Allerhand Dämmerungen

Darmstadt-Glosse #119 Juli 2018

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Ich bin gespannt, sag ich, wie es jetzt weitergeht, so ne Vorrunde ist schon unterirdisch, Gruppenletzter! Tonis kroosartiges Freistoßtor hätte eigentlich ein Fanal sein müssen, sagt mein Vater. Vielleicht hättest du noch lauter rumschreien müssen, sagt meine Mutter, war aber auch schon so unerträglich, dein Gefluche. Deutschland schreibt Fußballgeschichte, sag ich, die Löwdämmerung hat begonnen.

Auch die Kanzlerinnendämmerung schreitet voran, sagt mein Vater. Merkel tritt ab und keiner merkts, sag ich, weil Fußball-WM ist, das wärs doch. Das wird nicht klappen, sagt mein Vater, so viel Schatten wirft die WM jetzt nicht mehr. Na ja, sag ich, für ne halbdunkle Erhöhung der Parteienfinanzierung hats schon mal gereicht, 15% ist ne klare Ansage. Bei den Wählerverlusten, sagt meine Mutter, müssen die GroKo-Parteien halt richtig zuschlagen, um nicht Konkurs zu gehen.

Die Proteste der Kleinen, sagt mein Vater, hielten sich in Grenzen, die verdienen halt auch anständig mit. Kommt Fußball-WM, sag ich, kommen politische Sauereien. Dafür brauchts doch schon lange keine Tarnung mehr, sagt meine Mutter, das passiert doch inzwischen ganz offen. Bayern first, sagt mein Vater. Schlimmer, sag ich, der Bayernfürst propagandiert den Asyltourismus. Und Seehofer will nicht nur Schlafwandler zurückweisen, sagt mein Vater. Die Flüchtlingsfrage lässt sich humanitär nur europäisch lösen, sagt meine Mutter.

Es gibt keine humanitäre Lösung der Flüchtlingsfrage, sag ich, das sollte man seit Adorno eigentlich wissen. Jetzt wirds ernst, sagt mein Vater, Töchterchen kommt zur Sache. Wie meinst du das, fragt meine Mutter. Es gibt kein richtiges Leben im falschen, sag ich, wenn wir noch lange weiter auf Kosten der Herkunftsländer leben, wird das Problem eskalieren. Wie meinst du das, fragt meine Mutter noch mal.

Im globalen Kapitalismus, sag ich, gründet der Profit auf Ausbeutung, Menschenrechtsverletzungen und Naturzerstörung. Stimmt, sagt mein Vater. In Deutschland, sag ich, war schon am 2. Mai der Earth Overshoot Day. Der was, fragt meine Mutter. Der Jahrestag, sag ich, an dem alle Ressourcen der Welt, die in einem Jahr klimaverträglich, ökologisch und sozial gerecht genutzt werden können, aufgebraucht sind. Seitdem sichern wir unseren Wohlstand durch Diebstahl an der Zukunft und den Lebensgrundlagen anderer Länder. Wir leben nicht nur über unsere Verhältnisse, wir leben auch über die Verhältnisse anderer.

Und sprechen zynisch von Wirtschaftsflüchtlingen, sagt mein Vater. Gut beschrieben, sagt meine Mutter, und was ist die Lösung? Keine, sag ich, uns gehts nur gut, weil es anderen schlecht geht. Das will erstens niemand gerne hören und zweitens schon gar nicht als Problem vor der Haustür haben. Die Frage ist dann nur noch, wieviel humanitäres Mäntelchen man noch drüber decken will. In Form von Aufnahmequoten, sagt mein Vater. Oder in der Definition von Asylgründen und sicheren Herkunftsländern, sag ich.

Noch mal, was ist die Lösung, fragt meine Mutter Die Abschaffung des Kapitalismus, sagt mein Vater. Eben, sag ich, also keine. Deshalb haben die rechten Populisten Erfolg, weil sie keine Eiertänze machen müssen. Grenzen dicht, sagt mein Vater, keine Flüchtlingsboote mehr anlegen lassen. Und auf der Handelsebene Schutzzölle, sag ich, jedes Land denkt an sich, Komma, selbst zuletzt. Noch mal, fragt meine Mutter, was ist die Lösung?

Fußball gucken, sagt mein Vater. Genau, sag ich, Ablenkungspolitik in der Weltendämmerung, Trump zeigt Kim sein Auto. Senegal wird Weltmeister, sagt mein Vater, und Monsanto wechselt für 60 Milliarden zu Bayer. Und Glyphosatgut, sag ich, heißt bald Twix. Also nicht europäische Lösungen, sagt meine Mutter, sondern globale. Orbitale, sagt mein Vater, das Kommando über die Weltraumstation haben wir ja schon. Und da kommen wir auch viel weiter als bei der Erden-WM, sag ich, Deutschland wird Fußball-Weltraummeister.

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