Chemikalien im Trinkwasser

Projekt „NeuroBox“ der h_da untersucht gesundheitliche Auswirkungen

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© Jens Steingaesser

Lebenselixier Wasser, unverzichtbar für Menschen, Tiere und Pflanzen. Doch Qualität und Chemie müssen stimmen. Immer mehr Chemikalien gelangen über den Wasserkreislauf ins Trinkwasser. Dahin, wo sie nicht hingehören. Selbst mit moderner Technik können nicht alle Schadstoffe herausgefiltert werden. Über ihre Wirkung auf Mensch und Umwelt ist bisher nur wenig bekannt.

Wasser ist Lebensmittel Nummer eins für den Menschen. Daher sind wir auf einen ökologisch und chemisch einwandfreien Zustand der oberirdischen Gewässer und des Grundwassers angewiesen. Regelmäßige, staatlich verordnete Kontrollen wie gewässerkundliche Untersuchungen sollen die Qualität des Wassers sicherstellen. Rückstände von Arzneimitteln, Pestiziden, Pflegeprodukten oder Hormonen sowie Reinigungsmitteln oder Nanotechnologie sind jedoch oftmals schwer zu identifizieren und passieren trotz modernster Technologie die Kläranlagen. Alleine die Vielzahl an Medikamentenrückständen mit ihren Einzelwirkstoffen ist komplex und fast unüberschaubar. Die Auswirkungen auf Mensch und Umwelt sind zum großen Teil noch unerforscht.

Der Appell an alle: Man sollte darauf achten, dass diese Schadstoffe erst gar nicht in den Wasserkreislauf gelangen. Das ist zwar nicht immer möglich, aber in bescheidenem Umfang kann jeder Einzelne dazu beitragen. Die notwendige Maßnahme: Die Forschung entwickelt geeignete Testbatterien, um schädliche Substanzen im Wasser zu identifizieren und einzuordnen.

Hier setzt das vom Umweltbundesamt koordinierte Verbundprojekt „NeuroBox“ an. Ziel ist es, Wasserversorgern und Behörden eine Testbatterie zur Verfügung zu stellen, mit der so genannte neurotoxische Substanzen erkannt und bewertet werden können. An der Hochschule Darmstadt (h_da) untersucht Dr. Petra Waldmann vom Fachbereich Chemie- und Biotechnologie in einem Teilprojekt von „NeuroBox“ auf zellulärer Ebene potenzielle Auswirkungen hormonell wirksamer Stoffe auf die Zellentwicklung (Differenzierung) und das Nervensystem. Die Forschung wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert. Bis zum Jahr 2020 sollen Ergebnisse vorliegen.

Neurotoxische Substanzen schädigen das Nervensystem. Manche Stoffe wie einige Phthalate (Weichmacher), Pestizide und Alkylphenole haben außer einer hormonartigen auch eine neurotoxische Wirkung. Sie wurden in Studien wiederholt mit Entwicklungsverzögerungen bei Kindern, Autismus, Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom (ADS) und weiteren negativen Effekten in Verbindung gebracht. Deshalb sind in der EU bereits mehrere dieser Substanzen in vielen Produkten verboten. Im Rahmen eines Vorgängerprojekts haben die beteiligten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler bereits eine Testbatterie entwickelt. Speziell für den Bereich der neurotoxischen Substanzen gibt es jedoch eine Forschungslü- cke. „Wasserversorger finden immer mehr Stoffe im Wasser, die sie schlecht einschätzen können“, sagt Dr. Petra Waldmann, Toxikologin im Fachbereich Chemie- und Biotechnologie der h_da. Das Verbundprojekt „NeuroBox“ hat die Aufgabe, für Wasserversorger und Behörden eine Batterie von Tests zu entwickeln, mit denen sie Spurenstoffe im Wasserkreislauf bewerten können.

Das Team um Petra Waldmann untersucht die schädlichen Effekte hormonell wirksamer Stoffe auf embryonale Stammzellen. Daraus kann abgeleitet werden, wie gefährlich diese Substanzen für Embryos und die Entwicklung von Nervenzellen sind. Eine Simulation auf zellulärer Ebene ist vorteilhaft: Man kann auf Tierversuche verzichten. Die dafür verwendeten embryonalen Mäusestammzellen sind pluripotent, das heißt, im Gegensatz zu omnipotenten Stammzellen können sie sich nicht zu einem kompletten Organismus entwickeln, rekapitulieren aber in der Zellkultur in begrenztem Maße die frühe embryonale Entwicklung. „Die Mäusestammzellen setzen wir, während sie embryonale Körperchen ausbilden, der zu testenden Substanz aus, um festzustellen, ob sie embryotoxisch wirkt“, so Waldmann. Eine toxische Wirkung ist unter dem Mikroskop sichtbar. Die weitere Entwicklung ist nachweislich reduziert. Spezifische Kulturbedingungen können die Mäusestammzellen auch zur Bildung von Nervenzellen anregen. Unter Zugabe einer Testsubstanz wird ermittelt, ob dieser Stoff schädlich auf die Bildung von Nervenzellen oder auf Netzwerke von Nervenzellen wirkt. „Chemikalien werden in der Regel nur im Nano- oder Mikrogramm-Bereich im Wasser gefunden, also in kleinsten Mengen“, sagt die Wissenschaftlerin, „aber sie sind im Trinkwasser, werden oft auch ein Leben lang vom Menschen aufgenommen“. Daher müsse untersucht werden, ob diese Substanzen schädlich für Mensch und Umwelt seien.

Weitere Informationen zum Verbundprojekt „NeuroBox“ und den Verbundpartnern:

Mehr Infos unter:

link.h-da.de/GfAP

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