„Ich habe immer viel daran gedacht: Was könnte passieren?“

Wie zwei Darmstädter mit einem Bus durch Afrika reisen und einen Kontinent lieben lernen

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25.000 Kilometer durch Afrika – was wie eine Geschichte aus einem Jules-Verne-Roman klingt, ist für Leon von Borck und Patrick Dechert real. Mit ihrem selbst umgebauten Bus haben die beiden Darmstädter Abiturienten die Westküste Afrikas bereist und nun ein Buch über ihre Erlebnisse veröffentlicht. FRIZZmag hat sie getroffen und mit ihnen über fremde Kulturen, Freundschaft und Vertrauen gesprochen.

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FRIZZmag: Von der Freiheit, sieben Monate durch fremde Länder zu reisen, zurück in ein Corona-Deutschland – wie war das für euch?

Patrick: Für mich war es erst mal nicht so schlimm. Wir waren ja sieben Monate unterwegs, haben dauernd etwas erlebt und hatten dann hier auch direkt das Projekt mit dem Buch, was uns beschäftigt hat.

Leon: Natürlich haben wir kurz gedacht: ‚Jetzt können wir uns gar nicht auf Jobs bewerben‘, aber dann haben wir uns einfach auf das Buch konzentriert.

Patrick: Und auch auf die Reise hatte es keine schlimmen Auswirkungen. Von 16 geplanten Ländern waren wir nur in Südafrika nicht.

Was hat euch denn nach Afrika gezogen?

Patrick: Afrika hat mich schon immer fasziniert – die Menschen, die Tiere, die Natur. Außerdem kommt man recht einfach nach Afrika. Mit der Fähre kann man von Spanien nach Marokko übersetzen und das geht echt schnell. Eigentlich wollten wir erst die Ost-Route fahren, aber als dann die Lage in Ägypten und Israel etwas heikler wurde und wir einen Vortrag von Carlo Drechsel gehört hatten, haben wir uns für die West-Route entschieden.

Was für ein Gefühl hattet ihr am Abfahrtstag, als euch bewusst wurde, dass ihr jetzt sieben Monate auf Reisen geht?

Patrick: Wir haben es erst mal ganz schlau gemacht und sind zu Beginn mit ein paar Freunden an den Atlantik gefahren. Das hat sich dann wie Urlaub angefühlt und der Abschied ist nicht so schwergefallen. Aber als wir nach Madrid kamen, mussten wir auf ein bestelltes Ersatzteil fürs Auto warten und ich wurde etwas krank. Da dachte ich: ‚Wow, sieben Monate sind ganz schön lang, und wir sind noch nicht mal in Afrika‘. Das war bei mir die einzige richtige Down-Phase. Ich hatte sogar einmal Malaria und selbst da war ich besser drauf.

Leon: Ich habe immer viel daran gedacht: Was könnte passieren? Wir hatten kaum Infos, nur den Vortrag von Carlo Drechsel, aber im Endeffekt hat es immer auf die ein oder andere Weise geklappt.

Sieben Monate zu zweit in einem Bus durch einen fremden Kontinent ist doch bestimmt auch ein Härtetest für eure Freundschaft gewesen.

Patrick: Ich muss ganz ehrlich sagen, diese Reise hätte mit keiner anderen Person so gut geklappt, wie mit Leon. Wir haben uns nie gestritten.

Leon: Wenn überhaupt, über sinnlosen Kram.

Patrick: Nicht mal das, also nicht gestritten. Wir haben vielleicht mal diskutiert, aber nie über den Reisefortlauf. Wir hatten immer den gleichen Reiserhythmus.

Ihr habt auf eurer Reise viele Menschen getroffen, teilweise sogar in eurem Bus mitgenommen – ist euch das Vertrauen leichtgefallen?

Patrick: Wir haben einmal einen Mann, Buba, mitgenommen, der dann zwei Wochen mit uns unterwegs war. Am Anfang hat er mit uns musiziert und uns Obst gebracht. Irgendwann haben wir halt erzählt, dass wir nach Guinea fahren. Er war Flüchtling aus Guinea, hatte seine Familie sieben Jahre lang nicht mehr gesehen und hat uns dann gefragt, ob wir ihn in sein Heimatdorf mitnehmen könnten. Am Anfang war die Haltung: Eher nicht. Schon in Marokko haben wir viele Anhalter erlebt und da wollten wir das Risiko nicht eingehen. Aber am Ende haben wir ihn doch mitgenommen und nach einem Tag hatten wir schon keine Sorgen mehr. Er war voll der liebenswerte Mensch.

Davor hattet ihr aber schon mal einen Schweizer mitgenommen.

Leon: Genau. Gabriel hatten wir schneller vertraut, weil da die Kommunikation einfacher war. Er kam aus Lausanne und wir konnten beide gut Französisch und Englisch. Es war klar, auf was für einer Ebene man kommuniziert. Deshalb war es auch schwerer Buba zu vertrauen, weil am Anfang nicht so klar war, worüber eigentlich geredet wird.

Was habt ihr denn durch solche Erfahrungen über eure eigenen Vorurteile gelernt?

Patrick: Wir haben vor allem gelernt, dass es dort genauso Idioten gibt wie hier, dass aber der Großteil der Menschen einfach liebenswert ist. Im Endeffekt wollen alle nur ihr Geschäft machen und am Abend ein Essen nach Hause bringen.

Leon: In Marokko und ganz Westafrika gab es auch eine Gastfreundschaft, die mir so noch nie woanders begegnet ist. Und hier wahrscheinlich auch nie begegnen wird.

Ihr habt euer Abi in der Tasche, seid 25.000 Kilometer durch Afrika gereist und habt ein Buch veröffentlicht – was kommt als nächstes?

Patrick (lacht): Also im Hinterkopf habe ich ganz viele Ideen.

Leon: Ja, ich auch! Wir haben ja unser Label „Projekt Raum“ gegründet und die Website soll als Basis für alle möglichen kreativen und handwerklichen Projekte dienen, aber auch für zukünftige Reisen. Im direkten Zusammenhang mit dem Buch wollen wir gerne Vorträge über unsere Reise halten.

Patrick: Unser Ziel mit dem Buch war und ist es auch, Menschen eine Afrikareise näherzubringen.

©Verlag

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Biografie: Leon von Borck (19) und Patrick Dechert (20) kennen sich schon seit der ersten Klasse. Die beiden gebürtigen Darmstädter haben auf dem Justus-Liebig-Gymnasium ihr Abitur gemacht und sind danach zu ihrer bis dato größten Reise nach Afrika aufgebrochen. Ihre Erfahrungen haben sie in dem Bildband „L'ÉTRANGER“ festgehalten und unter ihrem Label „Projekt Raum“ publiziert.
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