ENTSCHEIDUNGS-FREI-HEITEN

Darmstadt Glosse #13 April 2009

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©Thea Nivea

Neulich war ich mal wieder bei den Lilien. Mit meinem Vater. Wegen dem Zuschauerrekord. Hat aber trotzdem nix genützt. Kein Wunder, wo so viele meiner Kumpels erst nach Freikarten gegeiert haben und dann doch nicht hin sind. Sind die Lilien jetzt eigentlich gerettet, frag ich meinen Vater, aber der sagt, man weiß es noch nicht so genau. Wird nur Zeit, dass sich die ehemals Handelnden mal definitiv entscheiden, sagt er. Sieht aber sonst ganz gut aus.

Mein Vater ist sowieso ganz gut drauf. Will mir sogar mehr Taschengeld geben. Ohne dass ich groß nerven musste. Und ohne dass er mein Mutter gefragt hat. Weil, die ist auf so ner Infoveranstaltung. Privates Konjunkturprogramm, hebt das Binnenklima, sagt mein Vater, in der Krise muss jede Regierung investieren. Sind wohl ganz neue Erkenntnisse, sag ich. Nein, nix Neues, sagt meine Mutter, die gerade zurück kommt, und sie wirkt ein bisschen gefrustet.

Scheint so, dass der Magistrat froh ist, nix entscheiden zu müssen, sondern die Bürger, sagt sie. Vielleicht hat er Angst, dass die Entscheidung wieder erst beim zweiten Mal passt. Meinst du den Heag-Vorsitz, fragt mein Vater, den Darmbach oder den ICE- Bypass? Könnt ihr mir mal sagen, wovon ihr gerade redet, frag ich, weil ich gar nix mehr blicke. Davon, dass der Partsch neuer Oberbürgermeister wird, sagt meine Mutter. Wie kommst du denn da drauf, fragt mein Vater. Nur so ein Gefühl, sagt sie, aber der weiß wenigstens, was er will. Auf ihre Gefühle kann sich meine Mutter normalerweise verlassen.

Die sollen lieber Straßenlöcher stopfen statt die Nordostumgehung zu bauen, sagt mein Vater, dann gibts auch für die Rundschau nix mehr zu melden. Straßenlöcher? Haushaltslöcher! Zum Glück, meint Mutter, ist sowieso kein Geld da, hätte der Partsch gesagt. Doch, sag ich, ich krieg sogar Taschengelderhöhung. Wie, fragt meine Muter erstaunt, und mein Vater sagt, hab ich so entschieden. Siehst du, sag ich, ist doch Geld da, aus dem Konjunkturprogramm.

Davon werden jetzt mal endlich die Schulen saniert, sagt meine Mutter, bevor noch mehr Elternbeiräte auf die Idee kommen, die Schließung zu beantragen. Warum beantragst du nicht mal die Schließung meiner Schule, frag ich, das würde mir Einiges ersparen. Sieh zu, dass du rechtzeitig zu Potte kommst, sagt meine Mutter, bevor die Landesregierung das qualifizierte Abitur einführt. Was bitte soll das denn sein, frag ich, und meine Mutter meint, dass wäre doch nur konsequent, wo es jetzt doch bald auch den qualifizierten Realschulabschluss geben soll.

Wenn ich 18 bin, geh ich sowie ab, sag ich, und sofort schauen mir beide tief in die Augen. Entrüstetes Schweigen. Na gut, sag ich, April, April, und ich entscheide ganz schnell, mich auf mein Zimmer zu verziehen. Könnte sonst Stress geben. Trotz Taschengelderhöhung. Und trotz Osterferien.

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