„Der Herr der Zahlen“

Börsenprofi und Aktienanalyst Stefan Scharff


Die Wissenschaftsstadt Darmstadt beherbergt nicht nur Pharma- und Software-Spezialisten, sondern auch ausgewiesene Finanzspezialisten, die in Darmstadt leben und in der benachbarten Finanzmetropole Frankfurt im Bereich Börse arbeiten. Wir trafen Dipl.-Kfm. Stefan Scharff zu einem Spaziergang übers Oberfeld und die Rosenhöhe und haben ihn zu seiner interessanten Arbeit befragt. Er ist renommierter und mehrfach prämierter Aktienanalyst, der für verschiedene Banken tätig war, bevor er vor 18 Jahren sein eigenes Unternehmen SRC Research gründete.

FRIZZmag: Stefan, was hat dich als Darmstädter bewogen, am Finanzplatz Frankfurt zu arbeiten und dich dem Thema Aktienresearch zu verschreiben?

Stefan Scharff: Die Börse hat mich schon immer fasziniert, weil es darauf ankommt, sich wie ein guter Arzt einen Überblick über den Zustand eines Unternehmens zu verschaffen und dabei die Gesamtumstände, gewissermaßen die Umwelteinflüsse, im Blick zu haben. Wir sprechen dabei mit dem Management über strategische Ziele, deren Erreichung in der Vergangenheit und deren Maßnahmen für die Zukunft, und leiten daraus eine Prognose für künftige Gewinne und Dividenden ab. Und wenn wir richtig liegen mit unserer Einschätzung, dann wirkt sich das früher oder später meist auch in der Trefferquote aus.

Wie kam es zur Gründung von SRC Research und welche Branche betreut ihr schwerpunktmäßig?

Nach meinem BWL-Studium habe ich für die Landesbank Hessen-Thüringen und zwei weitere Banken gearbeitet, bevor ich eigene unternehmerische Akzente setzen wollte. Wir betreuen nun schon seit 2003 zahlreiche Firmen aus dem deutschsprachigen Raum, die an den deutschen Börsen bzw. in Wien und Zürich notiert sind, vor allem Immobiliengesellschaften. Einige sind Bestandshalter und erzielen stabile Mieteinnahmen, andere sind Immobilienentwickler, die die Projekte nach Fertigstellung oder manchmal auch schon während der Bauphase verkaufen. Wir geben institutionellen Anlegern und sehr vermögenden Family Offices eine Entscheidungshilfe, um Argumente für das Für und Wider einer Aktie abzuwägen. 

Zinsen auf Spareinlagen werden schon länger kaum noch angeboten. Würdest du daher am Aktienmarkt investieren? 

Ja, unbedingt. In der Tat gibt es keine nennenswerten Zinsen auf Sparguthaben mehr und das wird sich leider auch so schnell nicht ändern. An der Börse ist es wichtig, Trends zu erkennen und mit gesundem Menschenverstand an die Dinge heran zu gehen. Daneben gehört ein langfristiger Horizont von mindestens drei bis fünf Jahren dazu. Das unterscheidet Anleger von Zockern. Dabei muss man nicht unbedingt über Aktienfonds oder Börsenkörbe wie ETFs gehen, die einen Index abbilden. Denn im Index hat man wie in jedem Korb auch immer die weniger guten Firmen dabei, die man vielleicht selbst gar nicht in die engere Wahl gezogen hätte. Man kann auch selbst interessante Aktien finden, wenn man ein wenig mit offenen Augen durch die Welt geht oder sich sein eigenes Konsumverhalten anschaut. 

Kannst du ein Beispiel geben, wie man gute Aktien erkennt oder wie man in wichtige Trends investieren kann?

©Alexander Repp


Viele kaufen im Supermakt Knorr Suppen, Ben&Jerry’s oder Langnese Eis oder Lipton Eistee. Hinter allem steht der britisch-niederländische Unilever-Konzern, der stabil Dividende ausschüttet. Im Moment etwa dreieinhalb Prozent. Die Weltbevölkerung wächst, auch die Chinesen und Inder mögen vielleicht die Eiscreme.

Ein anderes Beispiel ist das Thema E-Mobilität. Tesla vertreibt das Model 3 seit etwa zwei Jahren in Europa und es läuft nicht schlecht. Der Tesla-Kurs hat sich auch gut entwickelt, dafür gibt es hier keine Dividende. Aber auch deutsche Autobauer wie VW oder BMW unternehmen Einiges in Richtung E-Mobilität und zahlen Dividenden, die über 3% - gemessen am aktuellen Kurs - liegen.

Ein letztes Beispiel sind vielleicht die neuesten Smartphone und Tablet Modelle von Apple und Samsung, die im Weihnachtsgeschäft der Renner waren, und es könnte auch hier lohnend sein, vielleicht statt drei oder vier Netflix Serien nur noch zwei zu schauen und daneben einfach mal Geschäftsberichte und Präsentationen von Firmen auf deren Homepage im Bereich Investor Relations zu durchstöbern. Wirtschaft und Börse kann sehr sehr spannend sein, gerade wenn man die ersten Kapitalerträge verdient hat.

Wichtig ist nur: Immer sein Kapital splitten, also nicht alle Eier in einen Korb legen. Und nicht alle Aktien zum selben Zeitpunkt kaufen, sondern eher häppchenweise.

Stefan, du hast in 2017 den Thomson Reuters Award als bester Europäischer Analyst für Immobilienaktien gewonnen. Eine sehr seltene Auszeichnung. 

Ja, das war ein sehr bewegender Moment. Es ist nämlich der Oscar unserer Branche und bisher haben ihn nur zwei Deutsche in über 20 Jahren für den Europäischen Immobilienbereich erhalten. Schön war auch, dass ich 2018 mit dem zweiten Platz unter über 70 Analysten nochmal das Podium erobern konnte.

Vielen Dank für das Gespräch und alles Gute für 2021.

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