Wir werden sie verjagen

Darmstadt-Glosse #110 Oktober 2017

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©Thea Nivea

Wie blöd sind die denn, sagt mein Vater und legt die Zeitung weg. Das sind lebende Abbilder der übelsten Klischees, sag ich. Ich meinte die LTZ (lokale Tageszeitung Anm. d. Singer-Songwriter-Redaktion), sagt mein Vater, ham auf der Darmstadt-Seite das Ergebnis vom WK 187 abgedruckt und auf der Landkreisseite nochmal. Ich meinte, sag ich, die hässlichen Männer mit ihren gekauften Thai-Frauen in der CS. Das ist mir etwas zu rassistisch, was du da von dir gibst, sagt meine Mutter. Kein Problem, sag ich, nach dem Frühstück nehm ichs zum Teil zurück. Kommt mir irgendwie bekannt vor, sagt mein Vater. Ach komm, sag ich.

Gibts auch was Positives, fragt meine Mutter genervt. Nö,sagt mein Vater, wie kann manals Grüne nur so blöd sein und mit fast 20 Prozent Erststimme Daniela Wagner wählen, die sowieso schon im Bundestag ist. Ärger dich nicht, sag ich, spricht doch für die Dany, und Grüne sind halt mehr Überzeugungstäter als Taktiker. Außerdem, sagt meine Mutter, wer sagt denn, dass die alle SPD gewählt hätten?

Christel Spößler hat einen super Wahlkampf gemacht, sagt mein Vater. Unbestritten, sag ich, die Mannes ist auch keine ganz doofe und nur so rum wars theoretisch möglich, dass alle drei Frauen aus dem WK 186 nach Berlin kommen. Ja, sagt mein Vater, und praktisch gings knapp am Arsch vorbei. Das liegt ja wohl daran, sagt meine Mutter, dass deine Sozen total abgekackt sind. Deshalb ist Opposition auch die richtige Konsequenz, sagt mein Vater. GroKos haben halt böse Risiken und unerwünschte Nebenwirkungen, sag ich. Jamaika im Bund, ich bin gespannt, sagt mein Vater.

Mal sehn, ob Onkel Martin Opposition kann, sag ich, oder lernt, die TV-Auftritte am Wahlabend warn, sagen wir mal, suboptimal. Ich erwarte von unseren demokratischen Kräften, sagt meine Mutter, dass sie das wahre Gesicht der AfD enthüllen. Sehr klug, sagt mein Vater, und sehr abgeklärt. Nicht von dir, oder, frag ich. Sagt der Präsident des Zentralrates der Juden in Deutschland, sagt meine Mutter. Also, das wird schon alleine optisch funktionieren, sag ich. Wie meinst du das, fragt meine Mutter.

Da sind richtige Nazi-Hackfressen dabei, sag ich, rund ein Drittel der künftigen AfD-Fraktion gehört zum rechtsnationalen Flügel, deshalb ist der Bernd Höcke so überglücklich. Und die smarte Lesbe Weidel und der seriöse Herr Meuthen machen sich mit ihnen gemein, sagt meine Mutter. Genau, sagt mein Vater, übrigens auch jeder der Typen in der Stavo. Und der AfDler im Magistrat, sag ich, der eigentlich ja ganz nett sein soll, oder Mama?

Heute haun wir auf die Frauke, fängt mein Vater an zu singen. Ist ja gut, sag ich. Wir ham einen, weil er bekennender AfDler ist, aus unserer Skatrunde rausgeschmissen, sagt mein Vater. Prima, sag ich, also Mama ... Er spielt Bridge, sagt meine Mutter. Wer, fragt mein Vater. Der im Magistrat, sagt meine Mutter. Na dann, sag ich, soll er austreten, wenn er weiter mitspielen will.

Mit dem Ergebnis in Darmstadt kann man ja noch halbwegs leben, sagt mein Vater, Christel Sprößler wär direkt gewählt und die AfD deutlich unter zweistellig. Halbwegs zählt nicht mehr, sag ich, auch, dass 60% der AfD-Wähler angeblich keine AfD-Anhänger sind, sondern nur unzufrieden mit ihrer Partei, ist kein Ausruhargument. Im Gegenteil, sagt mein Vater, da muss was kommen von den Parteien. Von uns allen, sag ich, klare Kante ist angesagt, ich mein, ich bin ja auch nicht einfach mal für die Eintracht, weil ich mit den Lilien unzufrieden bin.

Das war noch das Beste am Wahlsonntag, sagt mein Vater. Was, fragt meine Mutter. Das 3:3 gegen Dresden, sagt mein Vater. Na ja, sag ich, sagen wir mal das geile Finale und die mega Stimmung im Stadion. Aber politisch war das eher ein Scheißtag. Die Grünen sind Letzter geworden, sagt meine Mutter. Siehst du, sag ich, wir müssen was unternehmen. Erstmal entsorgen wir den Gauland, sagt mein Vater, bloß wohin? Egal, sag ich, wir müssen sie verjagen, alle. 

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