„Fass dich kurz, langweile nicht.“

50. Dichterschlacht in der Centralstation. Das Team geht, das Format bleibt.

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©Klaus Mai

Meike Heinigk, Oli Gaußmann, Wiebke Schellkes, Jens Emmerich (v.l.), Heinz Beimert und Renate Steigerwald haben seit 2001 jährlich drei Dichterschlachten veranstaltet, am 19. Januar wird ihre letzte sein.

50. Dichterschlacht, das klingt so ein bisschen wie goldene Hochzeit. Wer von euch ist von Anfang an dabei?

Oli: Meike, Jens, und ich. Und Heinz, der heute leider nicht kann.

Wiebke: Renate und ich seit 2003, wir schaffen nur 44. 

Erst mal kurz zu euch? Wer seid ihr so? Bei Meike weiß ichs ….

Meike: … damals noch nicht, aber jetzt Geschäftsführerin der Centralstation.

Oli: Ich bin Pädagogischer Leiter an einer Integrierten Gesamtschule.

Jens: Ich bin Studienrat an einer Kooperativen Gesamtschule.

Aha, alles Lehrer?

Wiebke: Nein, ich bin Softwaretesterin.

Und Heinz?

Oli: Irgendwas mit Marketing für Testgeräte, das ist schwer zu erklären. Er trinkt hauptsächlich mit den Kunden Espresso.

Und Renate?

Oli: Die hat mal Marktforschung gemacht.

Meike: Sie kann gut Boogie tanzen. Wir sind auf jeden Fall alle keine Dichter.

Jens: Und keine Deutschlehrer.

Sehr gut. 50 Dichterschlachten, danach ist Schluss. Wie viele Comebacks wirds noch geben?

Oli: Also für uns, für den Dichterschlachtverein, ist Schluss. Punkt.

Meike: Aber in der Centralstation wird es in jedem Fall mit Poetry-Slam weiter gehen, das Format lebt, es ist noch jung und frisch, und wir haben die Dichterschlacht sehr lieb gewonnen.

Übergebt ihr mit Stolz und genau zum richtigen Zeitpunkt, oder seufzt euer Umfeld jetzt auf: Endlich ham ses kapiert?

Oli: Uns war es total wichtig, dass wir mit wehenden Fahnen aufhören, dass es ausverkauft ist, dass es brummt. Aber es wäre wirklich nicht schlecht für die Veranstaltung, wenn sie noch mal völlig neu gedacht würde.

Bei ner klassischen Hardcorelyriklesung im Literaturhaus sitzt ein kleiner handverlesener Haufen, in der CS oder der Krone ist die Bude immer rammelvoll. Liegt das an den Dichtern oder an den Schlachten?

Oli: Das liegt am Format. Fass dich kurz, langweile nicht. Das ist die goldene Regel beim Poetry-Slam. Du kriegst ne direkte Rückmeldung, das machts schnell und bunt

Es gibt ja auch in der Krone Slams, gibts da Gemeinsamkeiten oder was unterscheidet euch?

Oli: Ich denke, dass Darmstadt davon profitiert, dass es einen monatlichen, lokalen Slam gibt. Die Dichterschlacht hat einen anderen Ansatz. Also, ich will ja nicht vermessen sein, aber die Idee dahinter war schon Champions-League. Als wir angefangen haben, gab es Poetry-Slams in kleinen Kneipen mit 10-50 Zuschauern. Wir dachten, was im Kleinen funktioniert, klappt vielleicht auch im Großen, wenn man die einlädt, von denen man das Gefühl hat, die rocken das Publikum. Wir wollten keine Laufkundschaft, wir haben Fahrgeld bezahlt und Dichter von weit her gelockt.

Den Slamtexten haftet ja das Vorurteil an, dass sie nur im schnellen, gesprochenen Format funktionieren, also nix sind für ne gestandene Lyrik-Anthologie. Wie seht ihr das?

Oli: Es muss ja auch gar nicht gedruckt funktionieren, es rockt den Saal. Es gibt ganz viel, was gedruckt nicht funktioniert.

Meike: Das ist ein Live-Format

Heißt das, dass ein ernsthafter Lyriker bei euch gar nicht auftreten sollte?

Wiebke: Nee, es gibt bei uns auch viele Lyriker, die nicht performen, die einfach dastehen und ihren Text ganz trocken vortragen. Das gerade macht die Spannung des Abends aus, dass es mal was super Lustiges gibt und was sehr Besinnliches, Politisches, Derbes und Vulgäres teilweise auch.

Meike: Das haben wir hier ganz oft erlebt, dass 600 Leute sich drei Slamer hintereinander kaputt gelacht haben und auf demBoden lagen. Und dann kam jemand ganz Neues auf die Bühne, die Leute waren sofort gebannt und man konnte eine Stecknadel fallen hören. Und obwohl es ein lustiger und wilder Abend war, hat am Ende ein leiser Text dominiert. Jens: Es geht auch nicht ums Gewinnen. Wir stimmen ab mit Stimmzetteln, und wenn dann jemand mit leiser Lyrik 50 Stimmen bekommt, dann hat er 50 Leute erreicht und am meisten berührt. Oli: Bei einer Lesung sitzen oft gar nicht 50 Leute. Meike: Wobei ich schon eine Lanze brechen will für z.B. den Leonce und Lena-Preis, denn auch das hat seine Berechtigung, wie jede Lyriklesung im Literaturhaus auch.

Wiebke: Und ich möchte auch mal das Darmstädter Publikum loben. Es ist super tolerant und offen und gibt solchen schwierigen und ernsthaften Texten auch Raum.

Oli: Obwohl es den ein oder anderen gab, der sehr provoziert hat.

Wiebke: Ich weiß noch, wie du mir mal ins Ohr gefl üstert hast: Das war jetzt die schlechteste von den Schlechten.

Ihr könntet euch also darauf einigen, was der größte Flop war?

Wiebke: Also, was immer mal wieder mal ein Problem war, war die Zeit. Wir haben in Darmstadt ja sieben Minuten, nicht wie sonst üblich fünf. Und dann passiert halt den Anfängern, dass sie noch Zeit übrigen haben und sie fragen: Darf ich noch?

Jens: Und dann fangen sie noch einen neuen Text an, müssen mittendrin von der Bühne und sind dann teilweise richtig sauer.

Könntet ihr euch auch auf ein Highlight einigen?

Oli: Ja. Ganz klar Sebastian Krämer. Der hat auf Ansage den National gewonnen. Der hat so geile Texte gemacht, das war schon irre.

Wann war das?

Meike: 2003, da hat Darmstadt, also die Dichterschlacht, die deutsche Meisterschaft ausgerichtet.

Wenn ihr ans erste Mal denkt und das mit dem letzten Mal vergleicht, was ist dazwischen passiert?

Oli: Wir haben den Slam groß werden sehen. Am Anfang wusste kein Mensch, was das ist. Auch, als wir damit bei der CS aufgeschlagen sind, war das sehr schwierig.

Jens: Was zum Teufel soll das, hieß es.

Wiebke: Inzwischen kennt das jeder. Sogar in Spiegel-online treten immer wieder Poetry-Slamer auf …

Ihr habt also sowas wie Pionierarbeit geleistet?

Oli: Wir waren zumindest dabei.

Was würdet ihr euern Nachfolgern als Tipp mitgeben, so wie man das von seinen Eltern liebt, also: Das dürft ihr auf keinen Fall oder das muss aber unbedingt so bleiben?

Oli: Es gibt, glaub ich, keinen größeren Quatsch als wenn man etwas macht und einem irgend so ein alter Sack im Genick sitzt und alles besser weiß … (alle lachen)

Okay. Und wo sieht man euch wieder? Gibts es ein neues gemeinsames oder mehrere einsame Projekte oder erst mal gar nix?

Oli: Nee, nix. Ich denke, wir werden, wenns weiter Slam gibt, uns einfach hinten rein setzen und genießen.

Gibts was Besonderes beim 50.? Schampus, Feuerwerk, Überraschungsgast?

Wiebke: Goldregen, oder?

Meike: Konfetti-Kanone …

Oli: Es ist schon so, dass wir die Slamer eingeladen haben, auf die wir Bock haben und die uns ans Herz gewachsen sind.

Also schon ein bisschen Revival?

Meike: Ja, und es gibt schon noch was. Aber das verraten wir jetzt leider noch nicht.

Wiebke: Also schon auch ne Überraschung.

Na gut, dann lassen wir uns mal überraschen. Danke für das Gespräch und toi toi toi fürs letzte Mal.

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