Architektin mit Leib und Seele

Cornelia Zuschke ist seit Juni die neue Bau-, Verkehrs- und Umweltdezernentin der Wissenschaftsstadt Darmstadt.

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© Walter M. Rammler

Große und spannende Projekte stehen ihr bevor: Rathaus, Nordbad, die Lincoln-Siedlung, der Stadionneubau und die Erstellung eines neuen Verkehrsentwicklungsplans. Spannend ist auch ihr Werdegang. Zuschke wuchs in einem Pfarrershaushalt auf und studierte in Weimar an der heutigen Bauhausuniversität Architektur, bevor sie nach einem Ausreiseantrag 1989 in die BRD gelangte. 14 Jahre war sie in Fulda  Stadtbaurätin, bis ein Anruf aus Darmstadt kam ... FRIZZ erzählt ihre Geschichte - es ist auch ein Stück deutsche Geschichte.

Cornelia Zuschke ist eine auffallende Erscheinung: charmant, direkt, witzig, flott gekleidet, kompetent und eloquent. Wir treffen uns im Da Carlo am Luisenplatz und vergessen im italienischen Stimmen- und Handygewirr so die Zeit, dass wir gar nicht mehr in ihr Büro im Rathaus wechseln. 1961 in Tonndorf bei Weimar geboren, wuchs sie mit ihrer älteren Schwester in einer Pfarrersfamilie auf. „Dafür bin ich sehr dankbar. Denn es war eine freiheitliche Insel im Sozialismus.“ Außerdem eine kunst- und kultursinnige Familie: „Aufgewachsen bin ich mit Geige, Bibel und Goethe und Schiller“. Dadurch, dass sie ein Pfarrerskind war, blieben ihr in der DDR viele Wege versperrt, trotzdem machte sie Abitur. „Hindernisse machen einen auch kreativ und beweglich.“ Sie bestand „richtig gut“ den Eignungstest an der damaligen Hochschule für Architektur und Bauwesen TH (heute: Bauhausuniversität Weimar) durfte aber erst nach einem Jahr auf dem Bau mit dem Studium beginnen. „Das war die beste Entscheidung meines Lebens und das Studium eine schöne Zeit.“ Bald betreute sie die Weimarer Kunstsammlung und die grafische Sammlung. Bereits während des Studiums wurde sie politisch aktiv, vor allem im Bereich Umwelt. „Es war eigentlich gar nicht so abenteuerlich, man richtete sich entsprechend ein“. Die Repressalien wurden aber immer stärker, alles wurde reglementiert. Sie stellte einen Ausreiseantrag (ein Teil der Familie lebte in der BRD), der erst nach mehreren Jahren bewilligt wurde. „Als ich jetzt im Fernsehen die Bilder von „25 Jahre Mauerfall“ sah, war ich tief bewegt -  schließlich ist unsere Generation ein Teil der deutschen Geschichte“. 

1990 reiste sie mit ihrem 3-jährigen Sohn aus und landete nach Zwischenstationen in Fulda. Eigentlich sollte die Barockstadt eine Durchreise-Station sein, doch sie blieb über 20 Jahre lang dort. Sie begann mit einer Stelle beim Hessischen Staatsbauamt im Bereich Bauerhaltung, Neubau und Denkmalpflege, 1993 übernahm sie die Leitung der Unteren Denkmalschutzbehörde, ab 1997 die Leitung des Stadtplanungsamtes, seit 2000 war sie Stadtbaurätin der Stadt Fulda. „Es hat sich alles so ergeben“. Bis im Frühjahr 2014 ein Anruf von Oberbürgermeister Jochen Partsch und der jetzigen Regierungspräsidentin Brigitte Lindscheid kam, sie solle sich auf die Stelle als neue Bau-, Verkehrs- und Umweltdezernentin bewerben. Erst mal hat sie „nein“ gesagt. Doch Darmstadt reizte sie - anders als Fulda; eine junge, dynamische, zukunftsfähige Stadt – „eine der besten Vertreterinnen im Rhein-Main-Gebiet“, so Zuschke. Eine Stadt in der es noch einmal etwas ganz anderes im Sinne von „viel zu bauen“ gibt. Inzwischen wohnt sie in Bessungen und mag besonders die Ludwigshöhe, zu der sie regelmäßig läuft. Erst nach über einer Stunde kommen wir zum Thema Stadtentwicklung. Hier möchte sie die Vergangenheit und die Zukunft der Stadt zusammenbringen. Innerstädtische Nachverdichtungen und Aufbrüche bestehender Maße sollten wohl überlegt werden. Andererseits kann es auch Bereiche mit Auflockerungen geben - das richtige Maß müsse gefunden werden. Auch der Verkehr - die Mobilität - sei ein großes Zukunftsthema. Darmstadt hätte eine aktive Bürgerschaft, derzeit lerne sie gerade vor Ort die Bürgerinitiativen kennen. Ihr Wunsch: ein Stadtentwicklungskonzept, auf dem man sicher und strukturiert arbeiten kann. 

Sie ist Architektin mit Leib und Seele: „Ich habe für mich den richtigen Beruf gewählt und es noch keine Sekunde bereut. Meine Arbeit macht mir große Freude und Spaß“. Als Frau in leitenden Postionen zu arbeiten ist zu Zeiten schwer, aber nicht schlecht und sie fordert Frauen auf: „Jede Frau soll sich auf den Weg machen, wenn sie es will!“. Bei allem, was sie macht, bleibt sie immer Frau. Nach dem Gespräch ist mir klar, warum es beim Abschied von Fulda Dankbarkeit, Applaus und Tränen gab ...  

www.darmstadt.de

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