Dekorative Accessoires für den Alltagsgebrauch

Alltagstauglich! Schmuck von Jugendstil bis Art déco Ausstellung im Hessischen Landesmuseum

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©Klaus Mai


Ein vornehmer Juweliersalon der Zeit, glitzernde Lüster und Vitrinen mit filigranen Schmuckstücken empfangen die Besucher der Ausstellung »Alltagstauglich! Schmuck von Jugendstil bis Art déco«. Hinter dem ersten Eindruck der eleganten Leichtigkeit des Ambientes steckt allerdings mehr Arbeit, als man annimmt. 

Das Hessische Landesmuseum Darmstadt (HLMD) präsentiert in der Ausstellung mehr als 400 Variationen zum Thema Alltagsschmuck aus der Zeit zwischen 1897 und 1933. Die tagsüber getragenen dekorativen Accessoires zum passenden Outfit boten Anregung für innovative Lösungen und die Umsetzung neuer stilistischer Einflüsse wie des Jugendstils oder des Art déco. Alle Exponate stammen aus der bisher nicht öffentlich vorgestellten, international renommierten Privatsammlung Ratz-Coradazzi.

Von der Idee und der Umsetzung bis zur fertigen Ausstellung ist ein langer – manchmal auch steiniger – Weg. Seit Frühsommer 2018 bereiteten der Kurator Dr. Wolfgang Glüber und die Ko-Kuratorin Dr. Kristine Siebert die Schau vor. Und die hat eine spektakuläre Leuchtkraft, wie die bisherige Resonanz zeigt. Rückblickend kommentiert Glüber, dass ihn die Ausstellung „viele schlaflose Nächte“ gekostet hat. 

Der Kurator liebäugelte schon länger mit der Privatsammlung, kannte aber selbst nur wenige Stücke davon. „Etwas Überredungskunst gehörte auch dazu, die Sammlerstücke in einer Ausstellung zu zeigen“, so Glüber mit verschmitztem Lächeln. Man traut ihm diese Fähigkeit ohne weiteres zu. Das Sammlerehepaar Astrid und Mario Ratz-Coradazzi hatte nie im Traum an eine Ausstellung seiner Kostbarkeiten gedacht. Astrid Ratz-Coradazzi, die schon im Alter von sieben Jahren ihr Taschengeld für ihr erstes Jugendstilschmuckstück ausgab, interessiert aber nicht nur das Sammeln, sondern auch das Erforschen. Archive und Bibliotheken bieten einen reichhaltigen Fundus, um Schmuckstücke zu identifizieren und die Hersteller nachzuweisen. Daraus entstand eine umfangreiche, mit großer Sorgfalt recherchierte Datenbank.

Wer die Wahl hat, hat die Qual. Die mehr als doppelt so umfangreiche Sammlung musste – wenn auch manchmal mit großem Bedauern – auf ungefähr 400 Exponate reduziert werden. Trotzdem bekommt der Betrachter einen umfassenden Überblick der in dieser Zeit hergestellten Vielfalt. Die präsentierten Kreationen sind zwar kreativ und originell, kommen aber eher dezent daher. Sie sind häufig aus Silber, manchmal vergoldet, und besetzt mit weniger edlen Schmucksteinen sowie meistens als Serienware in Deutschland oder Österreich hergestellt. Daher waren diese Accessoires preisgünstiger in der Herstellung und der Anschaffung. Hochburgen der Schmuckherstellung in Deutschland waren Pforzheim und München, in Österreich war es Wien. Oftmals verweisen stilistische Ähnlichkeiten eindeutig auf den Herstellungsort. 

Die Zeit zwischen 1897 und 1933 wird von turbulenten Umbrüchen begleitet. Unterschiedliche stilistische Einflüsse und Gestaltungselemente spiegeln politische, gesellschaftliche und soziale Entwicklungen wider. Es ist genau das, was Glüber dem Ausstellungsbesucher vermitteln will: Er soll Entwicklungslinien verfolgen und den Formenschatz des gestalterischen Ausdrucks dieser Zeitspanne erfassen können. Am Thema Schmuck ist dies besonders gut nachvollziehbar. 

Wer denkt, Kuratoren können nur Ausstellungen machen, liegt falsch. Manche können auch singen und haben sogar Entertainer-Qualitäten. Mit frechen Gassenhauern der 1920er-Jahre und Chansons erntet das Kuratoren-Duo Kristine Siebert und Wolfgang Glüber bei der Museumsnacht anhaltenden Applaus.


Dauer der Ausstellung: bis 11.08.

Weitere Infos hier.
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