Buch des Monats Oktober 2019

Maßstäbe in der Welt der Bücher ...

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… setzen die monatlichen Buchempfehlungen aus Darmstadt. Seit 1952 trifft sich regelmäßig eine unabhängige Jury aus Schriftstellern, Journalisten und Literaturkritikern, um aus der Vielzahl der Neuerscheinungen ein Buch besonders hervorzuheben.

Mit der Auszeichnung soll diesen Büchern zu einer größeren Verbreitung verholfen werden. Dabei fällt die Wahl nicht unbedingt auf literarische Bestseller, manches Buch wurde durch die Auszeichnung „Buch des Monats“ erst erfolgreich.

Aktuell gehören der Jury an:
Peter Benz, Michael Braun, Oliver Jungen, Hanne F. Juritz, Adrienne Schneider, Prof. Dr. Wilfried F. Schoeller, Dr. Tilman Spreckelsen, Dr. Gerhard Stadelmaier, Dr. Hajo Steinert, Wolfgang Werth. 

Begründung der Jury 

Ich habe nicht mehr viel zu sagen“, verkündete der Dichter Christian Saalberg im Jahr 1991, als er bereits ein Dutzend Gedichtbände veröffentlicht hatte, ohne dass der Literaturbetrieb davon Notiz genommen hätte. Dass Saalberg seine skeptische Prognose falsifizierte, indem er nach 1991 sein zwischen surrealistischer Bildlichkeit, romantischem Vokabular und religiös gefärbter Tonlage changierendes Werk immer weiter verfeinerte, ist ein Glücksfall für die deutsche Gegenwartslyrik. „Ich mag ihre Gedichte besonders“, schrieb ihm 2001 der Literaturwissenschaftler Alexander von Bormann, „ – sie sind so reich in den Formen, schwingend im Ton, atemnah, immer wieder überraschend.“ 1926 als Christian-Udo Rusche in Hirschberg im Riesengebirge geboren, erlebte der 17jährige als Soldat die Schrecken des deutschen Vernichtungskriegs im Osten, mit einem der letzten Schiffe gelang ihm die  Flucht über die Ostsee. Im völlig zerstörten Kiel hörte er 1946 Vorlesungen über Baudelaire und die poetische Moderne von Rimbaud bis René Char und fühlte sich seither der französischen Geisteswelt verpflichtet. Saalberg führte ab 1953 eine Doppelexistenz: In seinem bürgerlichen Leben wurde er Rechtsanwalt, sein „zweites Leben“ als Dichter schützte er durch ein Pseudonym, das mit dem glücklichsten Ort seiner Kindheit verbunden war: in Saalberg im Riesengebirge stand das Sommerhaus seiner Großeltern. Bei seinem Tod am Himmelfahrtstag 2006 umfasste Christian Saalbergs Werk 23 Bände, die alle nur eine winzige Öffentlichkeit erreichten. Unter der Herausgeberschaft von Mirko Bonné und Viola Rusche, der Tochter des Dichters, hat nun der Schöffling Verlag eine sorgsam komponierte Auswahl von Saalbergs lyrischem Werk vorgelegt. Es ist die Wiederentdeckung einer ganz großen Gestalt der Gegenwartslyrik, unverwechselbar in ihrer Imaginationskraft und ihren melodiösen Elegien: „Die Zikaden haben eine Medaille verdient. /Sie setzen ihr Leben gegen die Dunkelheit aufs Spiel. // Das Nein entfernt sich und das Ja kommt näher. // Im Schlaf hole ich Atemzüge ein, die vor mir / gelebt haben, in einer anderen Zeit.

©Verlag

In der dritten Minute der Morgenröte

Rating: 5 of 5

Christian Saalberg

Schöffling-Verlag

Lyrik, Gedicht

27. August 2019

978-3-89561-016-5

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