Komm, lieber Mai

Darmstadt-Glosse #105 Mai 2017

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©Thea Nivea

… und mache schöne Fotos, ergänze ich, die Bäume sind ja schon wieder grün. Wieso Fotos, fragt mein Vater. Klaus Mai, der supertolle Fotograf, macht die Fotos beim FRIZZ. Wir wollten Mailiederraten spielen, sagt meine Mutter, und keine Werbung machen, außerdem, wenn er so toll ist, soll er mal mich fotografieren. Du bist dran, sagt mein Vater. Maiglöcken klingelingeling, sag ich. Bayern München Meister, singt mein Vater, RB Leipzig Zweiter, für Augsburg wird es knahapp und der SVD steigt … … nächstes Jahr wieder auf, sag ich. Und hat in der Hinrunde nur Heimspiele, sagt mein Vater. Logisch, sag ich, sonst müssten wir ja in der Rückrunde in deiner Geburtsstadt Offenbach spielen. Darauf, sagt mein Vater, noch eine Maibowle!

Ich bin dann wohl raus, sagt meine Mutter. Nee, dran, sag ich. Also gut: Maikäfer flieg, fängt sie an. Dein Vater ist im Krieg, sing ich. Den der orangene Psychopath angezettelt hat, sagt mein Vater. Deine Mutter flieht aus Amiland, sing ich weiter. Die ganze Welt ist abgebrannt, brummt mein Vater. Scheiß Thema, sag ich. Okay, sagt mein Vater, dann halt: Alles neu … … macht der Mai, sagt meine Mutter. So gut kann er dich auch nicht fotografieren, sagt mein Vater. Du bist gemein, sag ich, aber den Lilien-Kader macht er neu.

Was glaubst du, wer bleibt, fragt mein Vater. Sulu, sag ich. Da würd ich drei Großkreutze machen, sagt mein Vater. Heller wollte schon letztes Jahr weg, sag ich, und Gondorf hat schon seine Wohnung gekündigt. Woher weißt du das denn, fragt meine Mutter. Ich weiß es eben, sag ich, aber Sirigu und Holland haben ja schon mal verlängert. Gut so, sagt mein Vater, die Sonne scheint, die Menge tobt und wartet … Ah, sagt meine Mutter, wir sind wieder beim Liedersingen angekommen.

Wie schön blüht uns der Maien, sag ich. Der Winter fährt dahin, singt meine Mutter. Mir ist ein schöns Jungfräulein, trällert mein Vater. Volksliedersingen gilt übrigens als vorbeugend gegen Demenz, sag ich. Bei vielem wärs besser, wenn mans schnell vergessen könnte, sagt mein Vater, Erdogans Referendum zum Beispiel, und der 2. Wahlgang in Frankreich ist ja auch noch. Was, glaubst du, frag ich, kriegt die Le Pennerin? Ne Ohrfeige, sagt mein Vater, hoffentlich. Die Wahlen in Schleswig-Holstein und NRW sind für uns genauso wichtig, sagt meine Mutter. Der Schulz-Hype verliert in NRW an Kraft, kichere ich, die AfD kackt ab, deine Grünen schwächeln und wir kriegen noch mehr GroKos. Prost!

Wir? Wir haben hier GrünSchwarz, sagt meine Mutter. Mit Hang zur Masterplanung, sag ich, kleines Wortspiel. Schon kapiert, sagt meine Mutter. Und auf ewig, wahrscheinlich, sagt mein Vater. Klar, sag ich, bis aufs Stadion läuft doch alles super: 2016 regnete es 200 Mio Gewerbesteuer, 23 Mio Schulsanierungseuros fallen vom Bundeshimmel, 5 Mios für die Mathildenhöhe. Und wir sind im Finale der Digitalen Stadt, sagt meine Mutter. Und der Woog ist bald voll gelaufen, sagt mein Vater, und am Friedensplatz wird so heftig gebaut, dass das Schlossgrabenfest auf den Marktplatz ausweichen muss.

Ach ja, Schlossgrabenfest ist ja auch noch im Mai, sag ich. Grenzgang nicht zu vergessen, sagt mein Vater, von Kranichstein nach Wixhausen, mit Wein und Schnapsrasten an allen Partnerstädten. Fast allen, sag ich. Ich freu mich mehr auf Max Giesinger, sagt meine Mutter. Sie tanzt halt gerne woanders, sagt mein Vater, mit 80 Millionen. Menschen, Leben, Tanzen, Welt, sing ich. Oh oh eh oh oh, echot mein Vater. Ihr könnt ja als Singer-Song-Writer auftreten, sagt meine Mutter, und Mai-Lieder singen. Darauf trinken wir einen, sagt mein Vater, kriegen wir noch nen Schluck von der MaiBowle?

Der Mai, der Mai, der luhustige Mai, sing ich. Der kommt herangerauschet, singt mein Vater weiter. Und dann wir beide zusammen: Ich ging in den Busch und brach mir einen Mai … Ich glaub, sag ich, ich hab das Lied zum ersten Mal richtig kapiert.

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