Buch des Monats März 2018

Jens Sparschuh: „Das Leben kostet viel Zeit“

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© Kiepenheuer & Witsch

Aktuell gehören der Jury an: Peter Benz, Oliver Jungen, Hanne F. Juritz, Dagmar Leupold, Adrienne Schneider, Dr. Wilfried Schoeller, Dr. Gerhard Stadelmaier, Dr. Hajo Steinert, Wolfgang Werth.

Aus der Begründung der Jury

Das Leben kostet viel Zeit – mindestens aber so viel Zeit, die man braucht, ein Leben zu beschreiben. Das kann dauern. Und wenn es schnell gehen muss, kommt es zu den komischsten ungeheuren Begebenheiten. Dann wird aus einem Leben eine Reihe von katastrophischen Novellen. Titus Brose, der Held von Jens Sparschuhs neuem Roman „Das Leben kostet viel Zeit“, ist Biograph von Beruf, entlassener Journalist, jetzt Lohnschreiber einer Agentur. Deren Geschäftsmodell besteht darin, die mehr oder weniger noch zurechnungsfähigen Bewohner eines Altersund Pflegeheimes in der brandenburgischen Provinz zu verführen, sich gegen ein saftiges Entgelt von Herrn Brose ihr Leben aufschreiben zu lassen (Auflage: 10 bis 20 Exemplare). Eine typische Sparschuh-Gestalt: ein mittelguter Hinnehmer, Erdulder und Alles-Richtig-Machenwoller begibt sich geduldig in allen Nebeln stochernd als ostdeutscher Candide in die bestschlechteste aller Demenzwelten. Und sie wird in all ihrer erbarmungswürdigen Human- und Groteskkomik wunderbar menschenfreundlich geschildert. Auch deren königlicher Herrscher und pfauenhafter Geheimer Rat fehlt nicht. Denn Titus stößt in diesem Altersheimkontinent auf den inkontinenten Insassen Dr. Einhorn, der ihn auf die Geheimnisse des Adelbert von Chamisso (1781 - 1838) bringt. In dessen Leben und Dichten und Abenteuern dringt der Lohnschreiber so sehr ein, dass es für ein weiteres, größeres, höheres (wahrscheinlich noch komischeres) Biographendasein reichen wird. Ein literarhistorischer Schatzfund zum Glücklichwerden: für Titus Brose – und für die Leser. Letztere bekommen in diesem lächelklugen ironischen Buch als Spiel mit Geschichte(n) und Gegenwart nicht nur das hinreißend beschrieben, was uns allen als Zukunft verheißen ist: nämlich das Altersheim. Wichtiger noch ist der Trost, den sie zugleich verabreicht kriegen, der sämtliche Malaisen des Alters und des Lebens überstrahlt: nämlich die Liebe zur Literatur.

Weitere Informationen:

gebunden, 384 Seiten

Kiepenheuer & Witsch, Köln

ISBN-978-3-462-31675-9

16,99 €

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