Sorgen über Sorgen

Darmstadt-Glosse #117 Mai 2018

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©Thea Nivea

Was ist los mit dir, frag ich meine Mutter, du guckst so sorgenvoll. Ich mach mir Sorgen, sagt meine Mutter, dass dieser amerikanische Geisteskranke uns noch in den 3. Weltkrieg twittert. Wer Trump als geisteskrank bezeichnet, sagt mein Vater, befreit sich von einer politischen Auseinandersetzung mit ihm. Stimmt, sag ich, mit psychiatrischen Ferndiagnosen ist noch kein Präsident aus dem Amt entfernt worden, aber mit Lincoln und Kennedy in einem Atemzug genannt zu werden, wäre auch zu viel der Ehre. Vielleicht gehts ja auch mit demokratischen Mitteln, sagt meine Mutter. Sie sollten ihn rechtzeitig verjagen, sagt mein Vate. Oder mit seinen eigenen Waffen schlagen, sag ich: Ab 5:45 Uhr wird jetzt zurück getwittert.

Keine gute Anspielung, sagt mein Vater. Okay, sag ich, Ursache und Wirkung sind ein bisschen verdreht, aber das war die Reaktion auf deine Gaulandanspielung. Wir werden sie jagen, sagt meine Mutter. Genau so hieß das, sag ich. Eben, sagt meine Mutter, genau die werden wir jagen, die Gaulands und die von Storchs. Die von der Partei der Rassisten, sagt mein Vater. Und derjenigen, sag ich, die kein Problem haben, mit Rassisten in einer Partei zu sein. Die, sagt mein Vater, die Traditionshasen missbrauchen, um Angst vor dem Islam zu machen. Meinte nicht neulich, fragt meine Mutter, auch unser Bundesheimatmuseumswächter, dass der Islam nicht zu Deutschland gehört?

In Bayern stehen halt Wahlen an, sag ich. Seehofer bereitet den Boden, sagt meine Mutter, für so was wie den schäbigen Steinanschlag auf die Darmstädter Moschee. Ich will auch nicht, sagt mein Vater, dass der Islam Staatsreligion wird und wir alle in die Moschee gehen müssen. An Weihnachten, sag ich. Genau, sagt mein Vater. Eure Neigung zu Zynismus und Ironie macht mir manchmal Sorgen, sagt meine Mutter. Uns manchmal auch, sagt mein Vater. Ich hab halt keine Lust gesteinigt zu werden, sag ich. Ich gebs auf, sagt meine Mutter.

Wollen wir dann einfach mal über Fußball reden, frag ich. Ich mach mir Sorgen um den städtischen Haushalt, sagt mein Vater. Nee, sagt meine Mutter, dann rede auch ich lieber über Fußball. Es geht schon um Fußball, sagt mein Vater, findet ihrs gut, dass die Stadt wieder mal ne Bürgschaft übernimmt für die Lilien? Nee, sag ich, aber findest dus besser, sie kriegen keine Lizenz für die 3. Liga? Du meinst, sagt mein Vater, das hängt damit zusammen, nicht mit dem Stadion? Alles hängt mit allem zusammen, sag ich, aber die Lilien steigen nicht ab, da mach ich mir keine Sorgen. Ich schon, sagt mein Vater.

Eher holt Heynckes sein zweites Triple, sag ich. Nee, sagt mein Vater, Kovac wird Pokalsieger. Ich hasse die Eintracht, sag ich. Darauf können wir uns einigen, sagt mein Vater.  Ich find den sehr sexy, sagt meine Mutter. Wen, fragt mein Vater. Den Kovac, sag ich, Mama wird nächstes Jahr zum Bayern-Fan und verrät Dortmund. Trainertypologisch absolut nachvollziehbar, sagt mein Vater. Männeroptisch erst recht, sagt meine Mutter. Kovac ist dir ja schon ein bisschen ähnlich, sag ich zu meinem Vater. Du meinst, sagt er, ich muss mir keine Sorgen machen?

Mama ist jetzt aktiv bei XING, sag ich, vielleicht eher deshalb. Das ist doch keine Partnersuch-App, sagt meine Mutter. Die meisten Paare lernen sich über ihren Job kennen, sag ich. Benimm dich einfach, sagt meine Mutter zu meinem Vater, dann brauchst du dir auch keine Sorgen zu machen. Und wer soll für mich sorgen, frag ich, wenn ihr euch trennt? Kind, sagt mein Vater, du bist jetzt 25 Jahre alt und … … ich weiß, sag ich, ich krieg aach siwwe Bällcher Eis.

Ich fahr jetzt an die Grube, sagt meine Mutter. Zieh deinen Fahrradhelm auf, sagt mein Vater. Ja, Papa, sagt meine Mutter. Er macht sich halt Sorgen um dich, sag ich, ist doch ganz süß, oder? Er soll besser für sich selber sorgen, sagt meine Mutter, dann muss ich mich nicht so um ihn sorgen. Oder mich versorgen, sagt mein Vater. Ich mach mir, sag ich, langsam Sorgen über eure Sorgen.

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