Euphorie und Ernüchterung

Am 11. November vor 100 Jahren endete der Erste Weltkrieg

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© Stadtarchiv Darmstadt

Er begann am 28. Juli 1914 mit der Kriegserklärung Österreich-Ungarns an Serbien und endete am 11. November 1918 mit der Niederlage der Mittelmächte. Am selben Tag wird das Waffenstillstandsdokument unterzeichnet. Es folgt 1919 der Versailler Friedensvertrag, der Deutschland die alleinige Kriegsschuld zuschreibt und unter anderem zu hohen Reparationszahlungen verpflichtet.

In den Wirren der Novemberrevolution 1918/19 war in der Endphase des Ersten Weltkriegs der Sturz der Monarchie abzusehen. Das Deutsche Reich wurde zur parlamentarischen Republik. Kaiser Wilhelm II. musste fortan im Exil leben, alle anderen deutschen Fürsten dankten ebenfalls ab. 

Das Kriegsende und die revolutionären Ereignisse im November 1918 hatten auch ihre Auswirkungen auf das Großherzogtum Darmstadt. Am 9. November setzte der Arbeiter- und Soldatenrat Großherzog Ernst Ludwig ab. Mit dem Ende der Monarchie wurde aus dem Großherzogtum Hessen der Volksstaat Hessen. Darmstadt blieb Hauptstadt.

Für Darmstadt, seit Jahrhunderten Haupt-, Residenz- und Garnisonsstadt, hatte das Jahr 1918 nicht nur den Wechsel der Staatsform zur Folge. Der Glanz der Residenz ging zwar nicht völlig verloren, auch wenn der Großherzog weiterhin in Darmstadt unter dem demokratisierten Namen Bürger Ernst Ludwig weilte. Uniformen, die das Darmstädter Straßenbild maßgeblich bestimmten, verschwanden zumindest für die nächste Zeit. Der Verlust von Hof und Militär bedeutete darüber hinaus massive wirtschaftliche Einbußen.

Schon lange vor Kriegsende zeichnete sich das dramatische Ausmaß der politischen und kulturellen, der ökonomischen und sozialen Folgen sowie der wirtschaftspolitischen Veränderungen ab. Auch in Darmstadt ist die Zeit der Weimarer Republik (1918 bis 1933) geprägt von den Folgen des Ersten Weltkriegs. Die nüchterne Bilanz beklagt nicht nur 2.000 Gefallene, sondern belegt auch den Zusammenbruch der städtischen Wirtschaft und der Destabilisierung der sozialen und politischen Verhältnisse.

Das Ende der Monarchie und der Übergang zum Volksstaat Hessen wird von großen Teilen der Bevölkerung zwar als langersehntes Ende des Krieges begrüßt, ist aber für die meisten kein hoffnungsfroher politischer Neuanfang. Im Rückblick verklären sich vielmehr Bismarckzeit und Kaiserreich zu Deutschlands »goldenem Zeitalter«.

Hunger und Mangelernährung, hohe Säuglingssterblichkeit, Inflation, Massenarbeitslosigkeit und Wohnungsnot prägen über den gesamten Kriegsverlauf hinaus auch die Folgejahre. Unter der dramatischen Versorgungslage hatten nicht nur die Soldaten, sondern hatte auch besonders in den Städten die Zivilbevölkerung zu leiden. Neue Formen der staatlichen oder städtischen Fürsorge waren in vielen Lebensbereichen vonnöten. Bezugsscheine für die wichtigsten Lebensmittel und Kleidung gab es in Darmstadt bereits ab 1915. Städtische Kinderspeisung versorgte unterernährte Kinder, für Armenspeisung wurden öffentliche Küchen eingerichtet. Trotzdem brachte der sogenannte »Hunger- oder Steckrübenwinter« 1916/17 und der folgende »Hungersommer« die Bevölkerung in eine kritische Ernährungslage. Allein für Deutschland wird geschätzt, dass rund 700.000 Menschen verhungert sind. Die Lebensmittelversorgung der deutschen Bevölkerung sank auf 1.000 Kalorien pro Tag.

Mit der »Mobilmachung« am 2. August 1914 ziehen auch die Darmstädter Studenten voller Kriegsbegeisterung ins Feld. Jeder will Soldat werden. Sie folgten den wiederholten eindringlichen Aufrufen der Darmstädter Rektoren und des »Allgemeinen Studentenverbands«, um für das Vaterland zu kämpfen. Spätestens bei der Heimkehr mündete die anfängliche Euphorie in Ernüchterung und Armut.

Viele Studenten lebten am Rande des Existenzminimums. Daher wurde 1921 die »Studentische Wirtschaftshilfe e.V.«, das spätere Studentenwerk, gegründet, die sich um die Essensversorgung und die Vermittlung von Wohnraum kümmerte. 

Die Zahl der Studenten sinkt 1916/17 auf 174, steigt aber nach dem Krieg wieder sprunghaft an. Obwohl die wachsende materielle Not auch vor den Toren der Hochschule nicht haltmacht und eine Niederlage schon absehbar war, bleiben die Universitäten bis zum bitteren Ende treue Stützen des Kaiserreichs. Noch Ende Oktober 1918 ruft der Rektor der TH Darmstadt zur Sammlung aller vaterländischen Kräfte auf und beschwört die »Einheit und Einigkeit für Kaiser und Reich«.

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