Als Darmstadt in Flammen stand

Die Stadt gedenkt dem Bomberangriff vor 75 Jahren

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Zum Jahrestag der Darmstädter Brandnacht bereitet die Stadt ein umfangreiches Rahmenprogramm vor. Anlässlich des Ereignisses werfen wir einen Blick darauf, wie dieses Ereignis die Stadt und seine Bewohner*innen nachhaltig verändert hat. 

Ich bin mit den Geschichten meiner Großeltern aufgewachsen, wie sie als Kinder den Krieg erlebt haben, wie sie fliehen mussten, wie ihre Eltern starben. Ich höre immer wieder den einen Satz meiner Oma: „Als wir fliehen mussten konnte ich nur mein Puppe Helga mitnehmen und die hat dann oben aus meinem Rucksack rausgeguckt.“

Meine Generation ist wohl die letzte, die noch mit solchen persönlichen Schicksalen aufgewachsen ist. Auch von Ereignissen wie der Darmstädter Brandnacht bleiben immer weniger Augenzeugen und Augenzeuginnen, die uns erzählen können, was damals passiert ist.



Sterbende Geschichte


„Ich glaube, dass die Brandnacht bei der jüngeren Generation fast vollständig aus dem Gedächtnis verschwunden ist“, erklärt Peter Engels, Leiter des Darmstädter Stadtarchivs, „Dass man sich diese Zäsur der Darmstädter Geschichte verinnerlicht, das stirbt mit der älteren Generation, die das noch erlebt hat, aus.“  Selbst wenn das Verinnerlichen nicht mehr möglich ist, die Erinnerungen bleiben. Es ist einer der verheerendsten Luftangriffe des zweiten Weltkriegs gemessen an dem Verhältnis von Opfern zu Bewohner*innen.

Am 11. September ist es genau 75 Jahre her, dass britische Bomber um 23:55 Uhr tausende Brandbomben sowie Luftminen über der Stadt abwerfen und 99 Prozent der Alt- und Innenstadt zerstören. „Man muss sich vorstellen, die Brandnacht hat 20 Jahre nachgewirkt. Man ist hier zehn/zwölf Jahre nach dem Krieg immer noch durch Ruinen gelaufen“, so der Archivar. Ein Ereignis von solchem Gewicht hallt bis in die heutige Zeit nach.


Kultur und Krieg


Auch die Darmstädter Kulturszene nimmt sich dem Geschehenen an und verarbeitet das Trauma auf ihre Weise. Der Künstler Karl Deppert hält in seinem Gemälde „Sterbende Stadt – Darmstädter Totentanz 1944“ den Feuersturm fest, der die Stadt 1944 in Schutt und Asche legte, andere Künstler*innen wie Annelise Reichmann malen im dokumentarischen Stil die Ruinen der Stadt. Selbst in zeitgenössischer Literatur finden sich Spuren der Brandnacht – so zum Beispiel in dem Kriminalroman „Mosquito“ von Christian Gude, in dem eine britische Pilotenleiche im Großen Woog gefunden wird.

Ein wichtiger Aspekt, wenn es um die Brandnacht geht, ist die Frage nach der Schuld. Hat Darmstadt durch seine Mittäterschaft im Holocaust den Angriff auf sich gezogen oder kann das Bombardement der Briten als verbrecherischer Akt gewertet werden? „Die Opfer-Täter-Rolle im Bombenkrieg ist äußerst schwierig zu dokumentieren“, so Engels, „Ob die Darmstädter Opfer oder Täter waren, werden sie nicht zweifelsfrei klären können. Ein kleines Kind, das bei dem Angriff ums Leben kam, oder die gestorbenen Zwangsarbeiter können nicht als Täter gesehen werden. Sie haben bei allen Bombenangriffen eine Mischung aus Nazis, also den Bösen, und unschuldigen Leuten.“

Zum 75-jährigen Gedenktag sind verschiedene Programmpunkte in der Stadt geplant. Unter anderem wird die von Peter Engels kuratierte Ausstellung “75 Jahre Brandnacht – Die Zerstörung Darmstadts im zweiten Weltkrieg” rund um die Ereignisse vom 11. September 1944 eröffnet sowie ein kultur-literarischer Abend in der Centralstation am 10. September stattfinden. Gezeigt werden Gemälde, Fotografien und Dokumente rund um die Brandnacht, in einer Dokumentation kommentiert von Fritz Deppert.

Am 11. September 2019 wird Oberbürgermeister Jochen Partsch um 11 Uhr einen Kranz am Gräberfeld auf dem Waldfriedhof niederlegen und damit den Gedenktag einleiten. Am Abend wird es in der Centralstation einen öffentlichen Filmabend mit den Filmen “Brandmale” und “Running with mum – Der Weg meiner Mutter” geben.

Weitere Infos hier. 
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