Lebendige Schwarze Kunst

Das HLMD präsentiert ein Kapitel der Industriegeschichte des druckgrafischen Gewerbes

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© Klaus Mai

Mehr als 500 Jahre bestimmte Gutenbergs Erfindung der beweglichen Lettern das Drucken. Es ist noch nicht so lange her, dass die alten Druckverfahren neuen elektronischen Technologien Platz machen mussten. Die damit verbundenen Berufe verschwanden allmählich und wurden durch neue Berufsbilder ersetzt. Die wertvolle Sammlung der Abteilung Schriftguss, Satz und Druckverfahren des Hessischen Landesmuseums Darmstadt (HLMD) in der Kirschenallee gibt nicht nur einen ästhetischen Einblick in die konstruktiven Details des Maschinenzeitalters. Es sind auch die Werkstätten, die anschaulich die traditionellen Handwerksberufe des druckgrafischen Gewerbes vermitteln. 

Im Foyer des denkmalgeschützten Fabrikgebäudes am Rande der Darmstädter Weststadt begrüßen den Besucher nicht nur eine Zeitungsrotation und ein Heidelberger Zylinder als eindrucksvolle Zeugen eines vergangenen Maschinenzeitalters. Es ist vor allem der unverwechselbare Geruch nach Maschinenöl, der die Aura des Hauses bestimmt. Ein entferntes Klack-Klack, Klack-Klack macht neugierig und führt in den dritten Stock in Rainer Gerstenbergs Schriftgießerei, in der Lettern maschinell gegossen werden. Das war nicht immer so. Bis Mitte des 19. Jahrhunderts wurden Lettern ausschließlich wie zu Gutenbergs Zeiten mit einem Handgießinstrument gegossen. Danach gab es spezielle Gießmaschinen, mit denen Rainer Gerstenberg noch heute arbeitet. Es ist eine der letzten produzierenden Schriftgießereien Europas. Das Herzstück der Sammlung ist der Firmennachlass der 1985 liquidierten Schriftgießerei D. Stempel AG, Frankfurt am Main. Schriftgießer sind hochqualifizierte Spezialisten. Gerstenberg gehört zu den wenigen, die diesen Beruf erlernt haben und heute noch ausüben.

Vor dem Einzug des Computersatzes waren einzelne Lettern aus Blei – und später ganze Zeilen – Voraussetzung für den Schriftdruck. Die Erfindung der Lynotype Zeilensetz- und Gießmaschinen hat ab 1900 ihren Siegeszug um die Welt gestartet. Im ersten Stock des Hauses ist eine eindrucksvolle Entwicklungsreihe dieser Lynotypes zu sehen vom ältesten Modell, das 1903 in Serie ging, bis hin zum lochstreifengesteuerten Modell von 1971. Alle sind funktionstüchtig und werden regelmäßig gewartet.

Präsentiert wird dort ebenfalls die Entwicklung der Druckmaschinen für den Hochdruck von Anfang des 19. Jahrhunderts mit gusseisernen Handpressen bis zu den maschinellen Druck- und Fertigungsprozessen des 20. Jahrhunderts.

Ohne die Ehrenamtlichen läuft gar nichts. Ihr Engagement ist bewundernswert. Ausgebildet in den traditionellen Handwerksberufen des druckgrafischen Gewerbes sind die Handsetzer, Maschinensetzer und Drucker in den Werkstätten unentbehrlich. Sie überzeugen nicht nur durch hochqualifiziertes technisches Können, sondern vermitteln auch die Arbeitswelt einer vergangenen Ära.

Lassen Sie sich von den Handsetzern den mühevollen Prozess zeigen, bis ein Satz druckreif ist. Fehler finden Sie selten, denn auch kleine Korrekturen sind aufwendig. Schauen Sie genau hin und Sie werden feststellen: Die Handsetzer sind nicht nur Meister ihres Fachs, sondern auch der Typografie. 

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