Ein atemloses Leben für die Kunst

Ute Ritschel erhält das Bundesverdienstkreuz am Bande

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Waldkunst, Vogelfrei, KunstTREFFpunkt, GNAP, ArtTafel: Die Darmstädter Kuratorin und Kulturanthropologin hat die Darmstädter Kulturlandschaft geprägt. Ihr jahrzehntelanges ehrenamtliches Engagement wurde jetzt gewürdigt.

Ihre Biografie könnte Bücher füllen. „Es ist irrsinnig viel, was ich im Leben gemacht und gesehen habe“. Ute Ritschel empfängt mich in ihrem verwunschenen Haus im Komponistenviertel. Hier begann 1992 alles mit der Reihe „Kultur im Wohnzimmer“. Etwa 30 Kulturbegeisterte trafen sich im Wohnzimmer inmitten von Kunst, Porzellan, Büchern, einem Klavier und einer Bühne im Garten.  Es folgte die Kunstbiennale „Vogelfrei“, bei der insgesamt über 350 Künstler:innen aus 30 Ländern 450 Kunstprojekte in Darmstädter Privatgärten ausstellten. „Ich liebe Orte und Szenografien, bei denen man Menschen durch Räume bewegt“.

Als sie im Alter von 24 Jahren den Satz „Repetition is a measure of time” schrieb, konnte sie noch nicht ahnen, wie sehr er sich bewahrheiten sollte. „Nur durch Wiederholungen schaffen wir einen Mehrwert.“ Die Liste der Wiederholungen ist jedenfalls lang: 30 Jahre Kuratorin, je 20 Jahre Vogelfrei und KunstTREFFpunkt Performances und Waldkunst, 30 Jahre eigenes Kunstschaffen, 6 Jahre Global Nomadic Art Project (GNAP), 40 Jahre Lehraufträge. Kunst ist ihr Lebenselixier.

Alle zwei Jahre organisiert Ute Ritschel mit dem Internationalen Waldkunst-Verein den Internationalen Waldkunstpfad in Darmstadt, den jährlich 120.000–130.000 Menschen besuchen. Die Künstler:innen kommen aus der ganzen Welt, zwei Drittel aus dem Ausland, die Hälfte sind Frauen. Aktuell plant sie den diesjährigen Waldkunstpfad „Kunst Natur Wasser“.

Sie ist international sehr gut vernetzt, hatte Lehraufträge in den USA und Deutschland und hielt Vorträge auf jedem Kontinent. Zwei ihrer Waldkunstpfade stehen in Wisconsin (USA) und Mount Lushan in China, den 4 Millionen Menschen besuchten. Wichtige Kooperationen bestehen mit der Stadt Darmstadt, der Schader-Stiftung, der Grube Messel und dem UNESCO Global Geopark Bergstraße-Odenwald.

Dazu kommt ihre eigene Kunst, die sie unter dem Namen „Kunst und Essen“ präsentiert. Dabei entstehen im In- und Ausland Performances, essbare Kunstprojekte und Fotoserien. Auf Tellern und Tischen arrangiert sie Puddings oder Zwiebeln bzw. „Finland Wild Food“ mit Knäckebrot und Lakritz.

Ute Ritschel wuchs in einem ästhetischen Umfeld auf: Ihr Vater war Handelsvertreter für Rosenthal-Porzellan, Ölgemälde schmückten die Wände. Schon früh war Ute Ritschel kreativ und gestaltete. „Ich habe schon immer gerne etwas mit den Händen gemacht“, erzählt sie. Im Elternhaus gab es viel Musik. Ihre Leidenschaft fürs Theater begann mit einem Abo am Frankfurter Theater. Sie studierte Theaterwissenschaft und Kunstgeschichte in Erlangen, später auch Anthropologie und arbeitete als Dramaturgin am Theater Nürnberg. In New York studierte sie Performances und lebte außerdem in Paris, Berlin, London, Florenz. Nach Darmstadt kam sie durch ihren Mann, der hier an der TU studierte.

„Heute ist der Wald meine Bühne und auch bei Vogelfrei ist im Prinzip jeder Besuch eines Gartens ein kleines Theater, in dem sich Menschen und Künstler:innen bewegen“, sagt Ute Ritschel. Und auch beim Kindertheater im Rahmen des Waldkunstpfads wird alles miteinander verbunden.

„Alles in meinem Leben hat zusammengepasst und zu dem geführt, was es jetzt ist“. Über die Ehrung, die sie am 22. Januar von Digitalministerin Kristina Sinemus überreicht bekam, hat sie sich sehr gefreut. Für die Zukunft wünscht sie sich, junge Menschen für Waldkunst zu begeistern und finanzielle Unterstützung durch die Kommune und Spenden, damit ihre Projekte weitergeführt werden können – und es noch viele Wiederholungen gibt.

16.3., digitaler Wald im Schloss Fechenbach

23. bis 26.5., Waldkunstflohmarkt (Spenden werden ab dem 1.4. angenommen)


ute_ritschel.vita

Studium der Theaterwissenschaft, Kunstgeschichte und Kulturanthropologie, mehrjährige Auslandsaufenthalte, Tätigkeiten als Dramaturgin, Kuratorin und in der Kunst- und Kulturvermittlung, Vorträge über Performances und Eat-Art in der ganzen Welt.
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