„Ich gehe gerne auf Entdeckungsreise.“

Stefanie Patruno im FRIZZ-Interview

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© Klaus Mai

FRIZZ: Wie entstand Ihr Interesse an Kunst?

Stefanie Patruno: Durch eine Studiefahrt nach Paris, an der ich als 13-Jährige gemeinsam mit Oberstufenschülern teilnehmen durfte. Im Musée Picasso hatte ich dann meine erste leidenschaftliche Begegnung mit einem Gemälde - „Der Tod Casagemas“ von Pablo Picasso, in dem er seine Betroffenheit vom Selbstmord seines Freundes festgehalten hat. Anschließend habe ich begonnen, regelmäßig Ausstellungen zu besuchen und mir Kunstbücher zu kaufen.

Nach Ihrem Studium der Kunstgeschichte in Heidelberg haben Sie in der Kunsthalle in Mannheim gearbeitet. Was waren dort Ihre Aufgaben? I

ch war lange Jahre in der Kunstvermittlung tätig und habe kunstpädagogische Projekte geleitet. Von 2005 bis 2007 war ich Assistentin des Direktors und danach als Ausstellungskuratorin sowie Sammlungskonservatorin tätig. Zuletzt habe ich dort die Sammlungen Skulptur und Neue Medien betreut.

Was hat Sie dazu bewogen, sich in Darmstadt zu bewerben?

Ich habe die Mathildenhöhe und ihre Ausstellungen oft besucht. Gibt es denn einen schöneren und spannenderen Ort als diesen? Da sagte ich mir: „Probiere es mal“ . Als es geklappt hat, habe ich mich wahnsinnig gefreut.

Was ist das Besondere an der Mathildenhöhe?

Es ist ein einmaliger Ort mit historischer Vergangenheit, der aber nach wie vor sehr lebendig ist.

Welche Aufgaben haben Sie als stellvertretende Direktorin?

Meine Aufgaben sind sehr vielfältig: Ich bin Sammlungskonservatorin von 15.000 Arbeiten, plane und bereite Ausstellungen von der Romantik bis zur zeitgenössischen Kunst vor. Darüber hinaus arbeite ich gemeinsam mit dem Direktor an der Sanierung des Ausstellungsgebäudes und an der Bewerbung für die Ernennung zum UNESCO-Weltkulturerbe.

Was bereitet Ihnen an Ihrer Arbeit besondere Freude?

Die Entdeckung der Sammlung mit groß- artigen Objekten des Kunsthandwerks, die Spannbreite von der Romantik über die Moderne bis hin zur zeitgenössischen Kunst, die Sanierung des Ausstellungsgebäudes und der Antrag auf Ernennung zum UNESCO-Weltkulturerbe – das sind vier Felder meiner Tätigkeit auf der Mathildenhöhe. Auch die Arbeit im Team hier bereitet mir große Freude. Fantastisch ist auch der wissenschaftliche Anspruch, der meiner Neugier, immer Neues zu entdecken, entgegenkommt.

Wie kam es zu der wunderschönen Ausstellung mit den Jugendstilfliesen?

2015 vermachte uns die verstorbene Inge Niemöller, studierte Bibliothekarin und Nichte von Martin Niemöller (Pfarrer und Widerstandskämpfer gegen den Nationalsozialismus, Anm. d. Red.), 600 Fliesen. Dr. Philipp Gutbrod, Direktor der Mathildenhöhe, fragte, ob ich Lust hätte, diese Schenkung aufzuarbeiten. Es ist ein großer Schatz, den es zu verwalten galt. In kurzer Zeit haben wir die Fliesen wissenschaftlich aufgearbeitet, gereinigt, vermessen, fotografiert und katalogisiert und mit dem Bestand an Fliesen der städtischen Kunstsammlung, u.a. von Peter Behrens oder Albin Müller, ergänzt. 

Wie ist das Konzept der Ausstellung?

Ich wollte die Fliese mal auf eine andere Art und Weise betrachten, nicht als Einzel- oder Sammlerobjekt. Daher habe ich die Ausstellung unter kunst- und kulturgeschichtlichen Gesichtspunkten im europaweiten Kontext konzipiert.

Was erwartet die Besucher?

Es ist eine sehr umfangreiche Schau von Jugendstilfliesen, darunter deutsche, englische und belgische Stücke. Die ausgewählten Werke und Leihgaben zeugen zusammen mit Entwurfszeichnungen, Tapeten, Stoffen und Möbeln von den Einflüssen, der Entwicklung und Verbreitung der Jugendstilornamentik. Das Highlight ist eine große Fliesenwand aus 144 Fliesen. Dabei ist der Katalog zur Ausstellung ein kleines Standardwerk zum Thema Jugendstilfliesen geworden.

Wann beginnt die Sanierung des Ausstellungsgebäudes?

Demnächst wird die Baustelle eingerichtet. In knapp zwei Jahren soll die Sanierung beendet sein. Wir brennen natürlich schon darauf und nutzen die verbleibende Zeit, um das Ausstellungsprogramm vorzubereiten. Aber das Museum Künstlerkolonie bleibt in der Zwischenzeit ein offenes Haus mit interessanten Ausstellungen. Demnächst werde ich hier die ständige Sammlung unter dem Gesichtspunkt aktueller Themen umgestalten, die im Juli eingeweiht wird.

Ein Wunsch für die Zukunft?

Auf der Mathildenhöhe mit der Sanierung des Ausstellungsgebäudes und der Bewerbung als Weltkulturerbe liegt eine großartige Zukunft vor uns. Ich habe Lust, hier anzupacken!

Vielen Dank für das Gespräch!

Für die Ausstellung gibt es verschiedene Sponsoren, u.a. die Hessische Kulturstiftung. Die Farben für die Ausstellungs-Architektur werden von Caparol zur Verfügung gestellt.

Weitere Infos:

www.mathildenhoehe.eu

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