Magie der Bilder

Virtuelle Computerrekonstruktionen machen Vergangenes sichtbar

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© TU Darmstadt, FG Digitales Gestalten 2017

Ein Bild sagt mehr als tausend Worte. Das viel bemühte Sprichwort trifft den Kern der visuellen Kommunikation. Bildsprache ist universell und leicht nachvollziehbar. Die moderne Computertechnik kann mithilfe der virtuellen Rekonstruktion nicht mehr existierender Bauwerke und Stadtanlagen nicht nur kulturelles Erbe sichern, sondern eröffnet auch Wege für neue Forschungsansätze und anschauliche Wissensvermittlung.

Forschen, bewahren, vermitteln. Der klassische Dreiklang des Museumswesens umschreibt präzise die Arbeitsschwerpunkte des Forschungsbereichs Digitale Rekonstruktion an der TU Darmstadt, Teil des Fachgebiets Digitales Gestalten (Professor Oliver Tessmann). Mieke Pfarr-Harfst und Marc Grellert, die den Forschungsbereich leiten, traten nach dem Tod von Professor Manfred Koob 2011 dessen wissenschaftliches Erbe an. Koob hat schon in den frü- hen 90er-Jahren mit seinen virtuellen Rekonstruktionen die Öffentlichkeit fasziniert. Projektspezifisch ist immer die wissenschaftliche Zusammenarbeit mit Archäologen, Bauhistorikern und Kunsthistorikern gefragt. Das jeweilige Forscherteam arbeitet eng mit dem TU-Kooperationspartner Architectura Virtualis zusammen. Die GmbH übernimmt die praktische Umsetzung, erstellt auch Medienkonzepte für Ausstellungen oder die Anfertigung von dreidimensionalen Modellen aus digitalen Datensätzen im Rapid Prototyping-Verfahren. Der Aspekt der Lehre wird auch bedient, da viele Projekte gemeinsam mit Studierenden erarbeitet werden.

Mittlerweile hat der Forschungsbereich in Sachen Virtueller Rekonstruktion mit den ebenso spektakulären wie öffentlichkeitswirksamen Arbeiten ein Renommee erworben, das sich in Deutschland zum Alleinstellungsmerkmal entwickelt hat. Namhafte Museen greifen auf die Expertise der Wissenschaftler zu.

„Zurzeit“, so Marc Grellert, „ist ein webbasiertes Werkzeug in Arbeit, um Rekonstruktionsprozesse zu dokumentieren“. Es ist zugleich dynamische Kommunikationsplattform für das wissenschaftliche Projektteam, um einzelne Arbeitsschritte aufzeichnen zu können. Ein Tool als universelle Handlungsanweisung für künftige Rekonstruktionen zu entwickeln, ist eine kaum lösbare Aufgabe, da jedes Projekt spezifische Eigenheiten hat.

Die Liste der Rekonstruktionen seit Anfang der 90er-Jahre ist eindrucksvoll und reicht von den Bauten der Bauhaus-Avantgarde über die Synagogen in Deutschland, den vatikanischen Palast der Hochrenaissance, den Moskauer Kreml, die Kaisergrä- ber von Xi’an, die Tempel der Khmer und den Londoner Kristallpalast bis hin zur Baugeschichte des Florentiner Doms, um nur einige zu nennen. Viele der Rekonstruktionen entstanden für große Ausstellungen.

„Mitunter“, so Mieke Pfarr, „hat die digitale Welt auch ihre Tücken“. Das erste Projekt dokumentierte die fast komplett zerstörte französische Klosteranlage von Cluny. Die Rekonstruktionsdaten lassen sich trotz intensiver Anstrengungen nicht mehr öffnen. Sie ereilte das gleiche Schicksal wie das ursprüngliche Bauwerk – auch „verschwunden“. Damit stellt sich eine ganz andere Frage. Wie können digitale Daten dauerhaft gespeichert und wieder abgerufen werden? Der Beitrag zur aktuellen Ausstellung „Iran – frühe Kulturen zwischen Wasser und Wüste“ setzt die langjährige Zusammenarbeit mit der Bonner Bundeskunsthalle fort, die inzwischen eine 20-jährige Tradition hat. Studierende des Fachgebiets rekonstruierten die um 1300 vor Christus errichtete Zikkurat von Tschogha Zanbil im heutigen Iran. Grellert gestaltete mit der Architectura Virtualis auch das Medienkonzept für die Ausstellung und realisierte zahlreiche Installationen und Filme.

Weitere Infos:

www.dg.architektur.tu-darmstadt.de

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