„Einfach mal wieder ausgelassen feiern!“

Heinerfestpräsident Wolfgang Koehler und Vorstandsmitglied Felix Hotz im Interview mit FRIZZmag

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© Klaus Mai

Nicht nur Amerika, auch das Heinerfest hat einen neuen Präsidenten. Doch statt „Heiner first“ bleibt es in Darmstadt beim bewährten Motto: „Kommt alle!“ FRIZZmag sprach mit Heinerfestpräsident Wolfgang Koehler und Vorstandsmitglied Felix Hotz.

FRIZZ: Herr Koehler, Sie sind der erste Heinerfestpräsident, der jünger ist, als das Heinerfest selbst. War Ihnen das bei Ihrer Wahl bewusst?

Koehler: Ja. Ich bin aber wahrscheinlich auch der erste, der seit 60 Jahren das Heinerfest fest in seinem Gedächtnis verankert hat.

Wie viele Heinerfeste haben Sie schon bewusst erlebt? Also nicht nur die Bieranstiche, welche OBs und Präsidenten z.B.?

Koehler: Meine erste Erinnerung ans Heinerfest ist, ungelogen, mit vier Jahren, da bin ich nämlich alleine aufs Heinerfest gegangen. Wir haben damals in der Havelstraße gewohnt, ich bin extra die Rheinstraße entlang gelaufen, unter den Arkaden, damit mich keiner sieht, aber trotzdem bin ich natürlich gesehen geworden. Und mein Vater war dermaßen verdutzt und erschüttert, dass da ein Vierjähriger alleine aufs Heinerfest geht, dass das in einer Tracht Prügel geendet hat. Bewusst erlebt hab ich dann einen Otto Schmidt, einen Günther Metzger und einen „Little“ Klein, also die Präsidenten von ungefähr 40 Jahren.

Das müssen dann ja auch mindestens vier OBs gewesen sein?

Koehler: Ja, sogar fünf. Jochen Partsch, Walter Hoffmann, Peter Benz, Günther Metzger und auch Sabais hab ich als Fassanstecher noch erlebt.

Und mit vier Jahren, also 1956, müsste das Ludwig Metzger gewesen sein?

Koehler: Das müsste, aber der hat mich natürlich weniger interessiert …

Hotz: Mit vier Jahren … (lacht)

Koehler: (lacht) Mich ham damals die Karussells interessiert, das war das Wichtigste.

Sie sind erst der zweite Nichtpolitiker-Präsident. Gibts trotzdem so eine Art programmatische Leitkultur? Also so à la USA: statt Heinerfest „Heiner first“?

Koehler: „Kommt alle!“ Das ist die Klammer und so bleibts. Das ist das Außergewöhnlich und das Schöne am Heinerfest. Wir wollen für alle Generationen etwas machen, deshalb freuen wir uns auch so, dass der Felix jetzt dabei ist. Und wir wollen für alle Leidenschaften etwas machen. Aber, worauf ich vielleicht noch etwas stärker achten will, was wir vielleicht neu lernen müssen, das ist das Feiern. Wir wollen einfach den Alltag hinter uns lassen.

Hotz: Das ist ja eigentlich auch genau das, was damals der Gründungsgedanke des Heinerfests war.

Der Heinerfestpräsident, wo ist der in der Stadthierarchie anzusiedeln - zwischen Polizeipräsident und OB? Oder ist er der Primus unter den Kerbevätern?

Hotz: Das ist temporär der Bürgermeister, oder (lacht)?

Koehler: Oder die Oberkapp (lacht). Ja, er ist in vielen Sachen sankrosankt und hat viel Einfluss. Und hat natürlich dadurch auch eine riesen Verantwortung.

Welche Funktion hat der Heinerfestpräsident konkret? Also: Rede halten und was noch?

Koehler: Er guckt auf die ganze Organisation. Und man glaubt ja nicht, was diese fünf Tage an Vorbereitung brauchen. Wir haben 50-60 große Programmpunkte, das geht von der Orgelmusik in der Stadtkirche bis zum Konzert im Herrngarten. Das betrifft die Organisation des Allerwelttreffs, der uns allen sehr am Herzen liegt, mit 2-3 Bühneacts pro Tag. Da ist das „kleine Heinerfest“, das so eine riesen Geschichte geworden ist, dass wir es auf 2.000 Kinder und Behinderte begrenzen müssen. Wir halten Kontakt mit den Partnerstädten, jetzt neu mit St. Antonio, die wissen ja noch gar nicht, was das Heinerfest ist. Wir reden mit allen Ämtern, wir müssen uns um die Aufstellung des ganzen Festplatzes kümmern. Wir haben seit ein paar Jahren den Schlossgraben mit im Programm. Und dann gibts natürlich noch die finanzielle Seite, auch diese ist in unserer Verantwortung.

Hotz: Der große Unterschied zu einem Kerwevadder ist, dass der Heinerfestpräsident auch die Entscheidungshoheit hat. Er ist praktisch der Geschäftsführer des Ganzen, diesen Part sieht ja kaum jemand. Es geht eben nicht nur darum das Bierfass anzuhauen und „Prost“ zu sagen.

Kann man das eigentlich alles hinkriegen, wenn man noch voll im Beruf steht?

Koehler: Also, ich hatte mit „Little“ Klein vereinbart, dass ich ab 2019 zur Verfügung stehe, wenn ich aus dem Berufsleben ausgeschieden bin. Aber dann ruft der Kerl mich an und erklärt mir beim Bier, dass er jetzt 75 geworden ist und noch ein paar andere Pläne hat und ob ich es nicht bitte, bitte schon früher machen könnte. Also, das gefiel mir zunächst überhaupt nicht, auch wegen der Verknüpfung mit meinem Geschäft. Aber gut, dann hab ich mich schließlich doch drauf eingelassen.

Und das hat jetzt zur Konsequenz, dass ab sofort einer weniger auf der Bühne steht beim Bieranstich? Oder kommen dann zwei Wolfgang Koehlers?

Koehler: Für die Brauerei kommt noch ein Sohn mit hoch. Ich habe mit der Brauerei am Heinerfest nichts zu tun, dafür bleibt auch gar keine Zeit.

Hotz (an Koehler): Musst du Urlaub einreichen oder kannst du noch selbst … (lacht)

Koehler: (lacht), Ja, ja, das geht schon. Wir werden ja mit St. Antonio zusammen ein Contribution-Bier brauen, aus amerikanischem Hopfen, aus amerikanischer Hefe, aus Darmstädter Wasser und aus hessischem Malz, werden das am Heinerfest im Allerweltstreff anbieten. Und mit diesem Texas-Style Bier, oder wie das dann heißt, werden wir auch den Bieranstich machen. Und da das mein Sohn Wolfgang mit entwickelt hat, wird er wohl mit dabei sein.

Gibts außer dem neuen Bier noch weitere besondere Highlights auf dem Heinerfest?

Hotz: Das ganze Heinerfest ist ein Highlight an sich.

Was ich mich schon immer gefragt habe, Herr Koehler, warum heißen Sie eigentlich nicht Rummel, so hieß ja Ihre Privatbrauerei früher? Weil Sie so viel Rummel um Ihre Person nicht mögen?

Koehler: Meine Großmutter war eine geborene Rummel und hat Ende des vorletzten Jahrhunderts einen Prof. Koehler geheiratet, dadurch hieß mein Vater Koehler. Die Familie Rummel ist ausgestorben und die Koehlers sind übrig geblieben, wir waren das stärkere Glied der Familie.

Aber das Bier hieß noch ne ganze Zeit „Rummel-Bier“?

Koehler: Das hieß bis 1982 „Rummel“. Aber wenn ein Name mal ausgestorben ist, dann macht das nicht mehr so schrecklich viel Sinn.

Ein Schwarzbier mit dem Namen „KoehlerBier“ ist jetzt aber nicht direkt geplant?

Koehler: Nein. (lacht) Aber es gibt zum Namen noch eine kleine Geschichte. Es gab noch einen unverheirateten Bruder meiner Großmutter, Heinrich Rummel hieß der. Und ich habe als kleiner Junge mal mitgehört, wie sie sich in der Familie unterhalten haben: Kann der net den Wolfgang adoptiern? Weil, wenn der den adoptiert, dann ist das der Wolfgang Rummel und dann geht des alles weiter. Also, das war für mich schon Horror, und ich bin dankbar, dass man das nicht ernsthaft verfolgt hat.

Na ja, sonst müssten Sie ja jetzt, andersrum betrachtet, vielleicht Wolfgang Braustüb‘l heißen, oder zwischendurch mal Wolfgang Darmstädter.

Koehler: Nee, das müsste auch nicht unbedingt sein.

Felix, du bist ja jetzt im Vorstand des Heimatvereins Darmstädter Heiner. Und dann gibts ja noch den Förderverein Heinerfest. Was ist der Unterschied?

Hotz: Ganz einfach. Der Heimatverein organisiert das Heinerfest und der Förderverein fördert es.

Koehler: Früher gabs ja nur den Heinerfestausschuss, das waren 15 Mann und dann war Schluss, das war ein Closed-Shop. In den letzten zehn Jahren haben wir dann überlegt, wir wir das Ganze auch finanziell besser absichern können. Das Wort „Sponsoring“ gabs ja damals noch nicht so, aber ich war schon früh der Meinung, dass wir das brauchen. Mittlerweile haben wir 50- 60.000 Euro Einnahmen über reines Sponsoring, und das funktioniert zum großen Teil über den Förderverein. Und wir haben inzwischen 350 Mitglieder, die sind wie eine verschworene Familie. 

Hotz: Und sie sind auch aktive Helfer im Schlossgraben, das wird im Grunde genommen alles über den Förderverein gestemmt.

Und du bist im Vorstand des Heimatvereins der Jüngste und wegen deiner Popularität und deiner Vernetzung da rein gewählt worden?

Hotz: Ich glaube nicht deswegen, sondern wg. meiner Arbeit, die ich geleistet habe im Vorfeld, also wg. der Truppe, die sich zusammengefunden und den Spirwes ins Leben gerufen hat, den Mundartpreis, der jetzt zum zweiten Mal vergeben wird. Und natürlich kann ich auch im Theaterbereich was beitragen.

Das passt super zu meiner vorletzten Frage. Die Sperrstunde ist ja schon, wenns sonstwo eigentlich erst richtig losgeht. Wär das nicht ein Ziel, die zu verlängern? Also man muss erst heim, wenns irgendwo Kikeriki macht?

Hotz: (lacht) Es ist ja jetzt schon so, dass das Heinerfest in allen möglichen Kneipen und Diskotheken weiter geht. Und schon jetzt ist ja am Dienstag nach dem Heinerfest in der Stadtverwaltung keiner ansprechbar. Wenn die Sperrstunde aufgehoben wird, dauert das mindestens bis Freitag.

Koehler: Es wird ja auch nicht mehr so stark gefeiert wie früher. Wir sind heinerfestmäßig unglaublich froh darüber, und ich brauereimäßig halb froh, dass der Alkoholkonsum stark nachgelassen hat. Beim heutigen Heinerfest wird nur noch etwas weniger als ein Drittel dessen getrunken, was mal vor 20 Jahren getrunken wurde.

Die letzte Frage an beide: Was ist euer drittgrößter Wunsch fürs 67. Heinerfest? Weil, ich unterstelle mal, der 1. Wunsch ist, alles bleibt friedlich, kein Terror und so, der 2. gutes Wetter, also nicht zu heiß und kein Regen, besonders nicht beim Feuerwerk, also was ist der 3.?

Koehler: Dass alle mal wieder richtig ausgelassen feiern.

Hotz: Dass sich wieder alle treffen und ne gute Zeit zusammen haben. Das wär wunderschön.

Alles klar, danke. Wir sehen uns spätestens beim Heinerfest.


PEOPLE.VITAE

Wolfgang Koehler, *31.1.1952 in Darmstadt, Jurist, ist geschäftsführender Gesellschafter der Darmstädter Privatbrauerei und Mitglied im Präsidium des deutschen Brauerbundes. Er ist verheiratet und hat zwei Söhne und zwei Töchter.

Felix Hotz, *18.7.1976 in Darmstadt, Theatermacher, Komödiant und Geschäftsführer der Comedy-Hall, ist verheiratet und hat zwei Kinder.

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