So Zeiten wie diese ...

Darmstadt Glosse #11 Februar 2009

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©Thea Nivea

Eigentlich fing das Jahr ja ganz gut an. Aber dann gabs richtig Krach. Wegen der Wahl. Na ja, eigentlich wegen dem Wahlplakat, das in meinem Zimmer hängt. Dabei habe ich den blauen Streifen unten abgeschnitten. Weil ich die von der JU sowieso nicht leiden kann. Aber das Plakat ist witzig. Mein Vater hat sich total aufgeregt, als er es in meinem Zimmer gesehen hat. Das ist Wahlkampf unter der Gürtellinie, hat er geschimpft. Wenigstens nicht so langweilig, wie in Zeiten wie diesen, hab ich gesagt. Unterste Schublade, hat er geschäumt. So nennt man das, wenn jemand vor Wut kocht. Weiß ich aus der Zeitung. Wenzel schäumte, stand da, und auch wegen dem Plakat.

Dabei ist der Michael Siebel richtig gut getroffen, sag ich, und mein Vater fragt, woher ich das denn wissen will, ich würde den doch gar nicht kennen. Doch, sag ich, vom weißen Turm, da hat er mich angequatscht, ob er mich von seinem Programm überzeugen kann. Ich hab erst gedacht, ist das jetzt Modelfalle oder so was, aber dann hab ich ihn erkannt. Am roten Hut. Vom Plakat. Ich hab ihm gesagt, dass ich noch nicht wählen darf, aber er hat trotzdem mit mir geredet. Vielleicht weil ich schon aussehe wie 18. In die Disco komm ich auch immer problemlos rein.

Gut, dass die SPD schon für 2014 Wahlkampf macht, sagt meine Mutter, aber trotzdem, das Plakat ist nicht in Ordnung. Die vier Schweinchen find ich total süß, sag ich, besonders das rechte. Nein, sagt meine Mutter entschieden, Dagmars Metzger ist eine massive Verunglimpfung. Ich glaub, sie meint das wirklich ernst, dabei schimpft sie selber, wenn sie sich mal wieder nach einem Elternabend aufregt, dass im Beamtenrecht der Paragraph der Notschlachtung fehlt. Ich hab aber auch ganz viele nette Lehrer. Und dann hab ich sie gefragt, was denn eine Verglimpfung ist.

Von der Wahl redet schon keiner mehr. Meine Mutter hat sich gefreut, weil Darmstadt immer mehr die Stadt der Grünen wird und der Reißer wieder im Landtag ist. Das passt irgendwie nicht zusammen, hat mein Vater gesagt. Noch nicht, sagt meine Mutter, und sie findet den wohl nett. Dass es klar war, dass es so kommen musste, sagt mein Vater. In Zeiten wie diesen wählt das Volk immer die Falschen. Noch mal fünf Jahre Koch, sagt er dann, und es klingt ziemlich hoffnungslos.

Abhängen musste ich das Plakat nicht. Siebel ist schließlich nicht Mohammed, hat mein Vater gesagt. Hab aber nicht kapiert, was er meint. Abgehängt hab ichs dann aber doch. Schon zwei Tage nach der Wahl. Jetzt hängt da mein Obama-Poster.

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