Beim Fanbündnis Bölle, das sich vor allem um die Fanfreundlichkeit eines neuen Stadions kümmern will, kommt bei dem Gedanken an ein neues Stadion nicht nur Freude auf. Zuviel steht auf dem Spiel, eine große bunte und aktive

Fanszene, gewachsene Strukturen im Stadion, liebgewonnene Gewohnheiten und eine Sicht auf die Dinge, bei denen das eigentliche Fußballspiel in seiner Reinkultur noch im Vordergrund steht. Dies alles gilt es bei einem Neubau zu verlieren und man weiß, dass viele Städte und Vereine bei Stadionneubauten schon nachweislich viele Fehler gemacht haben.

Das Fanbündnis hat nun einen eigenen bemerkenswerten Konzeptvorschlag für den Umbau des Stadions vorgelegt und diesen der Öffentlichkeit präsentiert (Infos unter www.bölle.de, hier findet man auch das Gesamtkonzept).

Neben einigen Pressevertretern und zahlreichen Fans waren sowohl Repräsentanten des Vereins als auch der Stadt anwesend. Der neue Geschäftsführer der Darmstädter Sportstätten GmbH, der schließlich für den Umbau und den Betrieb des Stadions verantwortlich ist, war leider erst gegen Ende der Veranstaltung anwesend und wollte sich daher auch nicht zum Konzept äußern. Das ist schade, muss aber nichts mit der Wertschätzung des Konzeptvorschlages zu tun haben. 

Dass die Stadtverordnetenversammlung Darmstadt in einem Beschluss schon vor längerer Zeit die potentielle Beteiligung von Fans und Bürgern ermöglicht hat, war klug und vorausblickend und zahlt sich jetzt aus. Das vorgelegte Konzept der Fans umfasst weit mehr als einseitige Faninteressen und bereichert die Diskussion an vielen Punkten. Themen wie Familienfreundlichkeit, behindertengerechte Plätze, Bewegungsfreiheit im Stadion bis hin zu den klassischen Fanthemen wie Stehplätze, Zaunfahnen und Akustik wurden in die aufwendige Planung mit einbezogen. Themen, die bei steriler, rein funktioneller, planerischer Herangehensweise oft vergessen werden, aber ein Stadion mit Leben füllen.

Das weder die Stadt Darmstadt noch der SV Darmstadt 98 und schon gar nicht die aktive Fanszene ein „nullachtfünfzehn“ Stadion wollen, dürfte schon an der Selbstwahrnehmung der Protagonisten deutlich werden. Die Wissenschaftsstadt Darmstadt mit dem Anspruch, wirtschaftlich, künstlerisch und kulturell ein Motor in Hessen und besonders für die südhessische Region zu sein (man stelle sich ein „nullachtfünfzehn“ Darmstadtium vor!). Der Verein, der schon immer etwas Besonderes auf der Fußballlandkarte Deutschlands (und gerade wieder medial beobachtet wird wie kein anderer Verein), und die aktive Fanszene die seit Jahren durch Aktivität und Kreativität besticht.

Die große Chance, trotz des schwierigen, aber traditionellen Standortes am Böllenfalltor in Darmstadt ein besonderes, wirtschaftlich sinnvolles Fußballstadion zu gestalten, besteht. Die Rahmenbedingungen sind nicht einfach, es gilt viele Schwierigkeiten zu beseitigen und unterschiedlichste Interessen zu integrieren. Aber es scheint als würden alle Beteiligten intensiv daran arbeiten. Viele Kompromisse wurden schon geschlossen, Verein und Fans sind schon sehr nahe beieinander. Und auch die Stadt befasst sich mit den Vorschlägen der Fans und scheint deren Konzept  nicht abgeneigt.

Eine Mixtur aus professioneller und ehrenamtlicher, leidenschaftlicher Arbeit. Verwaltung, Bürger und Verein bauen gemeinsam ein Stadion für die Zukunft, vielleicht sogar ein Schmuckstück, das bundesweit, zumindest in Sportkreisen, Beachtung findet. 

Eine Nachricht, die möglich ist und die in einer Zeit, in der Individual- und Finanzinteressen immer häufiger eine Gesellschaft dominieren, eine große Bedeutung hätte.

Letztendlich geht es doch darum, einen Ort für Generationen sportbegeisterter Bürger zu schaffen, an dem auch zukünftig viele unterschiedliche Menschen aus Darmstadt und der Region zusammenkommen, um leidenschaftlich ihre Stadt und ihren Verein zu unterstützen. Ein Ort, der durchaus als ein Aushängeschild für Stadt und Verein gesehen wird und in dem es möglich ist, weiterhin begeisterungsfähigen und attraktiven Fußball zu bieten.

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