Buch des Monats März 2020

Maßstäbe in der Welt der Bücher ...

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… setzen die monatlichen Buchempfehlungen aus Darmstadt. Seit 1952 trifft sich regelmäßig eine unabhängige Jury aus Schriftstellern, Journalisten und Literaturkritikern, um aus der Vielzahl der Neuerscheinungen ein Buch besonders hervorzuheben.

Mit der Auszeichnung soll diesen Büchern zu einer größeren Verbreitung verholfen werden. Dabei fällt die Wahl nicht unbedingt auf literarische Bestseller, manches Buch wurde durch die Auszeichnung „Buch des Monats“ erst erfolgreich.


Aktuell gehören der Jury an:

Peter Benz, Michael Braun, Oliver Jungen, Hanne F. Juritz, Adrienne Schneider, Prof. Dr. Wilfried F. Schoeller, Dr. Tilman Spreckelsen, Dr. Gerhard Stadelmaier, Dr. Hajo Steinert, Wolfgang Werth. 

Begründung der Jury 


Die Gedichte von Alexandru Bulucz atmen den Geist jener polylingualen Regionen am äußersten östlichen Rand des deutschen Sprachraums, die Paul Celan einst als „Gegend, in der Menschen und Bücher lebten“ beschrieben hat. 1987 im rumänischen Alba Julia geboren, setzte man den 13-jährigen Alexandru im Jahr 2000 allein in einen Reisebus, der ihn nach Deutschland brachte. Von seiner Ankunft in der Fremde berichtet sein Gedicht Morbus Korsakow: „Ich habe mich sozusagen/ verloren.“ In Frankfurt am Main studierte Bulucz Germanistik und Komparatistik und begründete in der Edition Faust eine Interview-Reihe, in der er renommierte Philosophen zu „Sterblichen Gedanken“ animierte.

Die Frage nach der Herkunft der Wörter, nach ihrer Geschichtlichkeit und ihrer Wahlverwandtschaft mit anderen Wörtern – das ist ein Grundimpuls seiner sprachbesessenen Dichtung. So untersucht Alexandru Bulucz auch die Verwandtschaft der „Petersilie“ mit der „Seele“ und findet dafür Belege bei Dostojewski, Marie Luise Kaschnitz und im elften Gesang der Odyssee. In seinem fabelhaften Gedichtbuch „was Petersilie über die Seele weiß“ überlagern sich aber nicht nur in extremer lyrischer Konzentration die poetischen Stimmen und Traditionen, sondern auch die Religionen. So ertönt etwa das „Stundenholz“, die sogenannte „Toaca“, das hölzerne Schallbrett, mit dem in den orthodoxen Kirchen zum Gottesdienst gerufen wird. Die Klänge der toaca“, so heißt es in einem Gedicht, „spannten eine Himmelsleiter auf uns zu und über uns hinaus.“ Hier werden aber auch christliche „Passionslieder“ und die große Schmerz-Ikonographie des Isenheimer Altars aufgerufen. Ein ganzes Kraftfeld von mythopoetischen Übergängen wird aufgespannt: Metamorphosen und Gestaltwandlungen, soweit das Auge reicht. Die episch angelegten Gedichte von Alexandru Bulucz bewegen sich – mal beschwörend, mal humorvoll – in den Grenzbereichen zwischen den Sprachen, oszillieren zwischen dem Deutschen und dem Rumänischen, holen ihren Atem aus der radikalen Sprachbefragung eines Emile Cioran und eines Paul Celan und gewinnen daraus die polyphone Dynamik der Verse.

©Verlag

was Petersilie über die Seele weiß

Rating: 5 of 5

Alexandru Bulucz

Schöffling-Verlag, Frankfurt

Gedicht

3. März 2020

978-3-89561-507-8

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