Raphael Krickow

Willkommen bei den Robotern

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Raphael Krickow ist in seiner Heimatstadt Darmstadt an den Wochenenden nur höchst selten anzutreffen. 140 Flüge im Jahr, 130 Nächte in Hotelbetten - von 52 Wochenenden bleiben ihm jährlich nur vier, an denen er nicht europaweit oder auch in China sein Repertoire als DJ zum Besten gibt. Seit er vor 18 Jahren das DJ-Duo Disco Boys mitbegründete, bestimmt das Booking durch die Clubs und Festivalveranstalter den Terminkalender. 

"Schon als 16-Jähriger wollte ich DJ werden", bekennt Raphael Krickow und erzählt, wie seine Neigung sich Anfang der 80er Jahre durch Besuche des legendären Dorian Gray am Frankfurter Flughafen zum Berufswunsch entwickelte. Wenn er von dieser Ära spricht, wird die Leidenschaft und Begeisterung deutlich, mit der sich der Autodidakt der Sparte der elektronischen Tanzmusik verschrieben hat. 

Von unserer heutigen Warte aus werden die 80er Jahre gerne als Epoche der Geschmacksverirrungen deklariert, doch Krickow verweist darauf, dass sich abseits des Mainstreams damals eine Subkultur entwickelte, die Avantgarde-Charakter hatte. Im Rhein-Main-Gebiet war das Dorian Gray der Club, in dem die Jugendlichen ihr Lebensgefühl zelebrierten, die sich als "New Waver" definierten. Eine Bewegung, die sich in ihrer Identitätssuche durch die Musik, aber auch durch ein exzentrisches Styling von der Allgemeinheit abzugrenzen versuchte und dabei mit innovativen Ideen Zeichen setzte. 

Dieser Bewegung fühlte sich Raphael Krickow zugehörig, und er ist ein leidenschaftlicher Archivar, der selbst die Quittungen der Klamottenkäufe aus dieser Lebensphase aufbewahrt hat. Weit gewichtiger jedoch ist die "mehrere Tausend Exemplare umfassende Vinyl-Sammlung elektronischer Musik" und ein Archiv von Dokumentationen und Biografien zum Thema Clubkultur, die er sein eigen nennt. Aus diesem Fundus hat er nun geschöpft, um ein Projekt zu verwirklichen, das für ihn eine wahre Herzensangelegenheit ist: eine Hommage an die Clubkultur der 80er Jahre.

Unter dem Titel "Welcome to the Robots" möchte Krickow einen Einblick in die Geschichte der elektronischen Tanzmusik vermitteln. Kernstück des Projekts ist eine Compilation-Serie, deren Volumes unterschiedlichen thematischen Schwerpunkten zugeordnet sind. So ist die erste Doppel-CD jenen Musikern und DJs gewidmet, die Anfang der 80er Jahre mit Computern und Synthesizern zu experimentieren begannen. Zum Konzept gehören auch begleitende Dokumentationen, Radio-Sendungen, ein Internet-Forum und DJ-Sets.

"Das ist so etwas wie meine Diplomarbeit", konstatiert der 45-Jährige und muss selbst lachen über die Aussage, die in einem gewissen Widerspruch steht zu der Tatsache, dass er nie eine akademische Ausbildung absolviert hat. Die war auch gar nicht nötig, denn seine Leidenschaft für Musik war die Triebfeder für eine Karriere, die ihn auf Umwegen zu seinem Wunschberuf geführt hat. 

Was ihn als Jugendlicher faszinierte, war die kreative Arbeit der DJs, die Mitschnitte ihrer Sets auf Kassetten verkauften. "Eine breite Vermarktung fand nicht statt. Das verdeutlicht den wenig kommerziellen Charakter dieser Musik, die fast ausschließlich für das DJ-Set in den Clubs produziert wurde", erläutert Krickow. In diesem Sinne unterscheidet sich die Tätigkeit des DJs von heute stark von dem damaligen Berufsbild.

"Die virtuelle Welt verändert die Publikumsgewohnheiten, die Clubwelt ändert sich und der DJ ist gefordert, als Konstante im Verhältnis zum Publikum, Veranstalter und Location zu wirken." Darin sieht Krickow eine Herausforderung: "Es ist moralisch gesehen ein sinnvoller Job, bei einem Club-Event wöchentlich 2.000 Leute in der realen Welt zu versammeln." Der persönliche Kontakt im Zeitalter der Kommunikationsplattformen hat für ihn einen hohen Stellenwert. Facebook nutzen die Disco Boys zwar als PR-Instrument, privat hat die Plattform für Krickow jedoch "keinen Reiz" und er sieht die Gefahr der "Vereinsamung durch Selbstdarstellung". 

Auch von der Scheinwelt der Branche, die sich mit Drogen und Groupies selbst feiert, distanziert sich Krickow bewusst. Weder "Geld noch Ruhm" haben ihn anfällig gemacht dafür, im Gegenteil. Die Oberflächlichkeit der Szene interessiert ihn nicht, vielmehr nutzt er seine freie Zeit, um soziale Kontakte zu pflegen und dabei handelt es sich in der Mehrzahl um Freunde, die ihm seit der gemeinsamen Schulzeit verbunden sind. Welcome to the world of real people!

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