„Die hessische Mundart soll nicht mit unserer Generation aussterben“

FRIZZmag im Gespräch mit den Spirwes-Künstlerpreisträgern 2023: Bees Denäwe

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Das Kultduo „Bees Denäwe“ kennt man hier, obwohl es weder eine Website hat, noch auf Social Media aktiv ist. Mundpropaganda heißt das Zauberwort bei Klaus Lohr (64) und Franz Offenbecher (65), denn wer wissen will, wo sie auftreten, muss sich umhören. Wer es zu einem Auftritt geschafft hat, wird dort mit einem zu großen Teilen musikalischen, aber vor allem individuellen Programm überrascht.

Lohr und Offenbecher ist es wichtig, sich mit den Liedern, die sie auswählen, ganz auf ihr Publikum zu konzentrieren. Auf der Bühne geht es bei den beiden durchaus nicht nur lustig zu, denn die Hessen finden es wichtig auch ernste Themen aufzugreifen. Das passiert dann auf ihre typisch selbstironische und ein bisschen provokante Art. Bees denäwe eben.

FRIZZmag: Herzlichen Glückwunsch zum Spirwes-Künstlerpreis, der euch als Gruppe „Bees denäwe“ im Oktober in der Centralstation verliehen wurde. Was bedeutet so eine Auszeichnung für euch, seid ihr stolz?

Klaus Lohr: Nach 38 Jahren Mundartmusik ist der Preis eine Ehre für uns und ein Zeichen dafür, dass wir nicht mehr nur belächelt, sondern auch ernst genommen werden. In den letzten Jahren nehmen wir verstärkt zeitkritische Themen in unsere Liederliste auf. Wir wollen nicht nur über Bembel, Äppelwoi und Handkäs‘ singen. Wir sind ernster geworden und haben jetzt diesen Preis erhalten - der Zeitpunkt ist gut.

Ist der Spirwes die erste Auszeichnung, die ihr im Laufe eurer Bühnenkarriere erhalten habt?

Franz Offenbecher: Ja, es ist unsere erste offizielle Auszeichnung. Wenn das Publikum, das wir seit über 30 Jahren kennen, sich freut, wenn wir auf die Bühne kommen, ist das aber normalerweise Preis genug für uns. 

Kennt ihr das Publikum oft persönlich? Immerhin steht ihr seit fast vier Jahrzehnten auf den Bühnen dieser Region.

Klaus Lohr: Manchmal kommt es nach so langer Zeit gelegentlich vor, dass jemand fragt: „Wisst ihr, wer ich bin?“ und dann stellt sich heraus, dass wir irgendwann mal an dessen/ deren 25. Geburtstag gespielt haben und er/ sie jetzt seinen/ihren 60. feiert. Man wird mit seinem Publikum alt und das kennt die Mundart meistens noch aus dem eigenen Elternhaus. Unser Problem ist daher eher, junge Menschen zu erreichen, Jugendliche und junge Erwachsene, die keinen Dialekt mehr sprechen. Denn der soll ja nicht mit unserer Generation aussterben. Um die Jugend anzusprechen, setzen wir deshalb in unseren neueren Liedern auf Themen, die sie umtreiben: Smartphones, Gangster Rap oder vegane Lebensweise. Ob die Themen im Dialekt verstanden werden, ist eine andere Sache (lacht). Einmal wurde ich nach einem Auftritt von einem Mädel gefragt, aus welchem Land ich eigentlich komme und welche Sprache ich da spreche.

Ist es wirklich so, dass die jüngere Generation gar keinen Dialekt mehr spricht und versteht? Auch auf dem Land nicht mehr?

Franz Offenbecher: In ländlichen Gegenden war es lange so, dass die Söhne und Töchter von Landwirten oft noch den südhessischen Dialekt gesprochen haben. Das sind aber eher Erfahrungswerte aus der vorherigen Generation. Mittlerweile ist es spürbar, dass es abnimmt. Ich merke es an ja meiner Tochter und meinen Enkeln: Die sprechen kaum noch hessisch.

Klaus Lohr: Ich habe fünf Enkel, die eher wenig Dialekt können. Es kam aber schon mal vor, dass wenigstens einer an meinem Geburtstag sich bemüht hat, ein Geburtstagsgedicht in Mundart aufzusagen. Das klang zwar ein bisschen nach „Freestyle-Hessisch“, aber mich hat’s gefreut. In Bayern ist die Mundart mit den dortigen Traditionen noch stärker verknüpft. Bei den Jugendlichen im Ried findet man gelegentlich noch den ein oder anderen Mundartbabbler, oft bei den Kerweburschen. Ein Hoffnungsschimmer.

Um die hessische Kultur zu zelebrieren, tragt ihr Stallkleidung: eine alte Jacke, Arbeitshemd, Bauernmütze und Gummistiefel. Wie kamt ihr auf diese Idee und woher stammen eure Outfits?

Franz Offenbecher: Die älteren Leute, die vom Land kommen, kennen das noch. Früher, vielleicht noch vor 40 Jahren, hat man sowas tagsüber getragen - das waren die Arbeitsklamotten. Ob das jüngere Publikum damit noch etwas anfangen kann, weiß ich nicht. Für uns hat sich das aber so etabliert und die Kleidung ist unser Markenzeichen. Mittlerweile werden wir vom ein oder anderen angesprochen, ob wir Kittelschürzen oder Bauernunterhosen vom verstorbenen Opa oder der Oma gebrauchen können. Und ja, das können wir.

Das ist ja nett, dass eure Fans so an euch denken. Sind sie denn auch während des Programms so aufmerksam? Ihr spielt ja ohne Strom und könnt den Regler nicht einfach mal höher drehen, wenn im Publikum geredet wird.

Klaus Lohr: Bei unseren Auftritten hören die Leute in der Regel sehr aufmerksam zu. Allerdings habe ich das Gefühl, dass seit der Erfindung des Smartphones, sich die Aufmerksamkeitsphasen verkürzen. Durch die verstärkte Nutzung von Social Media und die Möglichkeit, alles streamen und googeln zu müssen, scheinen viele Leute mehr gefordert und abgelenkt zu sein. Uns fällt auf: Jüngere Besucher sind nach einer Stunde nicht mehr so aufnahmefähig wie Ältere. Deswegen bedanken wir uns nach jedem Auftritt bei den Leuten für Ihre Aufmerksamkeit. Die Bereitschaft Zuzuhören ist in der heutigen Gesellschaft nicht mehr selbstverständlich.

Der Dialog mit eurem Publikum ist euch ja generell sehr wichtig. Ihr habt auch kein vorgefertigtes Programm, sondern stellt euch bei jedem Auftritt neu und individuell auf eure Gäste ein. Außerdem spielt ihr lieber auf kleinen Bühnen. Warum ist das so?

Klaus Lohr: Unser Slogan ist: Lieber zehnmal vor 80 Leuten spielen, als einmal vor 800. Je weniger Menschen im Publikum sind, desto lauschiger und persönlicher ist die Atmosphäre. Du bist nah an den Leuten und tauschst dich aus. Wichtig ist uns der direkte Dialog.

Franz Offenbecher: Wir wissen, dass wir auf diese Weise, indem wir nur auf kleinen Bühnen spielen, auch nur kleine Brötchen backen können. Aber trotz dieser Einstellung und trotz fehlender Website ist fast jeder Auftritt von uns seit 35 Jahren ausverkauft. Das spricht doch für sich, oder? (Die beiden schmunzeln.)

Ja, das stimmt. Und noch eine Frage zum Schluss: Was ist euer hessisches Lieblingswort?

Beide einstimmig: Babbsack.


bees_denäwe.vita

Franz Offenbecher, *29.10.1958 in Darmstadt, Fachabitur, Ausbildung zum Erzieher seit 2020 Rentner, davor Verwaltungsfachangestellter, ist Vater einer Tochter, hat zwei Enkelinnen und lebt mit seiner Ehefrau in der Pfalz.

Klaus Lohr, *07.06.1959 in Darmstadt, Realschulabschluss, Ausbildung als Schriftsetzer/Mediengestalter, arbeitet als Grafiker beim Darmstädter Echo, ist Vater zweier Töchter, hat fünf Enkel und lebt mit seiner Ehefrau in Riedstadt

Lohr und Offenbecher lernten sich Mitte der Achtziger beim Musizieren im Cafe Moskito in Erfelden kennen. Die Idee, etwas zusammen auf die Beine zu stellen, entstand relativ schnell. Der Name „Bees Danäwe“ kam bei einem Telefongespräch um 2 Uhr nachts auf. Seitdem stehen die beiden unter dieser Bezeichnung gemeinsam auf der Bühne.
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