Haushaltsgespräche

Darmstadt-Glosse #112 Dezember 2017

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©Thea Nivea

Du wirst ja noch berühmt, sagt meine Mutter, wen du da so alles interviewst. Es ist ihre 75ste Glosse im FRIZZ, sagt mein Vater stolz. Insgesamt die 112te, sag ich, und bei meiner Kolumnennachbarin auch schon die 25ste. Dass du dich bloß nicht verzettelst, sagt meine Mutter, was ist eigentlich mit deinem Examen? Hallo, sag ich, Studium ist nicht wie Bastel-Brothers, Uni suchen, 3x hingehen, kurz was aufschreiben und zack feddisch: Master. Hast du schon nen Plan, worüber du schreibst, fragt mein Vater. Ja, sag ich, grob, über Alternativen der kommunalen Haushaltsfinanzierung.

Das ist ja wohl ein Witz, sagt mein Vater. Nee, sag ich, spannend. Von mir hat sie das nicht, sagt meine Mutter, ich blick da überhaupt nicht durch, und vielen in der Stavo gehts ähnlich, fraktionsübergreifend. Den Eindruck hab ich auch, sagt mein Vater. Aha, sag ich, und wie entscheidet ihr dann? Wir verlassen uns auf den Fraktionsvorstand, sagt meine Mutter, naja, und ein paar Sachen begreift man schon. Du als passionierte P-Leserin, sag ich, hättest doch den Artikel… Nee, sagt meine Mutter, der war wie angekündigt superlangweilig, aber Haushalt ist halt kompliziert. Nee, sag ich. Dann bitte erklärs uns, sagt mein Vater.

Gut, ihr habt es so gewollt, sag ich: Vor 10 Jahren, mit 14, hatte ich 50 € Taschengeld und war chronisch unterfinanziert. Also, sagt mein Vater, du bist der Ergebnishaushalt. Genau, sag ich, also hab ich mir jeden Monat was geliehen, von Mama. Ja, sagt meine Mutter, da war dann irgendwann ziemlich viel zusammen gekommen. Du hast mir dann gesagt, sag ich, dass du mir die Schulden erlässt, wenn ich drei Monate mit meinen 50 € klarkomme. Ich erinnere mich, sagt meine Mutter. Genau so, sag ich, funktioniert der kommunale Schutzschirm. Nur Jahre statt Monate, sagt mein Vater. Und du hast es ja auch geschafft, sagt meine Mutter.

Nur mit einem Trick, sag ich, jetzt kommt ne Beichte, Mama. Ich ahne was, sagt mein Vater. Ich hab mir jeden Monat was von meinen Freundinnen gepumpt. Also Kassenkredite aufgenommen, sagt mein Vater. Ja, sag ich, sonst wär ich nicht klar gekommen. Weil du ja nur ein Einnahmeproblem hast, sagt mein Vater, kein Ausgabeproblem. Sehr aufschlussreich, sagt meine Mutter. Ich weiß, was jetzt kommt, sagt mein Vater. Willst dus Mama erzählen, frag ich. Ja, sagt mein Vater, unser Töchterchen hat mich irgendwie dazu gekriegt, die Schulden bei ihren Freundinnen zu übernehmen. Ich bin, sag ich, praktisch die Erfinderin der Hessenkasse, wo das Land zum 1. Juli 2018 die Kassenkredite der Kommunen ablöst.

Weil viele Kommunen sonst handlungsunfähig wären, sagt mein Vater. Weil, sag ich, sie eben strukturell unterfinanziert sind. Und leider hab ich keine Schwester wie meine Freundin, die hat praktisch den Eigenbetrieb erfunden. Wie, fragt mein Vater. Ausgaben ausgelagert, sag ich, ihre kleine Schwester hatte noch kein Taschengeld, kriegte aber von ihrer Mutter was, wenn sie was gebraucht hat, für Schminkzeug oder so. Also hat die Große ihr Schminkzeug von der Kleinen mitkaufen lassen und ihr dafür ab und zu mal 5 Euro zugeschoben. Klappt halt nicht ewig, sagt mein Vater. Eben, sag ich, und, na ja, der Vergleich hinkt ein bisschen. Später wollte die Kleine den Perso von ihrer Schwester, um in die Krone zu kommen, kriegte sie aber nur gegen Kohle, logo. Also, sagt mein Vater, so ne Art Gebühreneinnahme. Ja, sag ich.

So kann das doch alles nicht dauerhaft funktionieren, sagt meine Mutter. Eben, sag ich, hält sich auch nur wg. solcher Sondermodelle oder unverhoffter Gewerbesteuermillionen. Wie weiland von der Telekom, sagt mein Vater. Sowas ist dann, sag ich, wie Besuch von der Patentante oder die Oma hat nen guten Tag. Oder Weihnachten, sagt meine Mutter, was wünschst du dir eigentlich? Geld, sagt mein Vater. Ja, sonst kann ich mir keine freiwilligen Leistungen mehr leisten, sag ich, und noch was wünsch ich mir. Neuwahlen, sagt mein Vater. Nein, sag ich, 2018 keine Fragen nach Examen und so …

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