Buch des Monats Februar 2019

Maßstäbe in der Welt der Bücher ...

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… setzen die monatlichen Buchempfehlungen aus Darmstadt. Seit 1952 trifft sich regelmäßig eine unabhängige Jury aus Schriftstellern, Journalisten und Literaturkritikern, um aus der Vielzahl der Neuerscheinungen ein Buch besonders hervorzuheben.

Mit der Auszeichnung soll diesen Büchern zu einer größeren Verbreitung verholfen werden. Dabei fällt die Wahl nicht unbedingt auf literarische Bestseller, manches Buch wurde durch die Auszeichnung „Buch des Monats“ erst erfolgreich.

Aktuell gehören der Jury an:

Peter Benz, Michael Braun, Oliver Jungen, Hanne F. Juritz, Adrienne Schneider, Prof. Dr. Wilfried F. Schoeller, Dr. Tilman Spreckelsen, Dr. Gerhard Stadelmaier, Dr. Hajo Steinert, Wolfgang Werth. 

Begründung der Darmstädter Jury


Marktgerecht zum Fontane-Jahr, in dem man den 200. Geburtstag des Alten feiert, erscheint eine Biographie, die zu rühmen ist, weil sie wunderbar ins Jahr 2019 passt. Der wahrlich nutzbringende Potsdamer literaturwissenschaftliche Professor Iwan-Michelangelo d’Aprile, Jahrgang 1968, trotz oder gerade wegen des exotischen Namens gebürtiger Berliner, setzt - zusammen mit seinen offenbar fleißig, wenn auch nicht immer zuverlässig zuarbeitenden Mitarbeitern aus Doktoranden- und Oberseminaren (Thomas Mann erhielt den Nobelpreis nicht 1926, sondern 1929, ein Hirschfänger ist kein Gewehr, sondern eine Stichwaffe) - den Apotheker, Journalisten, „Regierungsschweinehund“ und also jahrzehntelangen Presselenkungsangestellten des preußischen Staates, Theaterkritiker und Romancier Theodor Fontane ins literarische Zentrum eines aufregenden Netzwerks. Es ergibt sich in klarer, flüssiger, wissenschaftlich klug vermittelnder Sprache sozusagen das Bild eines höchst bewegten, temporeichen, strukturellen gesellschaftlich-kulturellen Internets des 19. Jahrhunderts. Dessen Verknüpfungsfäden ziehen der Markt, die Eisenbahn, die Technik, die Politik, die Parteien, die Kriegsmalaisen, das Fernweh, die Presse, die Wirtschaft, die Mischpochen-Melange aus erstarrtem Adel und geduckt aufmuckendem Bürgertum. Der Dichter wird zum Spielball wie zum Mitspieler in einem intelligent beschriebenen soziologischen Geflecht, in dem Person, Werke, Zeit, Charakter und Intrigen, Fakten und Faktoren, Stoffe und Publikationsformen (Fontanes Romane erschienen zuerst als Fortsetzungsgeschichten in Zeitschriften) aufleuchten. Ohne dass der Biograph seinen Gegenstand allzu sehr bewundert - oder allzu sehr kritisiert. Es herrscht in Stil und Haltung wohltuende schreibinteressengeleitete Nüchternheit. Ganz im Sinne Fontanes.

©Verlag

Fontane: Ein Jahrhundert in Bewegung

Rating: 5 of 5

Iwan-Michelangelo D'Aprile

Rowohlt

Kulturgeschichte

19. Februar 2019

978-3-498-00099-8

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