Tattoos, Rotwein und keine Rechten mehr

Nicole Frölich rockt das Präsidium des Darmstädter Stadtparlaments

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©Klaus Mai

FRIZZmag: Liebe Frau Frölich, Sie sind ja so richtig cool, so wie ich mir niemals ein Stadtparlamentspräsidiumsmitglied vorgestellt habe. Im normalen Leben würde ich Sie duzen. Darf ich das?

Nicole Frölich: Ja, natürlich.

Was, findest Du, ist Dein schönstes Tattoo?

Die sind alle schön. Aber besonders stolz bin ich auf mein großes Drachentattoo auf dem Rücken und auf mein Darmstadt-Skyline-Tattoo an der Wade. Es zeigt den Fünffingerturm, das Regierungspräsidium, den Langen-Lui und das Schloß.

Was findest Du cool an der Stavo? Und was cool an Deinem Präsidiumsjob?

Dass wir die Sitzung leiten.

Und das findest Du cool?

Na gut, cool is das nicht wirklich, das ist eher harte Arbeit!

Wie lange bist Du eigentlich schon in der Stavo?

Ich bin quasi neu, also seit der letzten Kommunalwahl im März 2016 dabei, das ist meine erste Wahlperiode.

Okay, und dann bist Du gleich stellvertretende Stadtverordnetenvorsteherin geworden? Warum hat Deine Partei gerade Dich ausgesucht?

(Denkt kurz nach) Das weiß ich nicht. Ich wurde gefragt, ob ich mir das vorstellen könnte und hab dann gesagt, ganz unbedarft: Ja, das mach ich. Sitzungen leiten bin ich gewohnt, durch meine lange berufliche Arbeit beim Diakonischen Werk, und so einen Hummelhaufen zu ordnen bin ich auch gewohnt (lacht).

Die Stavo-Vorsteherin ist ja protokollarisch die erste Bürgerin der Stadt. Bist Du dann die zweite?

Ja genau, ich bin die zweite Bürgerin der Stadt.

Wenn man so eine Stavo-Sitzung leitet oder vizeleitet, muss man ja neutral sein. Würdest Du viel lieber flammende Reden halten?

Wenn ich zu bestimmten Themen unbedingt eine flammende Rede halten will, dann halte ich die. Man geht dann einfach zum entsprechenden Tagesordnungspunkt vom Präsidium runter, setzt sich als Stadtverordnete hin, wird aufgerufen und hält seine Rede.

Z.B. wozu?

Mein Schwerpunkt liegt im Sozialbereich, Armutsbekämpfung, Schaffung von Teilhabemöglichkeiten von Bürger*innen, die im besonderen Maße von Exklusion betroffen sind.

Wenn man Dich googelt, kriegt man raus dass Du in der Teestube arbeitest und natürlich die Sache mit dem Drohbrief von den AfD-Nazis. Magst Du davon was erzählen?

Ja, ich kann zu beidem etwas sagen. Das eine ist ja meine Arbeit, und das ist nicht nur die Teestube, sondern es sind sechs Einrichtungen, zu denen u.a. die Teestube dazu gehört. Träger ist das Diakonische Werk.

Welche Bereiche sind das genau?

Im ambulanten Bereich die Teestube, ein Tagesaufenthalt mit angegliederter Beratungsstelle, das das betreute Wohnen, also die Kollegen*innen, die  in die Wohnungen der betroffenen Menschen gehen und sie in ihrem Wohnumfeld unterstützen. Das ist die Bahnhofsmission am Darmstädter Hauptbahnhof. Dann haben wir noch drei stationäre Einrichtungen, das große Übernachtungsheim für wohnungslose Männer am Hauptbahnhof, das Frauenübergangswohnhaus für wohnungslose Frauen und das MuKis, eine Mutter-Kind-Einrichtung für alleinerziehende Frauen mit Kindern.

Wie war das mit dem Drohbrief? Das war doch im Zusammenhang mit dem Fest der Vielfalt in der Orangerie?

Ja, da hatte ich eine Drohmail bekommen.

Obwohl Du gar nicht bei der Veranstaltung dabei warst?

Ja, ich bin  erst ein paar Tage vorher aus dem Krankenhaus entlassen worden.

Das ist ja nicht wirklich lustig, wenn man so ne Mail bekommt.

Nee, gar nicht. Ich war erstmal geschockt. Ich habe morgens meine Mail abgerufen und der Betreff allein war in einer völligst verrohten Sprache geschrieben. Da muss sich jemand sehr viel Mühe gemacht haben, weil es diverse Links zu meiner Person gab. Unter anderem ein Link zu meiner Person bei den Grünen. Dann gab es mehrere Links, die ich nicht mehr geöffnet habe, zu Brandanschlägen u.a. in Leipzig, und es stand in der Mail,  dass mir so etwas auch passieren würde. Da wurde mir ganz konkret mit einem Brandanschlag gedroht! Ich bin zur Polizei und habe die ganze Sache angezeigt. Die Polizei hat den Vorfall sehr ernst genommen. Sie sind dann auch öfter mal bei mir vorbei gefahren, haben ermittelt und sind der Sache nachgegangen.

Aber das hält Dich nicht davon ab, Deine politischen Ansichten klar zu vertreten?

Nein. Man hat schon erstmal ein komisches Gefühl und macht sich schon ein paar Gedanken. Aber ich bin so ein Typ, ich lasse mich nicht in eine Opferrolle reindrücken. Ich denke, jetzt muss ich erst recht in die Offensive gehen.

Hast Du ein besonderes politisches Leidenschaftsthema?

Ja, besonders wichtig ist mir das Schaffen von bezahlbarem Wohnraum.

Und was gibt es denn privat im Leben an Hobbys oder so, was Du  unseren Leser*innen verraten würdest?

Ich bin leidenschaftliche Hobbytaucherin, am liebsten tauche ich im Meer aber genauso gerne in Seen in der Umgebung. Ich spiele E-Bass. Ich sammele Vinyl-Schallplatten, querbeet. Meine absolute Lieblingsband ist Police auch natürlich Sting, denen hab meinen ganzen rechten Arm gewidmet (zeigt ihre Tatoos). Ich trinke gerne guten Rotwein und esse gerne gutes Essen. Und ich reise gerne.

Was würdest Du Dir wünschen für Darmstadt, wenn es morgen sofort Realität sein könnte?

Dass wir Wohnungen für alle hätten, die bezahlbar sind. Und dass jeder wohnungslose Mensch, der momentan noch in sozialen Einrichtungen untergebracht ist, eine Wohnung hat. Und dass es keine Rechten mehr gibt.

Du hast Dich vorm „Pillhuhn” am Riegerplatz fotografieren lassen, warum?

Das Pillhuhn ist seit vielen, vielen Jahren mein zweites Wohnzimmer. Ich kenne dort fast alle und fühle mich sehr wohl.

Hast Du ein politisches Leitmotiv oder sowas wie ein Lebensmotto, das Du uns zum Abschluss noch verrätst?

Am Ende wird alles gut, und wenn es noch nicht gut ist, dann ist es auch noch nicht das Ende.


Ah, der gute alte Oscar Wilde. Danke für das Gespräch.

nicole_frölich.vita


*13.8.1968 in Darmstadt und dort aufgewachsen. Mehrere Runden gedreht auf diversen Darmstädter Schulen, schließlich Fachabitur auf der Alice-Eleonoren-Schule, dann kaufmännische Ausbildung und Studium der Sozialarbeit an der h_da, arbeitet beim Diakonischen Werk Darmstadt. Mitglied bei den Grünen seit 2015 und in der Stavo seit 2016. Eine erwachsene Tochter.
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