„Die Politik hört ja nicht mal auf die Profis“

Fridays for Future Darmstadt bringt Tausende auf die Straße

by

©Julius Tamm


Allein in Darmstadt hat sich das Klima seit 1881 um 1,5 °C erwärmt und die Stadt ist noch weit von ihren Klimazielen entfernt. Kein Wunder, dass Fridays for Future Darmstadt so viel Zulauf hat. FRIZZmag hat mit den Klimaaktivist*innen Silas, Aurora und Björn über ihre Bewegung, die Zukunft und Respekt gesprochen.

FRIZZmag: An eurem letzten Klimastreik haben 8.000 Menschen in Darmstadt teilgenommen. Was ist eure Motivation, auf die Straße zu gehen?

Aurora: Die aktuelle Lage. Wer die Nachrichten schaut, die Berichte über den Klimanotstand sieht und davon nicht bewegt wird, bei dem muss etwas falsch laufen.

Björn: Als ich mich mit dem Thema in der Uni beschäftigt habe, hat es mich emotional ganz schön gepackt. Wir planen unser Leben, studieren, gehen arbeiten, irgendwann kommt die Rente, aber so linear ist es nicht. Wenn wir in Rente sind, gibt es vielleicht nicht mehr ausreichend Lebensmittel, Kriege werden über Rohstoffe geführt oder unser Lebensraum wird durch Naturkatastrophen zerstört.



Darmstadt selbst wird von einem grünen Oberbürgermeister regiert. Müssten wir da nicht Vorreiter in Sachen Klimapolitik sein?

Björn: Gerade vor zwei Wochen wurde eine Klimabilanz rausgegeben, die zeigt, dass Darmstadt erst 2076 klimaneutral sein wird. Für das 1,5 °C-Ziel müsste das aber schon 2035 der Fall sein. 

Silas: Wir haben das in unserem Brandbrief an die Stadt so formuliert. Auch der Klimanotstand wurde hier ewig vertagt, viel zu spät beschlossen und jetzt hat er nicht mal einen richtigen Namen.

Björn: Das eigentlich Traurige ist, dass vor der grünen Regierung in Darmstadt mehr CO2 eingespart wurde.

Die Stadt verhängt Fahrverbote für Dieselautos in manchen Straßen und investiert mehr Geld für den Fahrradverkehr. Was haltet ihr von solchen Maßnahmen?

Aurora: Dafür gibt es einen tollen Begriff: Green Washing. Ich glaube nicht, dass die Maßnahmen gegen Dieselfahrzeuge wirklich etwas bringen – damit werden die eigentlichen Probleme ignoriert und nur der Schein gewahrt.

Björn: Toll ist, dass Darmstadt pro Kopf und Jahr 25 Euro für die Fahrradinfrastruktur ausgibt, damit liegen wir sogar über Amsterdam. Aber das alleine reicht nicht. Wenn einige Straßen für Diesel gesperrt werden, fahren diese Fahrzeuge dann einen längeren Weg, um ans Ziel zu kommen. Außerdem wird damit nur eine Gruppe von Menschen benachteiligt und es ist keine richtige Verkehrswende.

 

Hat die Stadt auf euren Brandbrief reagiert?

Silas: Ja, wir wurden zu einem Gespräch eingeladen, dass noch stattfinden soll. Es ist ein Anfang, aber wir würden uns konkrete Maßnahmen wünschen.

Neben Fahrverboten und mehr Radverkehr – was könnte denn in Darmstadt klimapolitisch noch gemacht werden?

Björn: Zum Beispiel könnte mehr Geld in den öffentlichen Nahverkehr investiert werden, beziehungsweise sollten die Fahrpreise günstiger werden – vor allem im Landkreis.

Silas: Ansonsten haben wir keine konkreten Forderungen an Darmstadt, sondern eher die allgemeinen Forderungen von Fridays for Future wie das Einhalten des Pariser Abkommens.



CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer hat gerade öffentlich gesagt, dass sie ihren Kindern keine Entschuldigung für Fridays for Future schreiben würde, Christian Lindner fordert euch auf, die Arbeit doch den Profis zu überlassen. Wie geht ihr mit solchen Aussagen um?

Aurora: Die Profis sind auf unserer Seite. Fast alle Klimaforscher sagen, dass es so nicht weitergehen kann und wir dringend etwas unternehmen müssen. Aber die Politik hört ja nicht mal auf die Profis.

Silas: Und wegen des Schulschwänzer-Arguments – wenn wir nur samstags gestreikt hätten, hätten wir nie diese große Aufmerksamkeit erhalten. Zusätzlich haben wir auch an Wochenenden und in den Ferien gestreikt, um zu zeigen, dass es eben nicht ums Schwänzen geht.



Es gibt kritische Stimmen wie die Journalistin Nena Schink, die behaupten, dass Fridays for Future eine einseitige Debatte führe und Kritik nicht zuließe. So würden Politiker wie Peter Altmaier oder Andreas Scheuer auf Klimademos nur ausgebuht werden und kämen nicht zu Wort.

Aurora: Es ist schwierig. Die Politiker, die dort ausgebuht werden, hören uns auch nicht zu. Würden wir mit Respekt behandelt werden, käme auch mehr Respekt von uns zurück. Prinzipiell denke ich aber, dass wir allen zuhören sollten, einfach aus Respekt vor dem jeweiligen Menschen.

Björn: Oft dreht sich die Kritik nicht um unsere Forderungen, sondern versucht nur, uns als Bewegung anzugreifen. Argumente wie das Schuleschwänzen oder dass wir gar keine richtigen Klimaschützer wären, weil wir da und da einkaufen – das hat einfach nichts mit den eigentlichen Themen zu tun.



Könntet ihr euch vorstellen, selbst politisch aktiv zu werden und euch auf dieser Ebene für Klimapolitik einzusetzen?

Björn: Für eine effektive Wende in der Klimapolitik haben wir nur noch bis 2030 Zeit und das ist echt nicht lang, um sich in einer Partei hochzuarbeiten, um wirklich was bewirken zu können.

Silas: Persönlich könnte ich es mir schon vorstellen; dass die ganze Bewegung aber zu einer Partei oder politischen Kraft wird, glaube ich nicht. Ich denke, dass außerparlamentarischer Druck durch Aktivismus viel einfacher, schneller und niedrigschwelliger ist.

Aurora: Genau. Wir haben jetzt die Möglichkeit, unglaublich viele Menschen zu mobilisieren, weil es keine Voraussetzungen braucht, um bei uns mitzumachen. Politik ist nichts für jeden – außerdem wäre es mir zu viel Papierkram (lacht).

Vielen Dank für das Gespräch.


fff_da.vitae


Silas ist 19 Jahre alt und macht aktuell eine Ausbildung zum Erzieher. Er hat die Fridays-for-Future-Bewegung zu Beginn in den Medien verfolgt und war dann in Frankfurt das erste Mal auf einer Demo. Mittlerweile kümmert er sich um die Pressearbeit von Fridays for Future Darmstadt.

Björn kommt auch aus Darmstadt und ist 21 Jahre alt. Im Moment studiert er Politikwissenschaft und Philosophie an der Goethe-Universität Frankfurt. Über ein autonomes Tutorium wurde sein Interesse an Klimapolitik geweckt und er kümmert sich wie Silas um die Pressearbeit von Fridays for Future Darmstadt.

Aurora macht gerade ihr Fachabitur in Gestaltung und ist 19 Jahre alt. Sie war schon früher politisch aktiv, unter anderem bei den Frauentag-Demos. Ihre erste Klimademo war der Global Strike im Sommer und sie ist über ihre Freunde zu Fridays for Future Darmstadt gekommen.


Hier geht es zum Instagram Kanal.
Back to topbutton