„Es ist ein Fest für alle.“

Thiemo Gutfried und Frank Friedrich Grossmann „machen” das Schlossgrabenfest - 2018 zum 20. Mal.

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© Klaus Mai

FRIZZmag: 20 mal Schlossgrabenfest, das ist ja schon ne Marke. Was löst das bei Euch für Gefühle aus: Stolz? Stress? Oder ist das alles schon coole Routine?

Frank Friedrich Grossmann: Man schwelgt in Erinnerungen, was war gut, was war schlecht, was kann man verändern. Es ist natürlich auch ein Spiegel des eigenen Lebens, das sich wandelt. Du hast alles direkt erlebt, viele Leute kennengelernt, Dinge umsetzen können, die man so vielleicht nicht für möglich gehalten hätte.

Thiemo Gutfried: Dass es das 20. SGF ist, wird eher von außen an uns herangetragen. Für uns ist jedes Schlossgrabenfest ein Jubiläum, weil wir es wieder ein Jahr geschafft haben, eins auf die Beine zu stellen. Jedes Jahr ist für uns eine neue Herausforderung, da sich die Inhalte und Rahmenbedingungen stets ändern: Neue Bands, neue Geländebedingungen, neue Partner. Klar, 1999 war die Premiere, die Geburtsstunde unseres Babys, jetzt ist es 20. Das SGF ist Teil unserer Familie, unseres Lebens.

Also schon Stolz?

Frank: Eher Ehrfurcht. Stolz ist sowas Überhebliches, das ist ganz schwierig. Und es ist ja auch Teamarbeit, wir sorgen für die Bedingungen, dass alle Beteiligten von der Crew, der Polizei bis Feuerwehr professionell arbeiten können.

Blenden wir mal 19 Jahre zurück: Mai 1999, ich war sechs Jahre alt und erinnere mich an die Bühne auf dem Friedensplatz, daneben eine FRIZZ-Bude, mein Vater hat mir ein FRIZZ-T-Shirt gekauft. Woran erinnert Ihr Euch?

Thiemo: Ich hab auf dem SGF fürs Abi gelernt, weil die mündlichen Prüfungen erst danach waren. Ein Großteil der Crew waren meine Schulfreunde. Das ist auch was, wo man emotional immer daran zurückdenkt. Und auch voll Dankbarkeit, uns war ja nicht bewusst, wie lange uns das dann begleiten wird. Wir haben das gemacht, weil wir darauf Bock hatten, das war eine Leidenschaft, und das ist bis heute so.

Welche Hindernisse musstet Ihr aus dem Weg räumen bis zur Realisierung?

Frank: Wir haben im Februar 1998 angefangen aufzuschreiben, was wir machen wollen. Wir hatten damals viel mehr Liveclubs als heute, das Kesselhaus, die Krone, das Eledil. Wir hatten eine unheimlich lebendige Musikszene, proportional zur Einwohnerzahl mehr Bands als Hamburg, die wollten wir einfach professionell auf die Bühne bringen.

Thiemo: Wir hatten damals wie heute einen engen Kontakt zur Musikszene.

Frank: Ich war im Eledil tätig und Thiemo hat das Stadtmagazin „freax“ herausgegeben. So haben wir gemeinsam die Idee Schlossgrabenfest entwickelt und uns Gedanken zum Veranstaltungsort, dem Datum usw. gemacht.

Thiemo: Die Musikszene sollte im Mittelpunkt stehen, Bands, die bis dato oft nur unter Tage aufgetreten waren und nicht vor einem großen Publikum. Es sollten nicht nur Coverbands sein. Die haben wir zwar auch auf dem SGF, keine Frage, aber der Kern war immer: die Förderung der lokalen und regionalen Musikszene, um einfach mal andere, selbstgemachte Musik zu präsentieren. Unsere Wahl fiel auf den Friedensplatz. Von da an mussten wir viel Überzeugungsarbeit leisten. Zum Glück hatten wir relativ früh einen Fürsprecher gefunden, das war der damalige Oberbürgermeister Peter Benz. Ohne ihn hätten wir das nie geschafft. Dafür werden wir ihm immer dankbar sein.

Das SGF hat sich dann ja schnell und rasant entwickelt, woran lag das Eurer Meinung nach?

Thiemo: Also, die Idee ist das eine, politischer Rückenwind das andere. Aber man stelle sich mal vor, es gibt 100 Liter Freibier und keiner weiß wo. Ohne die Unterstützung der Medien geht es also nicht. Die Ersten, die ganz früh an das Produkt SGF geglaubt haben, das war das FRIZZ-Magazin mit Detlef Wilke. Der hat uns dann zusammengebracht mit Benny Metz, der den künstlerischen Part lange Jahre übernommen hat. Detlef hat auch die ersten Kontakte hergestellt zu potenziellen Sponsoren und Finanziers. Wir hatten auch Glück, dass wir zur richtigen Zeit mit dem richtigen Produkt am Start waren. So kamen statt geplanten 5.000 Leuten 50.000 Leute. Deshalb gab es im zweiten Jahr schon die Erweiterung um den Karolinenplatz, 2007 dann die Erweiterung um den Abschnitt bis zur Krone, zuletzt, 2017, die temporäre Erweiterung auf den Marktplatz. Nicht zu vergessen die Einführung des Bechers.

Frank: Wir haben bereits 2007 ein Sicherheitskonzept erarbeitet, in dem Methoden, Prozesse und Mechanismen, die bis dato gelebte Praxis waren, für alle Beteiligten dokumentiert wurden.

Thiemo: Ein wesentlicher Bestandteil ist das Besuchermanagement, um als Veranstalter stets das Zepter in der Hand zu behalten und bei Bedarf den Zulauf zum Gelände auch stoppen zu können.

Inzwischen ist das SGF das größte Musikfestival Hessens. Gabs da nie Stress z.B. wegen des Lärms?

Thiemo: Wir haben in all den Jahren ein sehr sensibles Lärmschutzmanagement entwickelt, wir führen fortlaufend Lärmmessungen durch, um im laufenden Betrieb den Pegel anpassen zu können, z.B. wenn sich die Windverhältnisse ändern.

Frank: Wir sind einfach ein verlässlicher Partner, alle wissen mittlerweile, dass wir unsere Versprechen halten und nichts versprechen, was wir nicht halten können.

Das SGF finanziert sich ausschließlich über Sponsoring und Werbung ...

Frank: … und über Standmieteneinnahmen und die Becher. Über die Becher bestimmen die Besucher die Qualität des folgenden Schlossgrabenfests. Wenn keiner mehr Becher kauft, stehen da oben auf der Bühne irgendwann nur noch wir zwei. (lacht)

Warum funktioniert das in Darmstadt? Würde das anderswo auch klappen?

Thiemo: Ich glaube, es funktioniert, weil das Fest extrem in der Stadt verankert ist. Jede große Firma in dieser Stadt ist in irgendeiner Form Sponsor oder Werbepartner. Es gibt eine hohe Identifikation mit dem Fest in der Stadt. Das liegt sicher auch daran, dass wir selbst in Darmstadt eng verwurzelt sind und uns ganzjährig in verschiedenen gesellschaftlichen und sozialen Bereichen als Personen selbst und mit unserem Unternehmen engagieren.

Frank: Es ist bei uns so wie beim Fußball, 10 Minuten hast du den Ball am Fuß, das Spiel ohne Ball geht 80 Minuten, aber du musst die vollen 90 Minuten auf dem Platz sein.

Viele denken ja, das SGF muss richtig Kohle bringen. Ihr habt vor zwei Jahren noch erzählt, dass man davon nicht leben kann, nebenher Machen geht aber auch nicht. Womit verdient Ihr Euer Geld?

Thiemo: Das Schlossgrabenfest ist für unsere Agentur die beste Werbung, der beste Multiplikator, den man haben kann. Jeder, den wir für das Schlossgrabenfest akquirieren, kann auch unserer ganzjähriger Kunde werden, den wir dann als Corporate-Eventagentur bei seinen Veranstaltungen unterstützen. Und das rechtfertigt dann auch, einen gewissen Staff einzustellen.

Dieses Jahr ist der TOP-Act Nena, eine starke, authentische Künstlerin. Letztes Jahr wars mit Max Giesinger ein temporäres Kunstprodukt des Musikbetriebs. Wonach sucht Ihr die TOP-Acts aus?

Thiemo: In erster Linie ist es ein Spiegelbild dessen, was gerade in der Musikszene los ist. Wenn ein Max Giesinger die Charts beherrscht, dann hat er auch seinen Platz auf dem Schlossgrabenfest. Für uns beide ist das seichte Popmusik, die sich eben großer Beliebtheit erfreut. Es ist aber auch nicht ausgeschlossen, dass irgendwann mal ein Schlagerkünstler da steht, wenn er die deutschen Charts beherrscht. Mit Tom Gregory oder Lionshead sind es diesmal zumindest britische, amerikanische Künstler, deren Texte sich nicht ganz so banal anhören. Und Nena hat einfach gepasst: 40 Jahre Bühnenjubiläum um, 20. Schlossgrabenfest, 350 Jahre Merck, Darmstadts Städtepartnerschaft, viele Jubiläen, die aufeinander kommen. Wir sind an unseren Hauptsponsor Merck herangetreten und die haben gesagt, wir machen das, wir möchten in unserem Jubiläumsjahr etwas zurückgeben, euch, dem Fest, der Stadt, den Menschen.

Frank: Wir suchen, was an Newcomern gerade da ist, und verpflichten sie dann frühzeitig. Einen Giesinger hatten wir lange bevor er Platz 1 war.

Ihr beschäftigt Euch mit Musikmarkt- und Business, seid aber selbst keine Musiker. Wer sorgt beim SGF für das Know-How in Sachen Musik?

Thiemo: Das Booking ist Team-Arbeit. Wir überlegen gemeinsam, wen wir wie, wann und für welche Bühnen verpflichten. Wir analysieren den Marktwert und die Potentiale. Indikatoren sind dabei für uns die Referenzen, Ticket-Verkäufe, aber heute auch die Präsenz in den sozialen Medien wie Facebook und Youtube. Man screent, rankt und dann analysiert man das. Die operative Schnittstelle ist unsere Mitarbeiterin Katharina Fortmann, die nun seit 2012 unser Team bereichert und seit 2013, nach dem Weggang von Benny Metz die Abteilung Booking leitet.

Also es geht rein nach Erfolg?

Thiemo: Bei den Newcomern auch danach, welche Agentur das an uns heranträgt. Wir schauen aber schon nach Indikatoren für einen potenziellen Erfolg.

Frank: Wir brauchen immer einen Leuchtturm, am besten jeden Tag.

Das SGF wirkt zunehmend mainstreamorientierter. Hermes House Band z.B. wär sogar schon nix mehr für meine Mutter. Was ist langfristig Euer Konzept?

Frank: Wir haben ja jeweils unsere Themen auf den verschiedenen Bühnen.

Thiemo: Die vier Live-Bühnen und die ClubArea sind wie unterschiedliche Radiosender, die du nach Belieben umschalten kannst. Es ist ein Fest für alle Kulturen, Nationen und Altersstufen und für jeden Geschmack.

Wenn Ihr Euch selbst einen Top-Act schenken könntet, wer wäre das?

Frank: (überlegt länger) Max Raabe, ist zwar trashig, aber ...

Thiemo: Schwierig, dann nehme ich auch mal was Trashiges: Dieter Thomas Kuhn.

Warum habt ihr Euch für Euer Foto den Riegerplatz ausgesucht?

Frank: Wir sind beide Martinsviertler, ich bin hier in die Schule gegangen, am Riegerplatz war unser erstes Büro und im 3Klang waren wir fast jeden Tag.

Worauf freut Ihr Euch beim 20. SGF ganz besonders?

Thiemo: Wenn man den ersten Ton auf der Bühne hört. Das ist dann das Gefühl, es doch wieder geschafft zu haben. Und dann nehmen wir uns auch die Zeit, schauen uns das an und genießen.

Mehr Infos unter:

www.schlossgrabenfest.de

g&g.vitae

Frank Friedrich Grossmann, *1.3.1969 in Darmstadt, aufgewachsen im Martinsviertel, Familienvater, Ausbildung zum Elektrotechniker und zum Einzelhandelskaufmann, Geschäftsführer G&G Event Marketing GmbH.

Thiemo Gutfried, *14.8.1979 in Wiesbaden, aufgewachsen in Darmstadt und im Martinsviertel, Familienvater, verheiratet, Abitur an der Lichtenbergschule, Diplom-Studium der Medienwirtschaft. Geschäftsführer G&G Event Marketing GmbH

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