Bei Atomen ist er ganz in seinem Element

Prof. Dr. Peter Armbruster entdeckte 1994 das Darmstadtium in Wixhausen

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Er ist Kernphysiker, Pionier der friedlichen Nutzung von Atomenergie und forschte 25 Jahre beim GSI Helmholtzzentrum für Schwerionenforschung. Wir trafen Prof. Armbruster im September auf dem Weg von Hamburg nach Paris in seinem Haus in Kranichstein.



FRIZZ: Herr Prof. Armbruster, Sie waren von 1971 bis 1996 leitender Direktor bei der GSI in Wixhausen, die 1969, also vor 50 Jahren, gegründet wurde. Welche Verbindung haben Sie noch zur GSI?

Prof. Armbruster: Wenn ich hier bin, gehe ich immer hin. Ich habe sozusagen eine Dauereintrittskarte, meinen Ausweis, und kann jederzeit rein- und rausgehen. Ich bin so ein bisschen wie ein Künstler, der immer noch da herumschleicht. Ich habe auch noch einen Schreibtisch, an dem ich etwas machen kann, aber ich halte die Leute mehr von der Arbeit ab, als dass ich nützlich bin.

Bei der GSI haben Sie und Ihre Mitarbeiter zu Ihrer aktiven Zeit die Elemente 107-112 entdeckt. Wie Kolumbus Amerika entdeckt hat, ist hinreichend überliefert. Wie entdeckt oder schafft man neue Elemente?

Atomkerne kann man fusionieren. Wenn sie genügend Energie haben, kann man aus den zwei Kernen einen Kern machen. Ein Atomkern ist charakterisiert durch die Zahl seiner Protonen, die bestimmen die Ordnungszahl. Wenn ich die beiden Ordnungszahlen addiere, habe ich die Ordnungszahl des Produkts, das ich machen will. Wenn ich das Element 107 machen will, dann nehme ich Wismut mit 83 Protonen und Chrom mit 24. Mit dem Chrom-Ion wird die dünne Wismut-Probe mit hoher Energie beschossen, im Idealfall fusionieren die Kerne zu einem neuen Element. Das hat 1981 geklappt und wir haben das neue Element 107 Bohrium genannt, nach Niels Bohr.

Darmstadtium hieß ja zunächst ordnungsgemäß Ununnilium (110). Wie kam es dann zum Namen Darmstadtium? 

Das Darmstadtium ist ja erst 1994 entdeckt worden. Damals hat es einen Direktor gegeben bei der GSI, Walter Henning, der meinte, wir müssten was Gutes tun für die Stadt Darmstadt, die die GSI immer unterstützt hat. Es gibt noch fünf weitere Elemente, die nach einer Stadt benannt sind, Darmstadt ist aber die einzige deutsche Stadt.

„Ihre” Elemente sind ja nicht allzu lange stabil, wenige Millisekunden nur. Wem oder was nützt so ein instabiles Element? Wozu braucht man das? 

Ja, sie sind sehr kurzlebig. Im Grunde kann ich auch nur anhand der Zerfallsprodukte rekonstruieren, was mir gelungen ist. Und zu gebrauchen ist das für nichts. Aber etwas zu wissen, ist besser als nichts zu wissen. Es ist der reine Erkenntnisdrang - was gibt es, wie weit geht es, wann hört es auf. Es gab Ende der 60er-Jahre eine Spekulation, dass es jenseits der schweren Elemente Uran und Plutonium eine Insel gibt mit stabilen Elementen, die Jahre und Jahrhunderte leben und die man isolieren und nutzen kann. Aber die haben wir nie gefunden. 

Grundlagenforschung ist teuer, der FAIR-Beschleuniger der GSI, der gerade gebaut wird, wird nach jetzigem Stand 2,2 Milliarden Euro kosten, ursprünglich waren 1,2 geplant. Wodurch ist das zu legitimieren?

Wenn ich es vergleiche mit dem Geld, das in die Rüstung gesteckt wird, dann sind die Beträge, die in die Forschung gehen, immer die wesentlich kleineren. Und die Forschung hat dazu geführt, dass unsere Lebensstandards heute sehr hoch sind. Es ist mit der Wissenschaft doch immer so, man guckt, wie etwas funktioniert, und hat es irgendwann verstanden. Und die praktische Anwendung ist dann manchmal möglich und häufig nicht oder erst viel später.

Sie kennen bestimmt die Sendung mit der Maus. Da werden komplizierte Sachen einfach erklärt. Sie können bestimmt noch viel besser als die Maus erklären, was ein Schwerionenbeschleuniger ist, oder? 

Die Atomkerne müssen beschleunigt werden. Dazu brauche ich einen Apparat, eine Art Kanone, die die Teilchen losschießt. Die laufen dann eine lange Strecke im Kreis herum, viele hunderte Male, und bei jedem Mal werden sie etwas schneller. Mit etwa 30.000 km pro Sekunde treffen die Teilchen dann auf einen ruhenden Atomkern, im Idealfall, wenn sie fusionieren, entsteht ein neues Element. Oder der beschossene Kern platzt in viele Einzelteile.

Ihr Kernforschungsgebiet ist die Kernspaltung und die friedliche Nutzung der Atomenergie? 

Ja, ich komme von der Kernspaltung her. Bei der Kernspaltung kann man Energie herausziehen. Die Kraftwerksreaktoren basieren alle auf der Kernspaltung. 

Hatten Sie jemals einen Aufkleber „Atomkraft, nein danke!” auf Ihrem Auto?

Nein, das hatte ich nicht, aber meine Familie. Alle waren gegen die Kernkraft.

Sie beschäftigten sich auch eine Zeit lang mit Methoden der Beseitigung von Atommüll. Bislang geht’s bei Atommüll immer nur um Endlagerung. Wie geht Beseitigung? Was ist Spallation?

Spallation ist ein Prozess, bei dem ich mit einem kleineren Teilchen auf ein großes schieße und dabei Splitter herausschlage. Wenn ich das öfters mache, wird der große Kern, der schädlich ist, immer kleiner und am Schluss habe ich einen Atomkern, der leicht ist und kaum noch radioaktiv. Der Einzelprozess ist völlig klar und funktioniert. Aber Atommüll, das sind ja Tonnen, die müsste ich Atomkern für Atomkern kaputt schießen. Dazu brauche ich enorme Ströme von Protonen (Wasserstoffkernen), die auf hohe Energie beschleunigt sind. Das kann man nicht massenhaft machen. Ich sehe auch keinen Weg, deshalb habe ich es auch wieder aufgegeben. Man muss also ein Endlager haben, aber ein begehbares, wie es die Franzosen machen.

Wollten Sie eigentlich als Kind schon Kernphysiker werden?

Kernphysik gab es in der Form noch nicht, die kam erst nach dem 2. Weltkrieg richtig auf, nach dem Abwurf der Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki. Ich wollte Lokomotivführer werden.

Der Klassiker also.

Ja.

Am 17. Dezember hat die GSI ihren 50. Geburtstag. Da wird es sicher eine kleine Feier geben. 

Oh, ‘ne große wahrscheinlich. Die Feiern bei der GSI sind immer ganz gut. 

Sind Sie eingeladen und werden Sie kommen?

Ja, und ich werde kommen.

Dann bis dahin eine gute Zeit und vielen Dank für das Gespräch.

prof.dr.peter.armbruster_vita


*25.7.1931, Dachau (Bayern), studierte Physik an der Universität Stuttgart und der TU München. Dort promovierte er 1961 unter Heinz Maier-Leibnitz. Seine Forschungsschwerpunkte sind Kernspaltung, Wechselwirkung von schweren Ionen in Materie und Atomphysik mit Strahlen aus Spaltprodukten. Von 1965 bis 1970 arbeitete er am Forschungszentrum in Jülich, von 1971 bis 1996 war er leitender Wissenschaftler beim GSI Helmholtzzentrum für Schwerionenforschung in Darmstadt. Armbruster war Professor an der Universität zu Köln und an der Technischen Universität Darmstadt. Er erhielt für sein Werk viele Auszeichnungen, u.a. 1988 den Max-Born-Preis des Institute of Physics in London und der Deutschen Physikalischen Gesellschaft, 1997 die Stern-Gerlach-Medaille der Deutschen Physikalischen Gesellschaft und 2000 den Lise-Meitner-Preis. Die American Chemical Society ehrte Armbruster 1997 als einen der wenigen Nicht-Amerikaner mit dem Nuclear Chemistry Award. Peter Armbruster lebt mit seiner Frau in der Bretagne und in Paris und hat noch einen Wohnsitz in Kranichstein, wo ein Großteil seiner Familie lebt. Er hat zwei Söhne und eine Tochter, fünf Enkel und fünf Urenkel. 


gsi.info


Das GSI Helmholtzzentrum für Schwerionenforschung in Darmstadt-Wixhausen ist eine Forschungseinrichtung, die am 17. Dezember 1969 als Gesellschaft für Schwerionenforschung (GSI) gegründet wurde. Es ist die einzige Großforschungs­einrichtung Hessens. Gesellschafter der GSI sind die Bundesrepublik Deutschland mit 90 Prozent, die Bundesländer Hessen mit  8% sowie Rheinland-Pfalz und Thüringen mit je 1%, das jährliche Budget liegt bei ca. 113 Millionen Euro. Das Zentrum ist Gründungsmitglied der Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren.

Die beim GSI Helmholtzzentrum aufgebauten Experimentiereinrichtungen werden in weltweiter Kooperation mit etwa 1200 Forscher*innen betrieben. Der Schwerpunkt liegt in der Atom- und der Kernphysik, der Plasmaphysik, der Biophysik und Materialforschung.

Das GSI Helmholtzzentrum unterhält mehrere Beschleuniger-Anlagen, u.a. den UNILAC, ein Linearbeschleuniger, der ionisierte Atome (Ionen) bis zu etwa 20 % der Lichtgeschwindigkeit beschleunigen kann. Mit Ionen in diesem Energiebereich sind bereits eine Vielzahl von Experimenten möglich, die unter anderem zur Entdeckung der superschweren Elemente Bohrium (im Jahr 1981), Meitnerium (1982), Hassium (1984), Darmstadtium (1994), Roentgenium (1994) und Copernicium (1996) mit den Ordnungszahlen 107 bis 112 geführt haben.

Außerdem wurde in der GSI  mit der Schwerionentherapie ein Behandlungsverfahren gegen maligne Tumoren entwickelt und erprobt.

Derzeit wird auf dem GSI-Gelände die internationale Teilchenbeschleunigeranlage FAIR (englisch: Facility for Antiproton and Ion Research) gebaut. Die Anlage soll neue Einblicke in die Struktur von Materie und die Entwicklung des Universums ermöglichen. Forschungsfelder sind die Kern-, Hadronen- und Teilchenphysik, die Atom- und Antimateriephysik, die Plasmaphysik und Anwendungen in den Materialwissenschaften, der Biologie und der Biomedizin.
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