„Ich würde mich als Typ Normalbürger beschreiben.”

• 2018 gewannen fünf Grüne bei der Landtagswahl in Hessen erstmals ein Direktmandat. Hildegard Förster-Heldmann gelang das im Wahlkreis 49, der bislang als Hochburg der SPD galt. Die 60-Jährige ist seit Oktober 2017 Abgeordnete des Hessischen Landtags.

FRIZZmag: Hallo Frau Förster, darf ich Du sagen? Weil auf den Plakaten stand ja auch immer „Triff Hilde”, also treff ich doch jetzt Hilde und nicht Frau Förster-Heldmann, oder?

Hildegard Förster-Heldmann: (lacht) Ja, na klar.

Dein nicht ganz unerwarteter Sieg im Wahlkreis 49 ist ja jetzt schon ein paar Tage her. Hast Du inzwischen realisiert, was Dir da gelungen ist?

Die Aufregung ist ein bisschen weg, aber die Intensität hat nicht nachgelassen, weil die Wahlkampfarbeit in dieAlltagsarbeit übergegangen ist. Es ist eben immer noch alles Arbeit und von nichts kommt nichts!

Ist das jetzt eher doof, dass das auch noch vier andere Grüne gepackt haben, weil Du jetzt doch nur 20% der Geschichte bist?

Nee, finde ich gar nicht (lacht). Ich bin mal gespannt, wie unsere Partei mit der Situation, Direktmandate zuhaben, umgeht. Denn ich habe schon den Anspruch, und das habe ich auch schon meiner Fraktion klar gemacht, dass ich die von Darmstadt und für Darmstadt entsandte Abgeordnete bin.

Du bist ja schon seit 17.10.2017 MdL, nachgerückt für Tarek Al-Wazir, der ja jetzt auch direkt wieder gewählt wurde. War sein Rücktritt als Abgeordneter ein taktisches Manöver, um Dich für den Wahlkampf besser zu positionieren?

Nee. Tarek hat von Anfang an gesagt, dass er sichergestellt haben möchte, dass die Schwarz-Grüne Koalition funktioniert, und wenn er das Gefühl hat, dass das trägt bis zur nächsten Landtagswahl, dann ist er auch bereit, sein Mandat abzugeben. Ich hab mich tierisch darüber gefreut, dass er das gemacht hat und ich hab das auch auf meine Person bezogen, denn wenn er Vorbehalte gehabt hätte, dann hätte er sicher nicht sein Mandat abgegeben.

Wie erklärst Du Dir den Aufschwung der Grünen im Land und jetzt auch im Bund?

Die Grünen haben eine Konstanz in der politischen Auffassung, die einfach überzeugt. Ich persönlich denke, dass es die große Stärke der Grünen ist, soziale, ökologische und ökonomische Aspekte zusammenzufassen und so ein Gesellschaftsbild zu zeichnen.

Wann, glaubst Du, wird Robert Habeck Bundeskanzler?

Ich finde, dass Robert Habeck einen tollen Parteivorsitzenden abgibt. Er nimmt diese Rolle unglaublich gut an. Dass er natürlich noch mehr Fähigkeiten hat, ist unbestritten, aber wir Grüne sind nie besonders gut im spekulieren und bei solchen Personalfragen immer sehr verhalten.

Wieviel wichtiger ist charismatisches Führungspersonal als Inhalte?

Das Eine geht nicht ohne das Andere. Du kannst einen Charismatiker*in ohne Inhalte hinstellen, und der oder die kann trotzdem alles Mögliche vergeigen. Wenn jemand inhaltlich gut ist aber nicht charismatisch, landet er eher in der Wissenschaft und wird dort erfolgreich werden. Wenn aber der richtige Instinkt, die politische Bildung, Haltung und Charisma zusammenkommen, dieser Mensch von anderen getragen wird und auch noch in der Lage ist, andere mitzunehmen, dann wirst du einen erfolgreichen Menschen vor dir haben.

Würdest Du Dich selbst als charismatisch beschreiben?

Ich würde mich als Typ Normalbürger beschreiben. Das bietet auch Möglichkeiten, sich zu identifizieren, also mich zu wählen. (schmunzelt)

Du bist ja als Politikerin schon ganz schön erfahren, Stadtparlament, Fraktionsvorsitzende, Kreis- undLandesvorstand. Das war bisher eher Hobby, seit Oktober 2017 bist Du Profi. Was bedeutet das für DeinLeben konkret?

Es gab vor zwei, drei Jahren einen Punkt, wo ich mir überlegt habe, ob ich nochmal einen Richtungswechsel mache. Aber eine gute Freundin hat mir gesagt: Du bist doch jetzt genau da angekommen, wo du hin wolltest.Was mich total begeistert, ist, dass ich als Frau mit 60 nochmal so durchstarten kann. Es ist schon ganz schön anstrengend und ich mach das auch nicht mehr wie eine 30-Jährige. Aber es macht mir unglaublich viel Freude.

Schaun wir mal auf Ende 2023. Was hat Hilde Förster im Landtag bewegt?

Das ist eine gute Frage (lacht). Ich möchte beim Thema Wohnen und Stadtentwicklung etwas bewegen. Wie organisieren wir die Zukunft in den Ballungszentren, sodass dort jede*r eine Chance hat zu leben und zu wohnen? Wie bekommen wir das in diesen wirklich tollen Landstrichen hin, die wir in Hessen haben? Und vor allem, wie kriegen wir beides gemeinsam hin?

Kurz nach dem Ende der kommenden Legislaturperiode wirst Du 66 Jahre alt. Fängt da das Leben an oder machst Du weiter als MdL?

Ich fühle mich in meinem jetzigen Leben wirklich total wohl. Sicher werden sich mit 66 auch noch neue Perspektiven eröffnen, aber ein ganz neues Leben werde ich nicht anfangen. Also, ich gehe nicht auf die Insel (lacht).

Wenn Du Dir was wünschen könntest, was morgen schlagartig Realität ist, was wäre das?

Halb so viele Autos. Damit wir alle gemeinsam endlich wieder mehr Platz in unserer Stadt haben.

Und wenn Du Dir privat was wünschen könntest?

Privat habe ich nur den Wunsch, dass es meiner Familie gut geht.

Was würdest Du uns noch von Dir privat verraten? Hobbys?

Ich mache immer Werbung für meinen Lieblingsverein ,,LebenLernen auf Segelschiffen e.V.”, der den Großsegler Roald Amundsen betreibt. Das ist segeln in der Seemannschaft, das heißt, du machst nichts alleine, du brauchst immer ein Team um dich herum mit dem du das gemeinsam machst. Am 2. Januar gehts wieder los.

Du hast Dich im Herrngarten fotografieren lassen, warum?

Das war eine schwere Entscheidung, weil ich mich eigentlich überall in Darmstadt wohlfühle. Aber am wohlsten im Herrngarten.

Danke für das Gespräch.

hildegard_förster-heldmann.vita



*4. April 1958 in Herdorf, nach einer Lehre als Raumausstatterin Fachabi in Mainz und Studium der Innenarchitektur, seit 1981 in Darmstadt, Mitglied bei Bündnis 90/Die Grünen und Stadtverordnete seit 2001, von 2006-2011 stellvertretende und seit 2011 Vorsitzende der grünen Fraktion. Seit 2009 Mitglied im Landesvorstand und Sprecherin des Kreisverbands der Grünen Darmstadt. Ihr Listenplatz 17 bei Landtagswahl 2013 reichte nicht für den Einzug, erst am 17. Oktober 2017 rückte sie für Tarek Al-Wazir nach. Am 28.10.2018 wurde sie im Wahlkreis 49 direkt gewählt. Hilde Försterist verheiratet und hat zwei erwachsene Kinder.