20 Jahre Wissenschaftsstadt Darmstadt

Im August 1997 wurde der Stadt Darmstadt der Titel „Wissenschaftsstadt“ verliehen. Zur Wissenschaftsstadt musste Darmstadt nicht erst „gemacht“ werden, sie hat es sich über eine lange historische Entwicklung selbst erarbeitet. Die Genese dieser Entwicklung beschreiben unsere Gastautoren Michael Kolmer und Günther Bachmann.

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Seit dem 13. August 1997 trägt Darmstadt den bundesweit bekannten Ehrentitel „Wissenschaftsstadt“. Als die Hessische Landesregierung der Stadt Darmstadt den Ehrentitel der Wissenschaftsstadt verlieh, belegte dies einerseits den Anspruch der Stadt auf ein modernes Profil und bestätigte andererseits ihre Tradition bezüglich Bildung und Wissenschaft sowie die herausragenden nationalen wie internationalen Perspektiven. Dies jedoch war in den Anfängen der Wissenschaftsstadt weder gesellschaftlich allgemein akzeptiert noch der Stadtgesellschaft in der ganzen Dimension bewusst. Inzwischen schmücken sich viele Städte – meist selbsternannt – mit dem Titel Wissenschaftsstadt.

Die Genese der Wissenschaftsstadt Darmstadt ist allerdings eine ganz andere. Zur Wissenschaftsstadt musste Darmstadt nicht erst gemacht werden, sie hat es sich über eine lange historische Entwicklung selbst erarbeitet. Wissenschaft, Forschung und Kunst sind seit langem eng mit der Stadt Darmstadt verbunden. Große Denker, Erfinder und Forscher haben den Ruf der heutigen Wissenschaftsstadt begründet und so die Basis für das moderne Darmstadt geschaffen. Heute hat jeder vierte Darmstädter Beschäftigte mindestens einen Hochschulabschluss: ein in Deutschland besonderer Spitzenwert, der nur von wenigen anderen Städten erreicht wird.

Auf vielen Feldern hat sich Darmstadt seit der Verleihung des Titels Wissenschaftsstadt stark verändert. So hat sich die demografische Ausgangslage drastisch ins Gegenteil verkehrt, aus einer schrumpfenden Stadt der neunziger Jahre ist eine „Schwarmstadt“ geworden. Auch der Arbeitsmarkt, die Zahl modernster Unternehmen und die Wirtschaftsbereiche sind heute andere als vor 20 Jahren. Seien es die deutlich höheren Studierendenzahlen, die gewachsene Zahl der europa- bzw. weltweit anerkannten Forschungseinrichtungen in der Stadt oder die Erfolge der ESA bezüglich der Kometensonde Rosetta: die Wahrnehmung der Darmstädterinnen und Darmstädter sowie die Reputation der Stadt hat sich in den letzten 20 Jahren deutlich verändert.

Die demografische Entwicklung Darmstadts    

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Bei verschiedenen Rankings der letzten Jahre hat Darmstadt hervorragend abgeschnitten, zumeist bei Indikatoren wie der demografischen Entwicklungsperspektive, der Zahl der Unternehmen mit modernen Dienstleistungsangeboten oder bei der Zukunftsfähigkeit der Wirtschaft. Nach einem Bevölkerungszuwachs der Nachkriegsentwicklung wurde 1971/72 mit knapp über 142.000 Einwohnern ein Höhepunkt erzielt. Jedoch begann anschließend eine lang währende Phase der Suburbanisierung mit Bevölkerungsverlusten insbesondere ins unmittelbare Umland, die nur Anfang der 1990er-Jahre eine Unterbrechung durch Sondereffekte der Wende hatte. Die eigentliche Trendwende in der Bevölkerungsentwicklung vollzieht sich ab 1998, also früher als im Bundesdurchschnitt. Seither steigt die Bevölkerungszahl in Darmstadt kontinuierlich an, bis 2016 mit rund 160.000 Personen ein historischer Höchststand erreicht wird.

Gestützt auf die Analyse intraregionaler Wanderungsbewegungen kann man seitdem

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feststellen: die Suburbanisierung als über drei Jahrzehnte prägender Faktor der Stadtentwicklung ist zum Erliegen gekommen. Darmstadt befindet sich abgesichert in einer Reurbanisierungsphase mit starkem Wachstum der jungen Bevölkerung in der Stadt.

Denn die kleinere bis mittelgroße Großstadt mit einem wissens- und technologieorientierten Profi l ist in Deutschland mittlerweile ein wichtiger Träger des Trends zurück in die Stadt. Städte wie Freiburg, Karlsruhe, Heidelberg, Augsburg, Konstanz, Ulm oder Regensburg finden wir in dieser Städtegruppe und die Wissenschaftsstadt Darmstadt, die durchaus als Prototyp der „Schwarmstadt“-Entwicklung zu bezeichnen ist. Es liegt hier nahe, das Argument der Anziehungskraft der so genannten Kreativen Klasse nach Richard Florida einzuführen. Die drei Ts – Talente, Technologie und Toleranz – sind wissenschaftlich bisher praktisch unwidersprochen untrennbar mit dem Trend zurück in die Stadt verbunden. Zusammenfassend bedeutet dies, dass die positive demografische Entwicklung Darmstadts der beiden letzten Jahrzehnte ihre Grundlage in einer Kombination von Faktoren hatte: unter anderem in der Veränderung der Wirtschaftsstruktur, des spezifischen Arbeitsplatzangebotes, der Veränderung der Hochschullandschaft und weiterer Indikatoren.

Studierende und Universitäten in Darmstadt

Darmstadt erhielt 1877 seine erste Universität, als Großherzog Ludwig IV., dessen Reiterdenkmal auf dem Friedensplatz steht, der polytechnischen Schule den Titel „Großherzoglich Technische Hochschule zu Darmstadt“ verlieh. Damit war die Vorläuferinstitution der Technischen Hochschule bzw. der heutigen Technischen Universität gegründet. Sie hat immer wieder Spitzenleistungen in Forschung und Lehre hervorgebracht und neue Entwicklungen angestoßen. So hat sie 1882 „den Elektroingenieur erfunden“ – mit der Gründung des weltweit ersten Lehrstuhls für Elektrotechnik.

Die enge Verzahnung von wissenschaftlichen Spitzenleistungen, Forscherdrang und Erfindungsreichtum in Kombination mit Darmstadts Wirtschaft ermöglichte einen sich exponentiell steigernden Nutzen für beide Seiten wie das Beispiel der Mechatronik gezeigt hat. Die Unternehmen in der Stadt und der Region profitieren von hoch qualifi ziertem wissenschaftlichem Nachwuchs, und die drei Darmstädter Universitäten können ihren Studierenden durch enge Kooperationen, Drittmittelforschung und Personaltransfer optimale Karriere-Wege ermöglichen.

Auffällig ist der starke Zuwachs in der Zahl der Studierenden seit Begründung der Wissenschaftsstadt. Auch die Schwerpunktverlagerung der Studienfächer, z. B. bei der TU Darmstadt, hat zur hohen Attraktivität Darmstadts als Studienort beigetragen. Insgesamt sind heute rund 45.000 Studierende an den drei Universitäten bzw. Hochschulen der Stadt eingetragen.

Wissen und Bildung sind Voraussetzung für Zukunftsfähigkeit, Kompetenz und Schlüsselqualifi kationen: Darmstadt hat deshalb ein dicht geknüpftes Wissensnetzwerk aufgebaut, das Studierende und junge Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die in die „Schwarmstadt“ strömen, auf die Herausforderungen der sich drastisch verändernden Arbeitswelt vorbereitet. Neben der Technischen Universität, der h_da und der Evangelischen Hochschule Darmstadt gibt es vielfältige weitere Bildungseinrichtungen sowie Bibliotheken, Museen und Archive, die den „Bildungscluster“ erweitern.

Fazit

„Wissenschaftsstadt“ – diese Marke hat Darmstadt zu einer prosperierenden Stadt mit besten Zukunftsaussichten gemacht.

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