Auf zur Kerb!

Herbstzeit ist Kerbzeit. Auch in Darmstadt. Eine Kerb löst nahtlos die andere ab.

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©Immo Beyer, Stadtarchiv Darmstadt

©Pit Ludwig Stadtarchiv

Wem ist die Kerb? Unser.“ Dieser oder ähnliche wechselseitige Schlachtrufe begleiten bis heute das Treiben auf der Kerb. Sie werden nach, zwischen oder vor den Kerb-Liedern und den traditionellen Trinkliedern möglichst laut in die Runde geschrien. Ähnlich wie die regional unterschiedlichen Namen für die Kerb folgen die Schlachtrufe dem ortsüblichen Dialekt.



Ob Kirchweih, Kerb oder Kirmes, die Bezeichnungen des Kirchweihfestes sind vielfältig und regional unterschiedlich. Es ist das älteste und am weitesten verbreitete populäre dörfliche Fest und hat für das Dorfleben eine besondere Bedeutung. Seit dem Mittelalter ist es einjährliches Erinnerungsfest an die Weihe der Kirche, aber ist auch Gemeindefest (Erntefest) zum Ausgang des ländlichen Arbeitssommers. Ein Dorn im Auge waren den Pfarrern die regelmäßigen wüsten Ausschreitungen des geselligen Dorflebens. Schon Martin Luther forderte, gegen solch „säuisch Gefräß und unordentlich Leben“ einzuschreiten. Unter den derben Kerbbräuchen litten nicht nur die Feldarbeit, sondern auch die Gottesdienste. Die jungen Leute brächten unter „beständigem Sauffen“ ihr ganzes Geld durch. Ein Bericht des Darmstädter Oberamtmanns aus dem Jahre 1738 verweist vor allem auf den schädlichen Einfluss von Tanzveranstaltungen.



Gesellige Feste waren schon immer ein attraktiver Anziehungspunkt. Und die Bevölkerung nahm die Feste der Nachbargemeinden, wie sie fielen. In den Augen der Obrigkeit nahmen die Anzahl der Vergnügungsveranstaltungen und der damit verbundene Alkoholkonsum sukzessive überhand.



Auch in den Dörfern in Darmstadts Umgebung war die Kerb schon immer das wichtigste Jahresfest. In Darmstadt selbst ist keine Kerb überliefert. Die Tradition als Entefest bestimmt mittlerweile fast überall den Termin im Herbst. Dann war – zumindest in früheren Zeiten – die Ernte eingebracht, und die Steuern waren abgerechnet.



Jeder Darmstädter Stadtteil, der heute mit einer Kerb aufwartet, hat seine eigene Geschichte, die teils bis ins Mittelalter zurückgeht. Das gilt auch für die Entwicklung der Kerb. Ereignisse vor Ort – wie die Weihe einer neuen Kirche – sorgen im Laufe der Zeit immer wieder für Terminverschiebungen. In der Inflationszeit nach dem Ersten Weltkrieg lag das Kerbleben zumeist brach, in der NS-Zeit auch, nahm aber nach dem Zweiten Weltkrieg wieder volle Fahrt auf. Früh dran waren die Bessunger, die schon 1949 ihre erste Nachkriegskerb feierten. Mit Prunk und Gaudi und einem großen Eröffnungsumzug begrüßten zwei Jahre später die »Watzeverdler« den Beginn einer neuen Zeit. Mit der Wiedereinweihung der kriegszerstörten Martinskirche war 1951 die Martinskerb wieder da. Die Eberstädter ließen sich etwas mehr Zeit. Eine »richtige« Kerb mit Umzug, »Kerwebaum« und »Kerwerede« gibt es erst wieder seit 1972. Die Vereinsgemeinschaft Heimstättenvereine rief erst 1980 die gemeinsame Heimstättenkerb (Siedlerkerb) wieder ins Leben.



Tradition wird groß geschrieben, typisches Brauchtum ist bis heute erhalten. Aber der jeweilige Zeitgeist nimmt auch Einfluss auf das Kerbgeschehen und bringt Veränderungen. So finden wir fast überall zwar den typischen »Kerwebaum« mit den farbigen Bändern, die»Kerweborsche« oder den »Kerwevadder« – die Bessunger haben seit 2016 eine männliche »Kerwemudder«! Aber auch Neues wird aufgenommen. Grenzgänge sind mittlerweile fast überall üblich, Wixhausen veranstaltet in diesem Jahr schon den 32. Wixhäuser Kerblauf.



Machen Sie sich fit für den Kerb-Marathon – in jeder Hinsicht. Und denken Sie daran: Wenn Sie im Getümmel ein Schlachtruf erreicht, schreien Sie zurück – mindestens genauso laut und unartikuliert. Verstehen muss Sie keiner.

Termine 2019 – eine Auswahl

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