„Irgendwas zwischen Graffiti, Kubismus und abstrakter Kunst“

Nick Marschalek – Ein Darmstädter Künstler geht steil


Fette Outlines, grelle Farben und ein starker Expressionismus-Bezug – das zeichnet die Kunst von Nick Marschalek aus. Schon 2018 konnte der junge Künstler seine Werke in der Brick Lane Gallery, London ausstellen und veranstaltet seither zahlreiche Ausstellungen in Darmstadt, unter anderem im Kunstpunkt, dem Zucker oder der Earlstreet. Wir haben mit Nick über Muse, Leidenschaft und darüber, ob Kunst gefallen muss, gesprochen.


FRIZZmag: Wenn ich das richtig gelesen habe, war deine erste Ausstellung 2018 direkt in London – wie kam es dazu?


Nick Marschalek: Das war ganz lustig. Die Galerie in London hat mich auf Instagram gefunden und fand meine Werke cool. Dann haben sie mich einfach angeschrieben und gefragt, ob ich nicht Teil einer Sammelausstellung sein möchte. 

Bis dahin hattest du aber schon einen gewissen Weg hinter dir – wie hast du denn zur Kunst gefunden?

Zuerst war die Kunst eigentlich Mittel zum Zweck. Mir ging es eine Zeit lang nicht so gut, psychisch gesehen, und die Kunst hat mir geholfen, das zu verarbeiten. Ich habe schon immer viel gemalt und gezeichnet, auch im Unterricht früher in der Schule. Irgendwann wurde es immer mehr, im ersten Jahr sind um die 50 bis 60 Werke entstanden, und die Kunst wurde zu meiner Ausdrucksform. 

Und was bedeutet Kunst für dich?

Ich denke, man kann Kunst in allem wiederfinden. Mittlerweile betrachte ich alles mit einem anderen Auge. Wenn ich einen Film oder eine Serie gucke, dann geht es mir weniger um die eigentliche Handlung als um die Bilder, die entstehen. Allgemein ist die Kunst neben der Wissenschaft, die alles logisch darstellt, ein Weg, das Unlogische abzubilden, greifbar zu machen.

Wie sieht dein kreativer Prozess aus, wenn du an ein neues Gemälde gehst?

Das ist immer unterschiedlich. Manchmal habe ich vorher eine Idee, wie bei meinem vorletzten Gemälde Flower, und dann starte ich direkt damit. Im Endeffekt habe ich drei Anläufe gebraucht, bis es mir gefallen hat. Meistens fange ich aber einfach an zu malen und die Idee entwickelt sich währenddessen. 

Deine Gemälde sehen oft aus, als wären sie gesprayt – was fasziniert dich so am Graffiti-Style?

So mit 14 hatte ich eine Graffiti-Phase, in der ich auch viele Graffitis gezeichnet habe. Ich war damals total von der Szene, dem Düsteren und dem Illegalen fasziniert, bin aber nie so weit gegangen, an Wände zu sprayen, wo es nicht erlaubt war. Mich fasziniert einfach die starke Ausdrucksform, die im Graffiti liegt. Eigentlich würde ich meinen Stil auch nicht als Graffiti-Style bezeichnen; ich kann verstehen, wo es herkommt, aber es fällt mir schwer, meinen Stil zu benennen – irgendwas zwischen Graffiti, Kubismus und abstrakter Kunst. 

Du malst ja auch auf Leinwände und nicht mit Dosen auf Mauern.

Genau. Graffiti gehört eigentlich auf die Straße und nicht auf die Leinwand. Als ich mal mit Sprayern gesprochen habe, kam raus, dass sie sich beleidigt fühlen, wenn ich mich als Graffiti-Künstler bezeichne und ich verstehe warum.

Woher ziehst du deine Inspiration beim Malen?

Meine zwei großen Inspirationsquellen sind Basquiat und Picasso. In meinen frühen Werken ist auch noch ein sehr starker Basquiat-Bezug zu sehen, aber schon in meiner ersten Ausstellung hier in Darmstadt habe ich auf ein Werk seinen berühmten Tag „SAMO IS DEAD“ und darunter „Marschalek is alive“ geschrieben – damit war das für mich abgeschlossen. Wie gut das funktioniert hat, muss glaube ich jeder für sich selbst einschätzen (lacht).

Kommst du manchmal an den Punkt einer kreativen Blockade?

Letztes Jahr habe ich eine Zeit lang 40 Stunden die Woche körperlich gearbeitet und hatte dann keine Lust und Muse mehr, noch etwas zu malen. So entsteht natürlich eine kreative Blockade, da du dich in die Kunst reinfinden musst. Ähnlich war es, als ich mit dem Architekturstudium angefangen habe – für ein großes Gemälde, das im Kunstpunkt ausgestellt wurde, habe ich sechs Wochen gebraucht, effektiv gemalt habe ich 3 Tage davon. 

In der Kunst gibt es den ewigen Kampf zwischen Individualismus und Mainstream – muss Kunst gefallen?

Also bei meinen eigenen Werken habe ich einen gewissen ästhetischen Anspruch, ist er nicht erfüllt, möchte ich das Bild anderen nicht zeigen. Grundsätzlich muss Kunst aber nicht gefallen, sie darf auch stören. Wichtig ist meiner Meinung nach, dass die Kunst auffällt, und solange Leute in meine Ausstellungen kommen und sagen ‚Woah sowas habe ich noch nicht gesehen‘, erfüllt es seinen Zweck.

Kommen wir mal auf deine Wirkungsstätte Darmstadt zu sprechen – welchen Einfluss hat die Stadt auf deine Arbeit?

Ich wohne ja eigentlich in Groß-Bieberau, verbringe aber die meiste Zeit in Darmstadt. Für mich und meine Arbeit ist vor allem die Verbindung von Stadt und Land wichtig. Darmstadt ist zwar laut, aber noch nicht so laut wie zum Beispiel Berlin und ich bin schnell wieder bei mir auf dem Land, wo ich die ganzen Eindrücke in Ruhe verarbeiten kann.

Und fühlst du dich als junger Künstler gut von der Politik in Darmstadt aufgehoben?

Ich würde sagen, die Politik hat im Kultur- und Kunstbereich komplett verkackt. Es werden kaum Ausstellungen von jungen Leuten gefördert, es gibt kaum noch Ausstellungsräume für junge Menschen und ich glaube, das ist ein großer Fehler; vor allem, wenn man an Darmstadts künstlerische Vergangenheit denkt. Wir als Künstler müssen alles selbst organisieren und bekommen überhaupt keine Unterstützung mehr. Die Politik muss da viel ändern.

Vielen Dank für das Gespräch


Bio


Nick Marschalek ist 19 Jahre alt, geboren in Darmstadt und wohnt mittlerweile in Groß-Bieberau. Nach dem Abi hat Nick mit dem Architekturstudium an der h_da angefangen, seine Leidenschaft ist jedoch die Kunst. In einem kleinen Atelierzimmer seiner Wohnung drückt er sich auf der Leinwand aus und präsentiert seine Werke regelmäßig bei Ausstellungen in und um Darmstadt. Wer sich einen Eindruck von Nicks Kunst machen möchte, findet seine Bilder auf Instagram und seiner Website.
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