Die erste Bürgerin der Stadt

Birgit Pörtner ist die Vorsteherin der Darmstädter Stadtverordnetenversammlung

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© Klaus Mai

In unserer Serie über die Darmstädter Stadtverordnetenversammlung (Stavo) haben wir die sechs jüngsten Mitglieder vorgestellt. Weiter geht es mit den vier Mitgliedern des Präsidiums der Stavo, diesmal: Stadtverordnetenvorsteherin Birgit Pörtner.

FRIZZmag: Frau Pörtner, die Stavo ist das von den Darmstädter Bürger*innen gewählte Parlament, das die Stadtregierung, den Magistrat kontrolliert. Geleitet werden die Sitzungen der Stavo von Ihnen oder einer Ihrer drei Stellvertreter*innen. Ist das eine angenehme Aufgabe?

Birgit Pörtner: Ja, oft schon. Manchmal ist es auch total nervig und sehr anstrengend.

Von den vier Leuten im Stavo-Vorstand sind drei aus Eberstadt. Ist in Eberstadt zu wohnen ein Qualitätskriterium?

Unbedingt (lacht). In der vorherigen Wahlperiode kamen alle vier aus Eberstadt, jetzt haben wir auch jemanden aus dem Johannesviertel aufgenommen.

Stadtverordnetenvorsteherin klingt ja eher antiquiert …

 … das ist auch antiquiert

Wäre Stadtparlamentspräsidentinals Titel nicht chicer?

Ja, das wäre bestimmt chicer. Ich glaube, es ist wichtiger, das mit Inhalten zu füllen und den Menschen zu erklären, was die Aufgabe einer Stadtverordnetenvorsteherin ist.

Sie sind ja protokollarisch die ersteBürgerin der Stadt, bloß weiß das von den Menschen in Darmstadt kaum jemand.Weil für die der erste Bürger eigentlichder Oberbürgermeister ist?

So ist es. Formal steht die Stavo-Vorsteherin über dem OB, das Stadtparlament hat die letzte Entscheidungskompetenz und ich vertrete die Stavo. Aber natürlich ist es so, dass der OB viel präsenter ist in der Öffentlichkeit.

Und auf Platz wieviel ist der Oberbürgermeister formal?

Nach mir.

Also protokollarisch auf Platz 2?

Ja. Ganz streng genommen müsste man sagen, als erstes kommt die Stavo als Gremium …

… dann wäre er ja erst auf Platz 72?

Nein, das würde ihm nicht gefallen (lacht). Wir belassen ihn mal auf Platz 2.

Was heißt das konkret, erste Bürgerin zu sein? Außer jetzt, dass man bei offiziellen Anlässen immer als erstes begrüßt werden muss?

In erster Linie heißt das, dass ich die Stavo vorbereite, sie leite und für eine geordnete Durchführung sorge, mit der Stoppuhr lebe und dem Knopf fürs Mirkofon, wenn jemand die Redezeit zu sehr ausweitet.

Was macht die Stavo-Vorsteherin noch außer die Sitzung zu leiten?

Ich vertrete die Stavo nach außen. Das wäre z.B. so, wenn es öffentliche Ankündigungen seitens der Stavo gäbe oder bei gerichtlichen Auseinandersetzungen.

Machen Sie eigentlich auch die Tagesordnung?

Nicht alleine, sondern gemeinsam mit den Fraktionsvorsitzenden. Das ist der sog. Ältestenrat, obwohl wir alle noch gar nicht so alt sind.

Wie wird man eigentlich Stadtverordnetenvorsteherin?

Ich weiß gar nicht, warum ich Stadtverordnetenvorsteherin geworden bin (denkt nach). Doch ich weiß es, weil ich vorher Stellvertreterin war (lacht).

Dann wäre jetzt meine nächste Frage,wie man Stellvertreterin wird.

Also, zunächst mal ist es so, dass die größte Fraktion im Parlament den/die Stadtverordnetenvorsteher*in stellt und die drei größten Fraktionen die drei Stellvertretungen. Deshalb haben wir aktuell zwei Grüne im Präsidium, außer mir noch Nicole Frölich, und von der CDU Lutz Achenbach und Dagmar Metzger von der SPD.

Warum hat man in Ihrer Parteigerade Sie ausgesucht?

Ich war 2011 zunächst nur Nachrückerin und bin dann Stellvertreterin geworden, weil mein Parteikollege im Amt aus Darmstadt weggezogen ist. Und es ist auch so, dass in unserer Partei für diese Funktion nicht gerade alle Hier schreien. Ich war damals ganz neu und Jeder und Jede musste etwas übernehmen, das war also gar nicht so zielgerichtet damals. Und 2016 hatte ich dann schon eine Menge Erfahrung und auch die nötige Souveränität, sodass ich das Amt gerne übernommen habe.

Wenn man so eine Stavo-Sitzung leitet,muss man ja irgendwie neutral sein. WürdenSie viel lieber flammende Reden halten?

Jaaa.

Z.B. wozu?

Das kann ich gar nicht reduzieren auf ein bestimmtes Thema. Das ist eher aus der Debatte heraus, wenn ich mich ärgere, weil das so ein Mist ist, was da gerade erzählt wird. Natürlich nicht von unserer Fraktion (lacht), nie. Ja, und dann sitzt man da oben und macht ein nettes Gesicht, vielleicht auch zu bösem Spiel.

Wenn man Sie googelt, um rauszukriegen, was Sie so richtig interessiert, kriegt man ja nicht so viel raus. Was sind denn Ihre politischen Leidenschaftsthemen?

Meine Leidenschaftsthemen sind, das hat mit meiner beruflichen Tätigkeit zu tun, sozialpolitische Themen. Berufliche Qualifizierung, berufliche Nachqualifizierung für Erwachsene, da merke ich, dass es nicht so viele Sozialpolitiker*innen gibt, die das auf der Agenda habe. Ich finde das Thema Stadtentwicklung wichtig, dafür habe ich eine Liebe entdeckt, bin aber nicht so die Expertin. Ich bin in die Sportpolitik gegangen, war in der letzten Wahlperiode Sportausschussvorsitzende, weil ich es auch wichtig finde, den organisierten und den nicht organisierten Bereich des Sports gut unter einen Hut zu bekommen.

Sie sind jedenfalls nicht so eine typischeKrötentransportgrüne? 

Nein, ich gehöre vom Typ her nicht zu den Menschen, die da an vorderer Front stehen. Ich bin ein pragmatischer Mensch mit einer linken Gesinnung.

Und was gibt es denn privat im LebenBirgit Pörtners, Reiten, Yoga, Joggen oder so, was Sie unseren Leser*innenverraten würden?

Ich spiele Querflöte.

Klassisch oder ....

Nee …

… so eher Jethro Tull?

Ja, das würd ich gerne, Locomotive Breath auf einem Bein spielen, aber das schaffe ich in diesem Leben nicht mehr, ich hab erst vor etwa vor fünf Jahren begonnen. Ich bin eine spätberufene Querflötenspielerin, spiele vorwiegend für mich und gehe einmal in der Woche in meinen Unterricht.

Wir haben das schon die jüngsten Stavos gefragt, deshalb fragen wir das auch die ranghöchste: Was würden Sie sich wünschen für Darmstadt, wenn es morgen sofort Realität sein könnte?

Was morgen Realität sein könnte (überlegt kurz). Dass wir ein komplett ausgebautes Fahrradwegenetz hätten, das wirklich gut verbunden ist.

Sie haben sich am Eberstädter Bahnhof fotografieren lassen, warum?

Weil ich seit 1990 täglich von dort nach Frankfurt pendele, weil der Eberstädter Bahnhof jetzt endlich saniert wird und ich zuversichtlich bin, dass ich die Fertigstellung noch in meinem Berufsleben erleben werde. Und weil er für mich auch ein Symbol dafür ist, dass wir uns gut, zumindest im Rhein-Main-Gebiet, ohne eigenes Auto bewegen können. Ich habe seit Jahren kein eigenes Auto mehr.

Haben Sie ein politisches Leitmotiv oder sowas wie ein Lebensmotto, das Sie uns zum Abschluss noch verraten?

Ja. Man muss sich einbringen, wenn man etwas verändern will.



 birgit_pörtner.info

*4.6.1963 in Diepholz, aufgewachsen in Wagenfeld, Abitur, Praktikum in einer Werkstatt für Menschen mit geistigen Behinderungen, Studium Sozialpädagogik an der EFH Darmstadt, deshalb seit 1984 in Darmstadt. Leiterin des Beratungszentrum für Arbeitssuchende und prekär Beschäftigung einer stadtnahen gemeinnützigen Gesellschaft in Frankfurt, wohnt in Eberstadt, seit 2010 Mitglieder der Grünen, vorher dort parteilos aktiv, seit 2011 Mitglied der Stadtverordnetenversammlung. Verheiratet, ein erwachsener Sohn.

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