Die Auferstehung und das Schweigen

Darmstadt Glosse #23 April 2010

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©Thea Nivea

Bei uns geht’s nur noch um Politik. Schon beim Frühstück. Das nervt total. Und mein Vater macht einen Witz nach dem andern. Anders hält ers nicht aus, sagt meine Mutter, besonders den OB.  Ob wir wüssten, was Ostern und Walter Hoffmann gemeinsam haben. Keine Ahnung, sag ich. Den Glauben an die Auferstehung, sagt mein Vater. Na ja, sagt meine Mutter, so ne kleine Kreuzigung war das ja schon, was die SPD da gemacht hat. Ihr seid blasphemisch, sag ich, und mein Vater sagt, ich wüsste gar nicht, was das ist. Doch, sag ich, lästern über was Heiliges.

Der OB ist nicht heilig und die Kirche erst recht nicht, sagt meine Mutter. Und ich weiß genau, was sie meint, da ist sie verdammt empfindlich. Wie die katholische Kirche mit den Missbrauchsfällen umgeht, ist ein Skandal, sagt sie. Dazu fällt mir auch ein Witz ein, sagt mein Vater. Aber er hat keine Chance, meine Mutter ist voll in Fahrt. Wenn schon Zölibat, dann auch konsequent mit Kastration, sagt sie. Was soll das helfen, sagt mein Vater, das Problem gabs doch auch an einer Reformschule. Und die handelten nicht in Gottes Namen, sondern beriefen sich auf die alten Griechen.

Das Zölibat sublimiert die Sexualität für höhere Zwecke, sag ich. Wo hast du denn den Schmarrn her, sagt meine Mutter. Haben wir in Ethik drüber geredet, sag ich, das hat so ein Weihbischof im Fernsehen gesagt. Und, fragt mein Vater. War lustig, sag ich, jetzt wüsste er endlich, hat der Paul gesagt, warum das geistige Onanie heißt. Sein Vater ist nämlich Pfarrer. Evangelischer oder katholischer, fragt meine Mutter. Ha, ha, sag ich nur.

Damit kann die katholische Kirche auch nicht umgehen, sagt meine Mutter. Immerhin hat die Politik mit Fremdgehn weniger Probleme, sagt mein Vater, und schwul zu sein ist da auch keins mehr. Nur wegen der paar Vorzeigeschwulen, dies da gibt, sagt mein Mutter, das glaub ich nicht. Wo ist beispielsweise der Vorzeigeschwule in der CSU? Seit wann kümmert mich die CSU, sagt mein Vater. Siehst du, sagt meine Mutter, je katholischer, desto scheinheiliger.

Können wir nicht endlich über was anderes reden, sag ich. Einverstanden, sagt mein Vater, z.B. über Fußball. Z.B. über Schiedsrichter, sagt meine Mutter. Und die gute Figur, die die alten Herrn vom DFB dabei machen. Immerhin will der Zwanziger erreichen, dass die Schwulen im Fußball sich outen können, sag ich. Haben wir auch in Ethik besprochen. Der Vorsatz ist noch nicht mal nen Zehner wert, so wie der sich verhält, sagt meine Mutter. Kann sich halt nicht vorstellen, dass es auch unter Männern Rosenkriege gibt.

Wir können doch auch einfach mal Schweigen, sag ich. Ja, sagt mein Vater, und guckt meine Mutter an. Und ich versprech dir, ich werde dich nicht unterbrechen.

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